Cloud Computing 03.06.2011, 06:00 Uhr

Neues Paradigma oder Marketing-Hype?

Unter Cloud Computing versteht jeder etwas anderes – für die Hersteller ist der neue Megatrend vor allem ein Verkaufs-argument für Hard- und Software. Welche Varianten gibt es und was hat Zukunft?
Bild: © Andrew Rich / istockphoto.de
Der Autor ist Product Manager für die Beriche Microsoft-Betriebssysteme/Server bei der Digicomp Academy AG Spätestens seit der jüngsten CeBIT ist es offensichtlich: Cloud Computing ist der Megatrend schlechthin. Ob Dienstleistungen, Hard- oder Software, Gross­unternehmen oder Start-up – alle neuen IT-Angebote werden heute in irgendeiner Form unter dem Etikett «Cloud Computing» geführt. Das ist vor allem deshalb so, weil jeder etwas anderes darunter versteht. Das heisst, statt das Produkt einem vorgegebenen Standard anzupassen, verschiebt man leicht die Definition – und schon passt alles.

Was ist überhaupt Cloud?

Oracle stellte jüngst die «Cloud in a Box» vor. Das ist ein Hochleistungscomputer mit viel proprietärer Hard- und Software. Auch EMC, HP und Cisco wollen den IT-Managern einen ganzen Strauss an Hard- und Software zum Einrichten einer internen Cloud verkaufen. Folgt man deren Argumentation, so bedeutet Cloud Computing vor allem umfangreiche Hardware-Investitionen. Oracles neue Exa­logic Elastic Cloud kostet laut Analysten­berechnungen in einer typischen Hardware- und Software-Konfiguration beispielsweise über zwei Millionen US-Dollar. Oracles Cloud in a Box ist für den Aufbau einer internen Cloud gedacht – im Gegensatz zur externen Cloud oder einer Kombination von beidem, also der Hybrid-Cloud. Hinzu kommen dann noch die Begriffe Virtualisierung, Software as a Service (SaaS), Infrastructure as a Service (IaaS), beziehungsweise Platform as a Service (PaaS). Womit die Verwirrung perfekt ist. Ein kurzer Rückblick in die Entwicklung des Begriffs Cloud Computing verschafft da etwas Klarheit. Ursprünglich waren damit IT-Leistungen gemeint, die: - übers Internet geliefert werden, - Mandanten-fähig sind (Multi-Tenant), - ab dem ersten Arbeitsplatz skalierbar sind, - verbrauchsabhängig abgerechnet werden. Bekannte Beispiele dafür sind die Google-Apps, das CRM-Angebot von Salesforce oder die Kreditkartenabrechnung im Einzelhandel. Dann kamen verschiedene IT-Anbieter auf die Idee, nicht nur fertige Anwendungenwie E-Mail, CRM oder Webhosting übers Netz anzubieten, sondern auch Middleware oder Basis-IT-Leistungen wie beispielsweise eine bestimmte Serverleistung mit einem vorgegebenen Speicherplatz: Infrastructure as a Service genannt. Platform as a Service ist dann der Mittelweg zwischen SaaS und IaaS, bei dem nicht nur nackte Infrastruktur, sondern bereits eine zugehörige Runtime-Umgebung mit bereitgestellt wurde. Bekannte Anbieter hierfür sind Salesforce mit der Force.com-Plattform und Amazon mit seinem Elastic-Cloud-Computing (EC2).

