Mobiles ERP 05.03.2007, 08:58 Uhr

Eine Idee mit Zukunftspotenzial

So sehr Mobilität für ERP-Systeme eine logische Erweiterung ist - technisch ist sie eine enorme Herausforderung. Erste Entwicklungen sind aber gemacht. von Ute Zimmermann
Ute Zimmermann ist freie Journalistin aus Wiesbaden (DE).
Spätestens seit UMTS wird den Unternehmen in Aussicht gestellt, dass ihre Anwendungen mobil werden. Suggeriert wird dabei wie selbstverständlich der problemfreie Zugriff auf alle Inhalte des Firmennetzes. In Wirklichkeit sind Firmen, die mobilen Mitarbeitern den Zugang zu internen Daten bieten und dabei noch einen Datenabgleich gestatten, nach wie vor rar. Denn nach der anfänglichen Euphorie über die mannigfaltigen Möglichkeiten der Mobilität hat sich Ernüchterung breit gemacht: Die wenigsten Lösungen halten, was sie versprechen. Die meisten mobilen CRM- oder ERP-Programme sind nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners aufgebaut. Das jeweils einfachste und im Markt am meisten verbreitete Gerät wird unterstützt. Besteht für einzelne mobile Anwendungen Bedarf an speziellen Funktionen, wie zum Beispiel einem Barcode-Scan, müssen die Applikationen meist mit hohen individuellen Aufwendungen auf das jeweilige Endgerät portiert werden.

Mobilität bringt quantifizierbaren Nutzen

Richtig umgesetzt, bieten mobile Lösungen hohen Business-Nutzen - falsch umgesetzt, verschenken sie ungeahnte Potenziale. Können zum Beispiel Servicetechniker oder Vertriebsmitarbeiter ihre Routenplanung zeitnah abrufen und umdisponiert werden, optimieren sich nicht nur Wege, sondern in ganz erheblichem Masse auch die Kosten. Werden Aufträge direkt vor Ort erfasst, Termine und Ersatzteil-Lieferungen abgestimmt, können Mitarbeiter wesentlich effektiver handeln. Häufig amortisieren sich Projekte allein durch den positiven Cashflow, der eintritt, wenn Leistungen früher in Rechnung gestellt werden können.
Ein Beispiel hierfür ist die Firma Koller aus dem zürcherischen Thalwil. Dort werden die Aussendienstmitarbeiter über die M-Business-Plattform der deutschen ERP-Herstellerin Godesys via Push-Technik angebunden. Damit liess sich die Debitorenlaufzeit für Servicerechnungen um ansehnliche vier Wochen kürzen.
Die Prozesse sind dabei äusserst pragmatisch: Der Dispatcher weist den einzelnen Technikern die eingehenden Wartungseinsätze, Installationsaufträge oder Störmeldungen unmittelbar zu. Das ERP-System bereitet die Daten für das jeweilige Endgerät auf und schickt den Auftrag auf das Smartphone des Technikers. Die Aussendienstler können vor Ort beim Kunden auf alle relevanten Daten, beispielsweise Lager- oder Bestellbestände, zugreifen. Die Rückmeldung über Neubestellungen oder Retouren erfolgt noch am Einsatzort und wird an die Zentrale zur Faktura übermittelt. Der Datenabgleich mit dem zentralen System wird über SMS gesteuert. Wichtig dabei: Bei mobilen Anwendungen geht es nicht darum, Unmengen an Daten hin- und herschaufeln zu können, sondern darum, dass einmal aufgesetzte Unternehmensprozesse auch mobil funktionieren.
Die meisten ERP-Systeme mögen zwar betriebswirtschaftlich ausgereift sein, haben aber in der technischen Umsetzung mobiler Prozesse noch erhebliche Lücken. Oft gestatten die Lösungen nur Terminalzugriffe im Onlinemodus. Sobald es darum geht, echte mobile - also auch offline verfügbare - Prozesse auf dem dazu passenden Endgerät verfügbar zu machen, ist Schluss. Gerade diese Vielfalt der Endgeräte und der hohe Innovationsgrad sind grosse Herausforderungen für die ERP-Anbieterin. Eine gute Plattform muss flexibel und anpassbar sein, und sie muss Informationen, die auf verschiedenen Endgeräten verfügbar gemacht werden, nach festen Regeln umsetzen.

