Hintergrund 03.06.2019, 10:15 Uhr

Helvetia: Data-Center-Züglete von Basel nach Zürich

Aus Platzgründen hat Helvetia ihre Data Center in Basel ab- und in Zürich wieder aufgebaut. Dort sollen diese nun besser vor Erdbeben geschützt sein und dabei helfen, die digitale Transformation der Versicherung voranzutreiben.
Der Helvetia-Konzernsitz (Bild) befindet sich in St. Gallen, der Schweizer Hauptsitz in Basel
(Quelle: Helvetia)
Neue digitale Services mischen die Versicherungsbranche auf und erhöhen den Wettbewerbsdruck. Als eines der grössten Versicherungsunternehmen der Schweiz spürt dies auch Helvetia. Mit der Wachstumsstrategie «20.20» will das Unternehmen deshalb agiler, effizienter und kundenorientierter werden. Es verspricht sich von der digitalen Transformation eine schnellere, ein­fachere und persönlichere Bereitstellung von Kunden­services. Damit steigen jedoch auch die Anforderungen an die IT kontinuierlich. 2014 übernahm die Versicherungsgruppe zudem die Nationale Suisse. Bei dieser Gelegenheit bot sich der Firma die Chance, das gesamte IT-Konzept zu überdenken. Denn durch die Akquisition der Mitbewerberin verfügte Helvetia plötzlich über vier, statt wie bis anhin über zwei Rechenzentren. Gemäss Andreas Hagin, Lead Engineer IT Infrastructure bei der Versicherung, erforderte die neue Ausgangslage die Konsolidierung von vier auf zwei Data Center.
Doch dies stellte Helvetia vor eine Herausforderung: «Von den Räumlichkeiten her waren wir nicht mehr in der Lage, eine Konsolidierung auf zwei Rechenzentren durchzuführen», sagt Hagin, der massgeblich am Projekt beteiligt war. Ausserdem habe die Geschäftsleitung damals seit Längerem mit dem Gedanken gespielt, die Rechenzentren zu verlagern. Denn Basel liegt erdbebentechnisch in einem gefährdeten Gebiet. «Rund alle 300 Jahre soll es dort ordentlich schütteln und da waren wir zu diesem Zeitpunkt schon deutlich darüber.» Deshalb habe man sich sicherheitshalber sowieso nach einem neuen Standort umschauen wollen. Die Firma habe Evaluationen gestartet und geprüft, ob man selbst etwas bauen wolle. Schliesslich sei beschlossen worden, sich im Raum Zürich bei Colocation-Anbietern einzumieten.

Helvetia setzt auf VMware

Um die digitale Transformation bei Helvetia zu beschleu­nigen und den Service für die Kunden zu verbessern, ist gemäss Hagin letztlich auch die Entscheidung gefallen, ein Software-defined Data Center aufzubauen. Bei diesem Virtualisierungskonzept sind Netzwerk und Sicherheit vollständig softwarebasiert und von der physischen Infrastruktur abgekoppelt. Als Ende 2015 die Technologien ausgewählt wurden, befanden sich Helvetia und VMware gerade in einer Contract-Renewal-Phase, wie Hagin erklärt. Mit dem Anbieter machte die Versicherung bereits 2003 die ersten Schritte zur Virtualisierung.
So habe dieser Helvetia schliesslich ein Angebot für die Lösung «VMware NSX Data Center» gemacht, um den Aufbau des Software-defined Data Centers zu erleichtern. Hinzu kam die Hybrid-Cloud-Software «VMware vCloud Suite», in der die Applikationen «VMware vSphere Hypervisor 6.0 und 6.5», «VMware vRealize Network Insight» und «VMware vRealize Suite» kombiniert sind. Hagin testete die Lösungen zunächst mit Engineers aus verschiedenen Fachbereichen in einem Proof of Concept. Dabei ermittelte das Team die Geschwindigkeit als wichtigste Eigenschaft der Lösung. «Im Vergleich zu alternativen Produkten war die Bereitstellung schneller und einfacher.»