Ein Milliardenmarkt

Gartner benutzt die oben angegebene Definition (1 bis 4) noch heute als Oberbegriff für Cloud Computing. Nach deren Ansicht betrug dieser Markt im Vorjahr weltweit rund 60 Milliarden US-Dollar und wird sich bis 2014 auf 150 Milliarden Dollar explosionsartig ausweiten. Gründe dafür sind eine rasant zunehmende Angebotspalette, beispielsweise Microsofts Office 365 oder auch die vielen Apps für Tablets und Smartphones. Die nächste Erweiterung von Cloud Computing entstammt im Wesentlichen den Marketingköpfen der Hardware-Anbieter, denen es gar nicht gefällt, dass die Unternehmen ihre eigene IT-Infrastruktur zurückfahren, um stattdessen eine effizientere Cloud-basierte IT-Struktur zu nutzen. Hierzu wurde den IT-Chefs klargemacht, dass man das, was beispielsweise Amazons EC2-Plattform anbietet, auch als internes IT-Angebot einrichten kann. Mit anderen Worten: Wenn eine Abteilung eine bestimmte Server- und Speicherleistung anmieten will, sollte sie das auch beim internen Rechenzentrum können und nicht zu Amazon oder einem anderen externen Anbieter ausweichen müssen. Einen solchen internen Service bezeichnen die Anbieter dann als interne Cloud. Wobei dazu natürlich auch ein interner Applikationsdienst, wie E-Mail oder das Intranet, zählt. Amazons Angebot fällt demzufolge unter den Begriff externe Cloud. Wer dort Cloud-Computing-Virtualisierung einsetzt, kann inzwischen bereits die Images der virtuellen Maschinen (VMs) zwischen dem internen Rechenzentrum und dem externen Provider hin und her schieben – was man dann Hybrid-Cloud nennt. Doch eine Hybrid-Cloud liegt auch dann schon vor, wenn externe SaaS-Angebote mit internen Applikationen kombiniert werden, beispielsweise wenn das Salesforce-CRM mit internen Analytics oder Datamining-Programmen verbunden wird.

Mit oder ohne Virtualisierung

Bei all diesen Definitionen kommt dann häufig noch die Virtualisierung ins Spiel. Cloud-Dienste können mit und ohne Virtualisierung erbracht werden. Salesforce nutzt Virtualisierung, Google nicht. Und umgekehrt stimmt es auch: Man kann sein ganzes Rechenzentrum virtualisieren und trotzdem keine Cloud-Dienste anbieten. Der einzige Grund, warum Virtualisierung häufig in einem Atemzug mit Cloud Computing genannt wird, ist der, dass manche Cloud-Dienste mit Virtualisierung einfacher sind, beziehungsweise ohne Virtualisierung unmöglich, wie beispielsweise das Verschieben von VMs zwischen internen und externen Rechenzentren. So viel zu den wesentlichen technischen Verfahren im Zusammenhang mit Cloud Computing. Die Vorteile einer solchen IT-Nutzung sind schnell einsehbar und erinnern an frühere Versuche einer besseren Rechenzentrumsausnutzung. IBMs Kampagne des On-Demand-Computing ist die bekannteste. Immer ging es darum, die Anwendungslast nicht starr an eine bestimmte Hardware zu koppeln, sondern diese je nach Notwendigkeit variabel zuzuordnen.

Rechtlich nicht unproblematisch

Dass Cloud Computing nicht schon viel früher zum Megatrend aufgestiegen ist, lag im Wesentlichen an zwei Faktoren: der schwachen, beziehungsweise zu teuren Übertragungsleistung im Netz und dem geringen Angebot an Cloud-geeigneten Anwendungen. Hier zeichnen sich dann auch die ersten Probleme oder Schwächen von Cloud Computing ab – zumindest im Bereich von externen Cloud-Diensten. Bei diesen Angeboten ist immer ein Netzprovider zwischen der Applikation und dem User – und auf dessen Leistung hat der Cloud-Provider kaum einen Einfluss. Folglich kann kein externer Cloud-Provider eine bestimmte Verfügbarkeit per Service Level Agreement (SLA) garantieren. Hinzu kommen andere Risiken wie politische Einflüsse. Amazon hat auf Drängen eines US-Senators die von Wikileaks angemietete Infrastruktur abgeschaltet, obwohl diese physikalisch in Frankreich gehostet war. Auch die in Ägypten gehosteten Cloud-Dienste fielen während der Unruhen der dortigen Internetblockade zum Opfer. Eines der grössten Probleme mit jeder Art von externer Cloud sind die Datenbestände. Datenschutz und Compliance sind von Land zu Land unterschiedlich. In der Schweiz darf beispielsweise eine Reihe von Datenbeständen das Hoheitsgebiet der Schweiz nicht verlassen. Das Problem dieser Auflagen ist, dass diese nicht delegierbar sind. Mit anderen Worten: Auch wenn der Cloud-Provider sich per Vertrag verpflichtet, die Daten in der Schweiz zu belassen, haftet im Versäumnisfall der Dateninhaber und nicht der Cloud-Provider.


Das könnte Sie auch interessieren