28.08.2007, 08:40 Uhr

E-Science zeigt neue Business-Dimensionen

Die IT steht vor Umwälzungen, welche die Wirtschaft in ihren Sog ziehen werden. Rolf Kubli, Fellow bei EDS, postuliert technische und organisatorische Entwicklungen, die ungeahnte Geschäftsmodelle und -möglichkeiten eröffnen.
Rolf Kubli, Fellow im Vordenkergremium von EDS.
Innerhalb des EGEE-Projektes (Enabling Grids for E-Science) hat Rolf Kubli, Chef-Technologe bei EDS Schweiz und als Fellow Mitglied des 30-köpfigen Vordenker-Gremiums des Konzerns, epochale Um-wälzungen der IT-Landschaft angekündigt. Im Gespräch begründet Kubli seine These.

Computerworld:Sie sprechen von epochalen Umwälzungen in der Wirtschaft, warum?

Rolf Kubli: Ich postuliere, dass die Wechselwirkung zwischen E-Science und den generellen IT-Industrietrends unsere alltägliche IT-Nutzung dramatisch verändern und einen Innovationsschub auslösen wird. Ebernso, wie die Väter des Grid-Computing den Paradigmenwechsel in der Art, wie multidisziplinäre Wissenschaft betrieben wird, mit dem Schlagwort «System-Level-Scien-ce» (SLS) postulieren, so wird schon bald das System-Level-Business (SLB) als nächste Generation des E-Business entstehen.

Was bedeutet System-Level-Science?

In der Wissenschaft sieht man den Trend, komplexe Probleme integrierter als bisher anzugehen - nämlich durch Vernetzung verschiedener Wissensgebiete und Phänomene. So will man den Untersuchungsgegenstand besser verstehen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Diesen Ansatz nennt man SLS und meint damit eine neue Form der globalen wissenschaftlichen Kollaboration. Diese E-Science wird natürlich durch eine entsprechende neuartige Infrastruktur, das Grid, unterstützt beziehungsweise erst ermöglicht. Ziel ist die gemeinsame Nutzung sehr teurer Instrumente, riesiger Datenmengen und komplexer Modelle.
Jedes dieser Instrumente wird als Service oder Dienstleistungsstation betrachtet und mit allen Abnehmern so effizient wie möglich verbunden. Dadurch wird der Zugriff auf Information einfacher, Entwicklungszeiten werden beschleunigt und Kosten werden reduziert.

Und was ist dann System-Level-Business?

Dahinter steht dieselbe Idee - aber angewandt auf die Wirtschaft. Auch für die Industrie wird es ein entscheidender Erfolgsfaktor der Zukunft sein, jederzeit schnell und unabhängig vom Standort auf weltweit verteilte Daten und «Shared» IT-Ressourcen aller Art zugreifen zu können. Zum Beispiel die Pharmaindustrie: Sie wendet pro Tag für eine Produktentwicklung eine Million Dollar auf. Der Einsatz von SLB wird diese Kosten stark reduzieren. E-Science strebt zudem nach rascherer und effizienterer Innovation als bisher - Ziele, die auch die Industrie verfolgt. Deswegen wird die Wirtschaft System-Level-Konzepte adaptieren.

Was kommt konkret auf die Wirtschaft zu?

Ein Umbau. Firmen werden sich stärker als bisher nach Kompetenzzentren gliedern können, die noch klarer definierte Services erbringen. Das wird die Auslagerung oder Verselbständigung solcher Services erleichtern. So werden diese Möglichkeiten der IT zu sehr konkreten neuen Business Opportunities führen. Der Zusammenhang dieser Service-orientierten Business-Modelle mit dem Megatrend SOA (Service-orientierte Architekturen) ist offensichtlich. All dies bedeutet auch, dass der Begriff der «Virtuellen Organisation» (VO) in Bezug auf IT eine neue Qualität bekommen wird. Eine VO ist eine Gemeinschaft von Anwendern, die IT-Ressourcen für einen bestimmten Zweck gemeinsam nutzen.

Wieso sprechen Sie von Innovationsschub?

Weil Innovationen durch bessere Vernetzung und Kommunikation entscheidend gefördert wird. Weil unerwartete Kombinationen, Berührungen und Überschneidungen von Themen und Disziplinen qualitativ und quantitativ um Grössenordnungen zunehmen werden. Als kleiner Vorgeschmack demonstriert bereits das Web-2.0-Phänomen diesen Effekt der Innovation und Beschleunigung einer Lösungsentwicklung. Es ist plötzlich ganz einfach, Funktionen und komplexe Services in kurzer Zeit zu kombinieren (Mashups). Hinzu kommen Änderungen der Grössenordnung bei den Kosten für eine Leistung. So entstehen neue Geschäftsmodelle, wenn bisher unmögliche Verarbeitungsaufgaben wettbewerbsfähig realisiert werden können. Kurz: Es steht eine gleichzeitige Kostensenkung und Flexibilitätserhöhung der Informationsverarbeitung vor der Tür, die schwer berechenbare Veränderungen auslösen wird.

Die ideale IT? Wo ist der Haken?

Es gibt eine ganze Reihe von Hindernissen. Ein Beispiel: Die Energieeffizienz von Computern und Endgeräten wird bei diesem unaufhaltsam wachsenden Bedarf nach IT-Leistung zur ökologischen und ökonomischen Priorität (Green IT). Allein die «Climate Savers Computing Initiative» zielt auf eine 50-prozentige Reduktion des Energieverbrauchs von Computern bis 2010.
Volker Richert



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