Frank Thonüs, Dell Technologies 17.05.2021, 06:17 Uhr

«Ich habe noch nie so viel gearbeitet»

Die Mitarbeiter im Heimbüro benötigten plötzlich neue Hardware, die Rechenzentren der Firmen mehr Ressourcen. Frank Thonüs von Dell Technologies hatte im Corona-Jahr alle Hände voll zu tun.
Frank Thonüs verantwortet seit gut einem Jahr die Geschäfte von Dell Technologies Schweiz
(Quelle: Dell Technologies)
Kaum hatte Frank Thonüs den Posten des General Managers von Dell Technologies Schweiz übernommen, kam der Lockdown. Wie er sich eingerichtet hat und seine Organisation lenkt, berichtet er im Interview. Ausserdem blickt er auf das ungewöhnliche Geschäft im vergangenen Jahr zurück und erklärt, wie Dell Technologies die Kunden bei der digitalen Transformation unterstützt hat.
Computerworld: Für die «Transformation Talks» schlüpfen Sie seit einem Jahr in meine Rolle. Sie führen Interviews mit Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft. Können Sie bitte einen Blick hinter die Kulissen von «Dell-TV» gewähren?
Frank Thonüs: «Dell-TV» ist eine gute Idee! [schmunzelt] Gern blicke ich mit Ihnen hinter die Kulissen. Als wir während des ersten Lockdowns vor einem Jahr nicht mehr direkt mit unseren Kunden in Kontakt treten konnten – und unser Geschäft ist ein People Business –, mussten wir Alternativen finden für Events und Kundenbesuche. Wir sind damals gleich ins Home Office gewechselt und konnten die Kunden nur noch via Telefon oder Video erreichen.
Dennoch wollten wir die Kunden und Partner sowie alle Interessierten über Neuigkeiten oder wichtige technische Entwicklungen auf dem Laufenden halten. So sind die «Transformation Talks» entstanden. Mittlerweile sind über 20 Interviews online, unter anderem mit meinen Kollegen von Dell Technologies, aber auch mit dem Geschäftsführer von swissICT, Christian Hunziker, oder mit dem Radrennfahrer Fabian Cancellara. Das Feedback auf die Videos ist sehr gut, und wir verzeichnen jeweils mehrere Tausend Zuschauer.
Im Vergleich mit den üblichen PowerPoint-Vorträgen an Kundenanlässen habe ich mich sehr umstellen müssen. Denn die Zuschauer wollen keine minutenlangen Monologe, sondern kurze und knackige Statements – sowohl vom Gast als auch vom Moderator.
CW: Abseits der «Transformation Talks» – was treibt Sie um nach mittlerweile fünf Jahren als Geschäftsführer von EMC und nun einem Jahr von Dell Technologies?
Thonüs: Streng genommen war ich nur eineinhalb Jahre lang der Country Manager von EMC. Denn nachdem ich den Posten im Mai 2015 übernommen hatte, folgte im Oktober gleich die Ankündigung des Mergers mit Dell. Ab diesem Zeitpunkt haben wir zunächst noch ein Jahr lang als zwei Firmen weitergearbeitet. Dann folgte der Zusammenschluss und ich durfte das Grosskundengeschäft von Dell Technologies leiten. Wiederum vier Jahre später, im Februar 2020, wurde ich der alleinige Geschäftsführer von Dell Technologies Schweiz. Diese Position habe ich jetzt seit gut einem Jahr inne, wie Sie richtig sagen.
Kaum hatte ich den Posten übernommen, kam schon der Lockdown. In dieser Situation ein Unternehmen unserer Grösse und Komplexität zu führen, stellte sich als echte Herausforderung dar. Denn Dell Technologies vertreibt in der Schweiz ja nicht nur die Hardware für das Home Office, sondern rüstet auch komplette Rechenzentren aus – von den Servern, den Speichern und dem Netzwerk über die Services bis hin zur Finanzierung. Diese Prozesse komplett virtuell zu begleiten, zu führen und zu managen, war nicht immer einfach, aber natürlich gleichzeitig auch ein gutes Learning für mich. Jedoch muss ich gestehen, dass ich noch nie in meinem Leben so viel gearbeitet habe wie in den abgelaufenen zwölf Monaten.
Zur Person
Frank Thonüs
ist seit Februar 2020 der General Manager von Dell Technologies Switzerland. Zu Dell Technologies stiess er 2016 mit der Übernahme von EMC, wo er als Managing Director Switzerland amtete. Ab 2000 war Thonüs während 15 Jahren in verschiedenen Führungspositionen bei Symantec und Veritas tätig. Seine Karriere begann er 1997 bei Alltron und Silicon Graphics. Thonüs hält einen Bachelor in Management von der Zurich Business School.