Wahl der Endgeräte ist entscheidend

Auf den kleinen Displays von PDA (Personal Digital Assistants) oder Smartphones müssen Informationen anders dargestellt werden als in der üblichen Büroumgebung. Grafische Elemente können nicht eins zu eins übernommen werden, Texte müssen möglichst einfach und ohne seitliches Scrollen lesbar sein, sonst leidet die Ergonomie. Man muss also die Eigenschaften aller eingesetzten Endgeräte genau kennen und sie vor allem auch administrierbar machen. Festgelegt wird dabei etwa, ob die Darstellung monochrom oder farbig sein soll, ob mit Bildern oder ohne, die Anzahl der Pixel und welche Anwendung auf welchem Endgerät laufen soll.
Im Idealfall ist die Bedienung der Applikationen auf das jeweilige Endgerät massgeschneidert. Während der Servicetechniker die Vorteile der Tastatureingabe eines Nokia Communicator bei der Erfassung seiner Einsatzdaten schnell schätzen lernt, ist für den Vertriebsprozess das einfache Quittieren von Positionen über das Touchpad eines Windows-CE Geräts hilfreich. Trotzdem beziehen die wenigsten Entscheider die unterschiedlichen Endgeräte konsequent in ihre Auswahl mit ein, eine undifferenzierte Bestandsaufnahme ist so programmiert. In vielen Mobilprojekten wird versucht, sich im Vorfeld auf ein einziges Endgerät festzulegen - meist ein wenig Erfolg versprechender Ansatz.

Mobile Tools haben Zukunftspotenzial

Einen planbaren Horizont, der über die nächsten zwei, drei Jahre hinausgeht, kann wohl keine der ERP-Herstellerinnen ehrlich aufzeigen. Es ist wie in allen Feldern der IT: Nur wenn der konkrete Nutzen eine Amortisation erwarten lässt, lohnen sich Investitionen. Gleichwohl sind mobile Anwendungen in vielen Fällen der Schlüssel zu mehr Prozesseffizienz und Qualität. Damit stellt sich der Nutzen meist deutlich positiver dar, als es die Anwenderunternehmen heute erwarten. Mobile Prozesse werden eben schneller wettbewerbsrelevant, als sich das manch einer heute vorstellen kann.
Praxisbeispiel

Wie Star Distribution mit mobilem ERP Kosten spart

Mobile Lösungen sollen Logikbrüche in der Informationsverarbeitung möglichst vermeiden. Dazu ist in der Umsetzung eine genaue Kenntnis der anfallenden Daten und der einzelnen Prozessschritte notwendig. So setzt beispielsweise Star Distribution, ein aus der DaimlerChrysler-Gruppe ausgegliedertes, international tätiges Logistikunternehmen, mobile Endgeräte im Kommissionierprozess ein. Aufgrund der örtlichen Begebenheiten müssen die Geräte sowohl online als auch offline verfügbar sein. Die Windows-CE-Geräte sind mit Barcode-Scannern, GSM und WLAN ausgestattet. Dabei werden für die jeweiligen Lagerbereiche und Aufgabengebiete unterschiedliche Ausbaustufen der einzelnen Geräte eingesetzt.
Star Distribution nutzt für die Integration ihrer Kommissionierprozesse die Godesys M-Business-Plattform. Das zugehörige Gateway erweitert die zentralen Buchungsfunktionen des ERP-Systems um eine Kommunikationskomponente zur direkten Anbindung der Mobilarbeiter. Dabei werden alle Endgeräte unterstützt, die auf Windows CE oder dem Symbian-Betriebssystem aufsetzen. Über die in der Software enthaltenen Werkzeuge werden Masken, Funktionen und Daten zentral entwickelt, administriert und prozessorientiert zur Verfügung gestellt. Die Anwender werden also automatisch und immer dann mit neuen Anwendungen versorgt, wenn sich Prozessschritte ändern. Die Technologie ist damit zwar klar ein bestimmendes Element mobiler Anwendungen, wird aber durch den praxisorientierten Prozessgedanken deutlich überlagert. «Das sinnvolle Erdenken und Umsetzen unserer Prozesse auf mobile Endgeräte hat unsere Fehlkommissionierungen in kürzester Zeit um mehr als ein Viertel gesenkt», bilanziert Martin Fischer, Logistikmanager bei Star Distributions.
Ute Zimmermann



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