Gastbeitrag 24.06.2022, 10:35 Uhr

Mitarbeitende ins Zentrum stellen

Covid hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Viele der Veränderungen sind aber nicht allein auf eine Änderung der Arbeitsorte zurückzuführen. Was wäre, wenn wir uns nicht vor allem auf diese, sondern auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden fokussieren würden?
v.l.n.r. Daniel Boos, Peter Horvath
(Quelle: swissICT)
Wie haben sich die Bedürfnisse, Kompetenzen und Erlebnisse der Mitarbeitenden angesichts der grossen Umwälzungen der letzten zwei Jahre über den Arbeitsort hinaus verändert? Was haben Unternehmen ihren Angestellten ausser einiger neuer Tools für die Online-Zusammenarbeit wie Zoom oder Miro noch zur Verfügung gestellt? Wie könnten wir gesamtheitlicher Personalthemen aus der Sicht der Mitarbeitenden angehen? So wie sich einige Organisationen in einer Transformation zu mehr Kundenzentrierung befinden, so müssen sich Organisationen mit einer Transformation hin zu einer verstärkten Mitarbeitendenzentrierung befassen.

So sehen die ersten Schritte aus

Ein Experience-Design-Ansatz, den wir verwenden können, um neue Arbeitsweisen gesamtheitlicher zu gestalten, ist «Journey Mapping». Eine «Journey» oder «Reise» ist eine visuelle, sequenzielle Darstellung der Berührungspunkte, die aufeinanderfolgen, wenn eine Person über ­verschiedene Kanäle mit einer Organisation in Kontakt tritt. Customer-Experience-Expertinnen und -Experten ­arbeiten normalerweise mit «Customer Journeys», ausgelöst durch den HBR-Artikel «Designing Services that ­Deliver» von 1984. Ähnlich wie bei «Customer Journeys» können wir auch «Employee Journeys» erstellen und ­untersuchen, wie eine Organisation und eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter entlang eines Zeitstrahls interagieren.
«Journeys» haben eine horizontale und eine vertikale Achse. Die horizontale zeigt, was die wesentlichen Schritte aus Sicht des Mitarbeitenden sind, beispielsweise bei grös­seren Ereignissen wie der Einstellung, der Integration in ein neues Team, dem Wechsel der Aufgabe in der Organisation oder beim Verlassen der Organisation. Im Vergleich dazu geht die vertikale Achse in die Tiefe, indem sie ­verschiedene Dimensionen dieser einzelnen Schritte ­beschreibt. Bei der Gestaltung der neuen hybriden Arbeitsweisen können wir «User Journeys» entlang einer ­Arbeitswoche erstellen und dann Elemente wie Arbeits­tätigkeit, Ort der Arbeit, Dauer, Kommunikationsanforderungen, benötigte digitale Tools, benötigte personelle ­Unterstützung, Zufriedenheitsgrad und private Anforderungen darstellen. Wir können dann die «Journeys» nutzen, um das Arbeitserlebnis der Mitarbeitenden zu verbessern.
Die Erstellung von «Employee Journeys» ist eine kollektive Anstrengung und benötigt die Mitarbeit mehrerer beteiligter Abteilungen wie HR, Management, IT und so weiter, begleitet durch eine Expertin oder einen Experten in «Journey Mapping». Die «Journeys» sollten spezifisch für einzelne Mitarbeitertypen erstellt werden, da die Aufgaben, Bedürfnisse und Kompetenzen sehr unterschiedlich sein können. «Journeys» sollten mehrere Ebenen ­haben – wenn Sie nur die täglichen Aktivitäten betrachten, werden Sie das Gesamtbild verpassen. Wenn Sie nur das Gesamtbild betrachten, werden Sie umsetzbare In­stanzen übersehen. Erwägen Sie für den Anfang vielleicht eine tägliche, wöchentliche, monatliche und vierteljährliche Reise für Ihren ausgewählten Mitarbeitertyp.

Gestaltung neuer Arbeitsweisen

In Zukunft müssen wir ein orchestriertes Erlebnis für eine Vielzahl von Arbeitsorten, Arbeitsaufgaben und digitalisierten Arbeitswerkzeugen gestalten. Die Nutzung von «Employee Journeys» ist ein erster Schritt auf dem Weg zur proaktiven und gesamtheitlichen Gestaltung neuer Arbeitsweisen. Gemeinsame Anwesenheit vor Ort wird ­weiterhin ein wichtiger Aspekt bleiben, «Journeys» erlauben es, das Büro und das Home Office gesamtheitlicher aus Sicht der Mitarbeitenden zu betrachten und weg von der Debatte um den Anteil der Bürotage zu kommen. Probieren Sie diesen Ansatz doch mal aus.
Die Autoren
Daniel Boos ist Product Owner User ­Experience Services bei den SBB und Mitglied der swissICT-Fachgruppe «User Experience». www.swissict.ch
Peter Horvath ist Berater für Strategie, UX und Service Design bei Whitespace. Er leitet das Schweizer Kapitel des Service Design Networks und unterrichtet Human-Centered-Design an der HSLU. www.whitespace.ch



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