Fragenkatalog für Produktivitätskiller

CW: Das hört sich nicht gut an. Mögen Sie uns einen Einblick in Ihre Agenda geben?
Thonüs: Nur so viel – sie ist sehr voll. Einerseits müssen wir weiterhin erfolgreich Geschäfte machen. Das bedeutet für mich, dass ich meine Teams führen und unterstützen soll. Andererseits bin ich weiterhin der Chief Sales. Ich bin selbst verantwortlich für das Business mit den grösseren Kunden. Dafür habe ich mir das persönliche Ziel gesetzt, mindestens alle vier Stunden irgendeine Art von Kundenkontakt zu pflegen. Das kann eine E-Mail mit einer Offerte sein, aber genauso gut eine WhatsApp-Nachricht mit der Frage nach dem Wohlbefinden.
Ein eklatanter Unterschied zwischen dem Geschäft vor dem Lockdown und der Situation jetzt ist die Herangehensweise bei Problemlösungen. Wenn früher ein Kollege mit einer Frage auf mich zukam, hatten wir meistens innerhalb einer Viertelstunde eine Antwort gefunden. Heute wird dafür ein Call mit mindestens 15 Teilnehmern aufgesetzt, in dem während der ersten 15 Minuten diskutiert wird, wie es den einzelnen Personen geht. Danach werden 15 Meinungen zur Problemlösung geäussert. Videokonferenzen erschweren die Entscheidungsfindung sehr.
CW: Wie gehen Sie heute vor?
Thonüs: In den letzten Monaten haben wir alle lernen müssen, unsere Agenda neu zu organisieren. Vor einem Jahr war ich von 8 bis 17 Uhr im 30-Minuten-Takt gebucht. Die Folge: Ich hatte während des ganzen Tages keine einzige E-Mail gelesen und mit keinem Kunden gesprochen. Meine Konsequenz daraus war: Ein Meeting dauert heute maximal 20 Minuten. So bleiben mir 10 Minuten für andere Arbeiten.
CW: Haben Sie noch andere Massnahmen ergriffen?
Thonüs: Ja. Ich habe den Kollegen mitgegeben, dass sie sich vor jeder Aufgabe drei Fragen stellen sollen:
Erstens: Hat ein Kunde oder ein Partner einen Nutzen davon, wenn ich die Aufgabe erledige. Wenn die Antwort «nein» lautet, folgt die zweite Frage:
Muss die Aufgabe zwingend erledigt werden? Einige administrative Tasks müssen abgearbeitet werden, auch wenn sie noch so lästig oder überflüssig erscheinen mögen. Lautet auch hier die Antwort «nein», folgt Frage drei:
Habe ich einen persönlichen Nutzen davon, wenn ich die Aufgabe erledige? Teilweise lernt man an Aufgaben oder hat sonst einen Vorteil. Wenn auch hier die Antwort negativ ist, rate ich allen Mitarbeitern, die Aufgabe abzulehnen. Denn es wäre verschwendete Zeit.
Dieser «Fragenkatalog» hat bewirkt, dass meine Kollegen und ich unsere Arbeitszeiten nun viel besser im Griff haben als noch vor einem Jahr.
Zur Firma
Dell Technologies
ist die Schweizer Niederlassung des US-amerikanischen Computerkonzerns Dell Technologies. Sie wurde 1991 in Vernier gegründet und zügelte drei Jahre später an den heutigen Standort in Le Grand-Saconnex. Durch die Fusion mit EMC 2016 kam die Niederlassung in Zürich hinzu. Weiter gibt es eine Filiale in Bern. Der Konzern beschäftigt in der Schweiz 550 Angestellte.