Memory Leak beschäftigte Ingenieure

Bei der Cloud-Sicherheit entschied sich Helvetia für die Lösung «Check Point vSEC for NSX», die zwischenzeitlich in «CloudGuard» umgetauft wurde. Auch dieses Produkt stellte Hagin in einem Proof of Concept auf die Probe. Allerdings könnten solche Tests nie sämtliche Aspekte abdecken, sagt er. «Im Laufe der Zeit haben wir unsere Erfahrungen mit der Lösung gemacht und sind auf gewisse Herausforderungen gestossen.» VMware und Check Point hätten jedoch Helvetia bei der Suche nach Workarounds unterstützt. So sei bei der Sicherheitslösung beispielsweise ein Memory Leak vorhanden gewesen. Die Engineers hätten deshalb alle sechs Wochen sämtliche Instanzen neu starten müssen, bis der passende Build von VMware erhältlich gewesen sei. Das dauerte gemäss Hagin schlussendlich fast ein Vierteljahr. «Den Engineers ging das ziemlich auf die Nerven.»
Helvetia hat ihre beiden Data Center im Raum Zürich untergebracht
Quelle: Helvetia
Mitte 2016 ging es los: Helvetia mietete sich bei den Anbietern «nackte» Cages und fing an, diese mit Hardware auszustatten. Dabei setzte die Versicherung auf Produkte und Dienste von Rittal, Siemens, Raritan und Connect Com. Im November sei schliesslich die Infrastruktur gestanden. 2017 begann die Helvetia-IT mit der eigentlichen Data-Center-Züglete – und zwar in zehn Wellen, wie Hagin erklärt. In den ersten fünf Wellen habe sie die beiden alten Data Center in die neuen Räumlichkeiten verfrachtet. Über die Bühne gegangen sei dies an den Wochenenden, wobei jeweils zwischen 80 und 170 Server gezügelt worden seien.
Wie Hagin erklärt, ist eine Backup-Lösung von Veeam zum Einsatz gekommen, um den ganzen Umzug abzusichern. Denn es habe sich einerseits um relativ grosse Datenmengen gehandelt, andererseits sei auch ein Storage-Wechsel durchgeführt worden. In diesem Bereich wechselte Helvetia von IBM auf Hitachi. Die Server, die an einem bestimmten Wochenende gezügelt wurden, synchronisierten die ITler jeweils 14 Tage im Voraus mit der Veeam-Lösung. Hagins Ansicht nach beschleunigte dies das Projekt deutlich. «Am Freitagabend konnten die Server meist bereits wieder gestartet werden, am Samstagmorgen fand dann lediglich noch ein System-Check statt.» Danach habe man bereits damit beginnen können, alle Applikationen zu prüfen. Denselben Prozess führte Helvetia danach mit den beiden ehemaligen Nationale-Suisse-Data-Centern durch.

Positive Bilanz

Ende 2017 schloss Helvetia den Umzug ihrer Data Center ab, 2018 wurden sämtliche Systeme stabilisiert. Entscheidend beim Projekt war für Hagin die Planung, wie er sagt. Schon in der Konzeptphase sei es wichtig, über die Silos hinweg teamübergreifende Strukturen zu etablieren und diese über die gesamte Projektlaufzeit aufrechtzuerhalten. Hagin zieht deshalb auch eine positive Bilanz. «Für das Business war der Umzug kaum bemerkbar. Man wusste zwar, dass wir übers Wochenende etwas machen und am Freitagabend gewisse Dienste nicht zur Verfügung stehen, einen kompletten Ausfall gab es aber nie.»
Nun verfügt Helvetia im Raum Zürich über zwei Aktiv/Aktiv-Rechenzentren. «Unsere Umgebung ist skalierbar und sehr schnell anpassungsfähig. Aus­serdem können wir die Daten verschiedener Geschäftsbereiche trennen», erklärt Hagin die Vorteile der neuen Infrastruktur. Für die Firma bedeute dies höhere Business Continuity, mehr Effizienz sowie eine geringere Ausfallzeit. Auch die Kundschaft profitiere davon: «Der dynamische Markt verlangt eine kurze Time-to-Market. In unserer Multi-Channel-Umgebung müssen wir über Facebook, Chatbots oder KI schnell Marktpräsenz zeigen, um unseren Kunden persönlichere Risikoprofile zu bieten. Mit unserer Computing-Leistung und Agilität sind wir nun bestens aufgestellt für die Zukunft», lautet Hagins Fazit.
Zur Firma
Helvetia
ist eine Schweizer Versicherungsgruppe mit rund 7500 Mitarbeitenden. Davon sind zirka 3800 in der Schweiz beschäftigt. Tätig ist Helvetia auch in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Zudem gibt es Offices in Miami, von wo aus der Bereich Südamerika geführt wird, sowie in Singapur und Kuala Lumpur.



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