Belegschaft im Home Office

CW: Die ausufernde Arbeitszeit während des Lockdowns und im Home Office war dann ein Problem von allen Mitarbeitern bei Dell Technologies Schweiz?
Thonüs: Ganz klar ja. In der neuen Situation hatte das Team mehr Zeit, um mit den Kunden in Kontakt zu treten. Nicht nur entfällt die Reise nach Basel oder Bern, auch die Kunden sind besser verfügbar, denn sie sind weniger unterwegs. Wenn zwei Kundenbesuche früher einen ganzen Tag beansprucht haben, genügt heute gut eine Stunde – für zwei Zoom-Sessions. Natürlich sind Vor- und Nachbereitung der Gespräche weiterhin genauso notwendig, aber die Meetings sind nun kürzer.
Eine Frage, die ich von meinen Kollegen aus der globalen Organisation und auch von den Kunden häufiger gestellt bekam, ist die nach der Effizienz der Mitarbeiter im Home Office. Wenn die Belegschaft zu Hause arbeitet, ist sie dann wirklich produktiv? Und wie lässt sich die Produktivität messen?
Frank Thonüs misst neu die Produktivität der Belegschaft von Dell Technologies im Home Office
Quelle: Dell Technologies
CW: Welche Antwort haben Sie gegeben?
Thonüs: Um die Produktivität im Home Office zu messen, haben wir quantitative und qualitative Masse eingeführt.
Quantitativ wird beispielsweise gemessen, wie aktiv die Teams mit unserer CRM-Software arbeiten. Dafür haben wir «Trips» definiert: In der Software dokumentiert jeder Sales-Mitarbeiter alle Arten von Kundenkontakt – sei es ein Anruf, eine E-Mail, eine Offerte etc. Hier geht es weniger darum, den Kontakt detailliert zu dokumentieren, als vielmehr einen «Trip» anzulegen und die verwendeten Informationen anzuheften. So kann sowohl das Team als auch der Vorgesetzte nachvollziehen, welche Arbeit erledigt wurde. Diese Praxis gab es vor dem Lockdown nicht. Wenn ich messen wollte, wie aktiv das Team vom Inside Sales war, bin ich ins Grossraumbüro gelaufen. Wenn es dort laut war, konnte ich beruhigt sein, denn dann waren die Kollegen fleissig.
Für das qualitative Mass verwenden wir den Net Promoter Score. Um diese Kennzahl zu ermitteln, befragen wir unsere Kunden nach dem Zufallsprinzip zu ihrer Zufriedenheit mit den verschiedenen Teams: Pre-Sales, After-Sales, Services, Finanzierung etc. Aus den ca. 1000 Befragungen können wir viel über unsere Performance in den verschiedenen Kundenprojekten lernen – und erfahren auch, wo es hakt.
CW: Wie autonom können Sie in der Schweiz solche Messungen vorgeben? Oder bestimmt der globale Konzern?
Thonüs: Die beiden vorher genannten Initiativen haben wir in der Schweiz entwickelt und eingeführt. Einige Bestandteile gehörten schon vorher zum Standard, etwa die CRM-Software und der Net Promoter Score. Den Score haben wir beispielsweise bislang gemessen bei Support-Tickets. Wenn das Problem gelöst wurde und das Ticket abgeschlossen war, bekam der Kunde schon immer einen Fragebogen mit der Bitte, unsere Leistung zu beurteilen. Diese Praxis haben wir erweitert, um auch Rückmeldungen zu anderen Leistungen zu bekommen.

Innovation von Dell Technologies Schweiz

CW: Und generell – welche Freiräume hat die Schweizer Niederlassung von Dell Technologies? Können Sie selber Innovation treiben, die der Konzern übernimmt?
Thonüs: Das Schweizer Tastaturlayout. [lacht] Das haben natürlich nicht wir bei Dell Technologies erfunden. Die Tastaturen werden aber vom Konzern hergestellt.
Spass beiseite: Ich kann selber entscheiden, wie ein Produkt oder ein Service in der Schweiz vermarktet wird. Ausserdem liegt es allein in meiner Verantwortung, wie die Kunden hierzulande betreut werden. Dieser Grad an Autonomie ist notwendig, allein schon wegen der verschiedenen Kultur- und Sprachregionen. In der Romandie funktioniert ein Deutschschweizer Marketingkonzept schlicht nicht, genauso umgekehrt. Mit einem US-amerikanischen Ansatz kämen wir in keiner der Regionen an.
Unsere neue Initiative zum Partnergeschäft im Rechenzentrumsmarkt ist zum Beispiel eine reine Schweizer Angelegenheit. Sie läuft sogar zuwider der globalen «Route to Market» von Dell Technologies, die in diesem Business einen Direktverkauf vorsieht. Jedoch konnten wir uns in der Schweiz mit der Begründung durchsetzen, dass die Partner in diesem Geschäft die besseren Erfolgsaussichten haben.
CW: Gab es neben dem Tastaturlayout eine weitere Produktentwicklung aus der Schweiz?
Thonüs: Nicht direkt eine Produktentwicklung. Aber doch eine Lösung, für die es spezifisch in der Schweiz Anwendungsfälle gibt, während sie zum Beispiel in den USA kaum Kunden findet. Ich spreche vom Metro Node, einer Lösung für unsere Midrange-Storage-Produktreihe PowerStore. In diesem Segment gibt es in den USA keine Abnehmer, denn für die synchrone Replikation zwischen zwei Standorten sind dort die Entfernungen viel zu gross. Nicht so in der Schweiz: Hier lassen sich problemlos Leitungen für die Replikation verlegen, zum Beispiel zwischen Rechenzentren in Regensdorf und Spreitenbach. Oder Bern und Zürich.
Für diese Anwendungsfälle hat Dell Technologies neu eine spezielle PowerStore-Version im Portfolio. Diese Systeme werden ausschliesslich in Europa vertrieben, in der Schweiz genauso wie in Deutschland und Italien.
CW: Haben Sie schon Käufer für das PowerStore-System gefunden in der Schweiz? Oder können Sie ein anderes Projekt skizzieren, an dem Sie jüngst Freude hatten?
Thonüs: Über die PowerStore-Anwender darf ich tatsächlich noch nicht sprechen. Aber ein attraktives Projekt konnten wir mit der Bank Reyl aus Zürich realisieren. Die Verantwortlichen kamen auf uns zu mit den typischen Anforderungen: höhere Performance, weniger administrativer Aufwand und niedrigere Kosten.
Wir konnten ein hyperkonvergentes System installieren, unter anderem mit PowerMax Arrays und VxBlock-Technologie. Die neue Lösung liefert doppelt so viel Leistung und Zugriffszeiten im Millisekundenbereich. Anstatt früher sieben Racks füllt das neue System nur noch einen Serverschrank. Dank der hohen Integration der Hardware sind die IT-Mitarbeiter der Bank Reyl von rund 30 Prozent ihrer Aufgaben befreit, was ihnen mehr Zeit gibt für die Unterstützung des Geschäfts. Zugleich reduzierten sich die Kosten – sowohl für die Storage als auch die Administration.

Digital transformierter Kunde

CW: In einer neueren Umfrage im Auftrag von Dell Technologies stellte sich heraus, dass fünf Prozent der Schweizer Unternehmen vollständig digital transformiert sind. Können Sie bitte erklären, was bei diesen Firmen geschehen ist und wie Dell Technologies geholfen hat?
Thonüs: Gerne. Einer unserer Kunden stellt Implantate her, die mittlerweile vollkommen vernetzt sind. Schon vor zwei Jahren hat das Unternehmen ein 5G-Netzwerk aufgebaut speziell für die Kontrolle und Steuerung der Implantate aus der Ferne. Dabei messen die Implantate selbständig bestimmte Körperfunktionen und geben wenn notwendig Arznei ab. Der Arzt kann die korrekte Funktion des Implantats überwachen und im Notfall eingreifen. Wir haben zusammen mit unserem Partner Swisscom die IT-Infrastruktur aufgebaut und das Projekt begleitet. Zudem hat die Swisscom als Netzwerk-Provider fungiert.
CW: Mit dem 5G-Mobilfunk verbindet der IT-Sektor hohe wirtschaftliche Erwartungen. In dem Projekt hat ein Partner den Netzwerk-Stack geliefert. Existiert hier eine Lücke im Portfolio von Dell Technologies?
Thonüs: Ehrlich gesagt nein. Wir sind bereits heute in der Lage, 5G-kompatible Hardware liefern zu können. Und auch in allen anderen Geschäftsbereichen sind wir hervorragend aufgestellt. Während viele Marktbegleiter Firmenbereiche ausgliedern in eigene Unternehmen, agiert Dell Technologies als Komplettanbieter. Neben dem ursprünglichen Kerngeschäft mit IT-Hardware, das unter der Marke Dell EMC läuft, zählen auch Boomi, Secureworks, Virtustream und VMware zum Portfolio. Damit decken wir einen grossen Teil des Marktes ab.
Eine Lücke wäre beispielsweise ein Tablet-PC: So einen Gerätetyp bieten wir heute nicht an, oder lediglich als Detachable – also ein Tablet mit abnehmbarer Tastatur. Allerdings genügt aus meiner Sicht diese Alternative, denn zu einem Tablet kaufen die Kunden meist auch noch eine Tastatur.
CW: Wo wir gerade bei den Clients sind: Die Marktforscher berichteten im vergangenen Jahr erstmals wieder von einem Wachstum im Client-Geschäft. Konnte Dell Technologies profitieren?
Thonüs: Hier sprechen wir womöglich von verschiedenen Zahlen. Lassen Sie mich den Marktforscher IDC zitieren: Im vierten Quartal des vergangenen Jahres ging die Anzahl ausgelieferter Clients um 19,4 Prozent zurück. Die Vorhersage für das erste Quartal 2021 lautet -8,0 Prozent. Beides sind Vorjahresvergleiche.
Aus der Perspektive von Dell Technologies Schweiz kann ich berichten, dass wir in den ersten Monaten des Lockdowns – sprich im März und April 2020 – eine sehr hohe Nachfrage registrierten. Allerdings brach parallel das Angebot ein, da die Zulieferer die Komponenten wie Prozessoren oder Speicher nicht liefern konnten. Dell Technologies als Lieferkettenweltmeister hatte kaum Schwierigkeiten mit dem Nachschub. Wir haben gute Geschäfte gemacht während der ganzen Zeit. Als sich die Lieferantensituation im dritten Quartal stabilisiert hatte, ging die Nachfrage schon wieder zurück. Im normalerweise starken vierten Quartal schrumpfte der Markt dann wieder – wie die erwähnten Zahlen von IDC zeigen.
Ein Grund für unsere positive Jahresbilanz im Client-Bereich sind weniger die Rechner selber, sondern die zugehörigen Services. Ein Schweizer Grosskunde aus der Finanzbranche hatte im vergangenen Jahr einen Windows-10-Rollout geplant. Dann kam der Lockdown und alle Angestellten waren im Home Office. Für einen Rechner-Wechsel konnten sie nicht alle zurück ins Büro gehen. Wir bekamen den Auftrag, die Computer mit Software zu bestücken, die Netzwerk- sowie Sicherheitseinstellungen zu konfigurieren und die fertigen Clients an die Mitarbeiter im Heimbüro zu verschicken. Der Rollout hat gut geklappt, und die Angestellten des Kunden sind happy mit ihren neuen Geräten.

Schweizer Rechenzentrums-Boom

CW: Im Rechenzentrumsgeschäft dürfte Dell Technologies während des Lockdowns gut zugelegt haben.
Thonüs: Wir haben zwar zugelegt, aber ganz anders, als es zu erwarten war. Denn zu Beginn des Lockdowns haben die Kunden zunächst sicherstellen müssen, dass die Angestellten adäquat zu Hause arbeiten konnten. Zugunsten der Ausstattung für die Arbeit von zu Hause wurden nicht wenige «Nice to Have»-Projekte zunächst einmal zurückgestellt. Als die Mitarbeiter ihre Heimbüros eingerichtet hatten, mussten die Firmen noch sicherstellen, dass die Angestellten auf die internen IT-Systeme zugreifen konnten.
Hier haben wir zwei Trends beobachten können: Das Virtualisieren der Applikationen sowie Workloads, um Cloud-ähnliche Hochverfügbarkeit und Skalierbarkeit zu realisieren. Der andere Trend ist das Erneuern der Rechenzentrumsinfrastruktur. Bei diesen Projekten stehen die Wirtschaftlichkeit und die Zukunftsfähigkeit im Vordergrund.
Dennoch war das Rechenzentrumsgeschäft im Frühling und Sommer 2020 eher schwierig. Ab dem Herbst zog es wieder an, meist getrieben von den eben genannten Trends.
CW: Wir haben im vergangenen Jahr beobachten können, dass sich auch zum Beispiel der Bund für die Cloud offen zeigt. Verliert die Schweiz die Scheu vor der Cloud?
Thonüs: Absolut. Die Entwicklung zeichnete sich schon vor der Corona-Pandemie ab, der Lockdown mit den Veränderungen in der Arbeitswelt hat sie noch beschleunigt. Dabei geht es für die meisten Unternehmen weniger um das Auslagern der Workloads hin zu Public-Cloud-Anbietern. Vielmehr sind Multi-Cloud-Szenarien gefragt, die für die jeweils genutzten Applikationen und Daten einen kostengünstigen und skalierbaren Betrieb ermöglichen. Das kann ein Hyperscaler sein, genauso aber ein hochintegriertes System, wie wir es anbieten, das die Interoperabilität zwischen Public Cloud und lokalem Rechenzentrum ermöglicht. Auch eine klassische 3-Tier-Infrastruktur in einem Rechenzentrum ist durchaus eine Option und sehr gefragt.
Für viele Kunden entscheidend ist das einfache Management der IT-Ressourcen: Können Workloads bei Bedarf in die Public Cloud verschoben und wieder in das Rechenzentrum zurückgeholt werden? Welche Kosten entstehen tatsächlich und ist der Applikationsbetrieb bei einem Hyperscaler wirklich günstiger? Wenn solche Entscheide aufgrund belegbarer Zahlen an einer Konsole getroffen werden können, sind die meisten Kunden schon sehr happy.

Mit KI gegen den Fachkräftemangel

Frank Thonüs will das Team von Dell Technologies Schweiz bei 5G und Edge Computing fit machen
Quelle: Dell Technologies

CW: Hilft dem Administrator heute künstliche Intelligenz beim Systemmanagement?
Thonüs: Durchaus. Dell Technologies hat intelligente Software im Portfolio, die für einen Workload ermitteln kann, wo er am wirtschaftlichsten betrieben werden kann – ob lokal auf dem Server, in einer virtuellen Maschine oder bei einem Hyperscaler. Beim Speicher gehen wir noch einen Schritt weiter: Unsere Software ermittelt im laufenden Betrieb, ob eine Applikation für einen Task tatsächlich den teuren, aber hoch performanten NVMe-Speicher benötigt oder ob nicht auch SSD-Speicher genügt. Die Workloads werden dann pro Anforderung dynamisch zwischen den Speicherressourcen verschoben. Dies hilft, Kosten zu sparen, ohne auf die Performance zu verzichten.
CW: Wenn die Maschinen ihr Management selber übernehmen, braucht es dann noch den Administrator?
Thonüs: Ich weiss von keinem Administrator, dem wegen künstlicher Intelligenz gekündigt wurde. Aber die IT-Fachleute können andere Aufgaben übernehmen, für die der Computer noch keine Hilfe ist.
CW: Danke für das Stichwort: Wie stark betrifft Dell Technologies Schweiz der Fachkräftemangel?
Thonüs: Nicht sonderlich stark. Rund 60 Prozent unseres Teams sind nicht im Verkauf tätig. Diese Angestellten sind in Projekten, im Service und im Support beschäftigt. Wenn einer von ihnen geht, muss ich in der Schweiz zwar lange suchen, bis ich einen adäquaten Ersatz gefunden habe. Aber es ist nicht unmöglich. Sprich: Wir haben keine 20 offenen Stellen, für die wir keinen Fachmann finden. Bei der Kandidatensuche hilft uns der gute Ruf von Dell Technologies Schweiz.
Von Kunden und Partnern werde ich allerdings immer wieder gefragt, wo sie gute Leute finden können. Denn der Fachkräftemangel in der Schweiz ist zweifellos real. Je nach dem, wen man fragt, fehlen zwischen 15'000 und 30'000 Spezialisten in den nächsten fünf Jahren. Selbst wenn es «nur» 15'000 Leute sind, die Situation ist frappant.
Bei Dell Technologies Schweiz haben wir verschiedene Programme initiiert, um Menschen ohne grosse IT-Erfahrung den Einstieg zu ermöglichen. Die Kandidaten werden während einem bis drei Jahren geschult, mit IT-Wissen oder mit Pre- und Aftersales-Know-how. Ein Teil der Ausbildung ist ein Aufenthalt in den USA, während dem ebenfalls technisches und methodisches Wissen vermittelt wird.
CW: Sie haben die Kunden mit dem Fachkräfteproblem erwähnt: Beziehen sie heute nicht nur Produkte, sondern vermehrt auch Services von Dell Technologies?
Thonüs: Je nach Meinung des einen oder anderen Analystenhauses macht der Kaufpreis eines PC heute zwischen 30 und 50 Prozent aus. Damit sind grob gesagt mehr als die Hälfte der Total Cost of Ownership zusätzliche Services. Genau dafür hat Dell Technologies einen riesengrossen Katalog, der einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Marktbegleitern darstellt.
CW: Wie will Dell Technologies in Zukunft wachsen?
Thonüs: Ich sehe grosse Chancen im Edge Computing und bei 5G. Hier will ich das Team fortbilden und die Möglichkeiten aufzeigen. Sei es eine Kasse, ein Lift, eine Waage – alles wird künftig IT in sich tragen. Dabei entstehen riesige Datenmengen, die via 5G übertragen werden können – und das gezielt für einen einzelnen User oder rund um die Welt für Milliarden von Menschen. Um diese Daten sammeln und analysieren zu können, verfolgt Dell einen konsistenten Ansatz bei der Entwicklung, Bereitstellung und Verwaltung von Edge-Plattformen, zu dem neben Edge-optimierter Hardware auch moderne Netzwerke und ein erstklassiger Software-Stack gehört, der Cloud-native Anwendungen unterstützt.



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