Besser chatten 21.06.2021, 15:20 Uhr

Messenger im Vergleich

Fast kein Smartphone kommt ohne Messenger aus. In der Schweiz war WhatsApp lange König. Doch der Thron wackelt. Viele Nutzer haben genug von der Datensammelei von Facebook und wechseln zu anderen Messengern. Wir vergleichen das aktuelle Angebot.
(Quelle: Shutterstock/Julia Tim)
Der Messenger ist der wohl privateste Treffpunkt im Internet. Über Chat-Apps wird alles geteilt: private Fotos, intime Geheimnisse, Termine, Kontakte, Aufenthaltsorte und mehr. Da ist es wichtig, dass man seinem Messenger auch trauen kann. Das ist allerdings nicht mit allen beliebten Chat-Apps so ohne Weiteres garantiert.
WhatsApp ist in der Schweiz eine dieser Apps, die man auch dem Grosi auf dem Smartphone installiert. Für eine Messenger-App ist das ein riesiger Vorteil. Denn ein Messenger ist nur dann gut, wenn man jemanden damit erreicht. Allerdings wenden sich mehr und mehr Nutzer vom WhatsApp-Messenger ab. Denn Datenschutzskandale kommen beim Besitzer Facebook fast so zuverlässig wie die Jahreszeiten und mit jeder grösseren Enthüllung wandern einige Nutzer mehr zu anderen Diensten ab. Das Angebot ist gross und sogar einige Schweizer Angebote sind mit attraktiven Diensten auf dem Markt. Wir vergleichen im Folgenden die wichtigsten Messenger bezüglich Datenschutz und Funktionalität.
Hinweis: Alle vorgestellten Messenger sind sowohl für Android als auch für iOS im jeweiligen App-Store erhältlich.

WhatsApp

WhatsApp ist in der Schweiz der De-facto- Standard in Sachen Messenger. Von Jung bis Alt hat fast jeder Smartphone-Nutzer WhatsApp installiert und ist so erreichbar. Der Grund dafür ist vergleichsweise einfach: WhatsApp war zuerst da. Der Messenger erschien 2009, praktisch zusammen mit dem Aufkommen der ersten Smartphones und revolutionierte das Nachrichtenschreiben.
Besonders junge Nutzer mit limitierten SMS-Kontingenten rannten WhatsApp die Bude ein. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, weil WhatsApp auf dem Handy das bot, was sie sich von Chat-Apps wie MSN Messenger, ICQ oder AIM her gewohnt waren – einfach jetzt auch mobil.
Funktional gesehen hat WhatsApp seinen Status als beliebtester Messenger durchaus verdient. Die App ist einfach zu bedienen, bietet alle wichtigen Extras, die man von einem Messenger erwarten kann, und ist auf allen relevanten Systemen zugänglich.
Bild 1: Der Marktleader WhatsApp verliert leicht an Boden
Quelle: NMGZ
Seit der Übernahme durch Facebook mehren sich jedoch die Bedenken gegenüber WhatsApp, Bild 1. Das Geschäftsmodell von Facebook besteht praktisch komplett aus Datensammelei und der damit verknüpften Werbung. Als kostenlose App ohne Werbung ist WhatsApp für Facebook nicht profitabel. Es bestehen Bestrebungen, Werbung zumindest in Teilen der App schalten zu können oder auch Daten von WhatsApp-Nutzern für das Facebook-Werbenetz zu gebrauchen.
Letzteres ist aktuell wieder ein Thema: Mit seinen neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen nimmt sich Facebook das Recht, Metadaten von WhatsApp-Nutzern an ande-re Facebook-Unternehmen weiterzugeben. Dazu gehören Daten wie die Telefonnummer, Onlinezeiten oder kontaktierte Personen. In Europa (auch in der Schweiz) darf Facebook diese Daten zwar derzeit nicht weitergeben, kämpft aber dennoch dafür, dies in Zukunft zu dürfen. Chat-Inhalte kann WhatsApp nach eigenen Angaben nicht lesen oder weiter­verarbeiten. Hier müssen wir vertrauen, dass Facebook die Wahrheit sagt. Zuletzt ist WhatsApp als US-Unternehmen zudem der US-Jurisdiktion unterworfen, die deutlich schlechtere Datenschutzgesetze verwendet als Europa oder die Schweiz.
Fazit: WhatsApp hat die höchste Nutzerzahl und erreicht somit die meisten Leute. Facebooks Verhalten bezüglich der Privatsphäre hinterlässt jedoch einen bitteren Nachgeschmack und verleitet mehr und mehr Nutzer dazu, den Dienst zu verlassen.

Threema

Bild 2: Threema ist ein sehr starker Konkurrent aus der Schweiz
Quelle: NMGZ
Mit Threema ist ein lokaler Kandidat im Feld vertreten. Der Messenger mit Hauptsitz in Pfäffikon SZ verzeichnet aktuell einen soliden Nutzerzulauf von unzufriedenen WhatsApp-Anwendern, Bild 2. Und schaut man sich den Messenger genauer an, ergibt das Sinn: Threema ist optisch sehr ähnlich wie WhatsApp und lässt sich fast gleich bedienen. Jedenfalls fühlt man sich als WhatsApp-Nutzer in Threema sehr schnell zu Hause. Anders als beim Facebook-Goliath wird beim Schweizer David die Privatsphäre grossgeschrieben. Das ist wörtlich zu nehmen, denn sowohl das Logo als auch der Name von Threema behandeln das Thema. Threema stammt von der Abkürzung EEEMA (End-to-End Encrypted Messaging Application). Aus den drei Es wird Three. Auch das Logo mit den drei Punkten spiegelt das Identifikationssystem, das die App zur Erkennung von Nutzern verwendet.
Speziell bei Threema: Die App benötigt keinerlei traditionelle Identifikation. Weder eine Telefonnummer noch eine E-Mail-Adresse sind nötig. Stattdessen erhält jeder Nutzer beim Erstellen des Kontos eine persönliche ID. Auf Wunsch können Sie auch Ihr Kontaktbuch freigeben, um Ihre Freunde auf Threema zu finden. Kontakte, die Sie nur per ID kennen, erhalten einen roten Punkt, da deren Identität nicht ausreichend bestätigt werden kann. IDs, die Sie mit dem Kontaktbuch abgleichen, erhalten zwei gelbe Punkte. Die perfekten drei grünen Punkte gibt es hingegen nur, wenn Sie den Kontakt persönlich treffen und dessen QR-Code in der App scannen.
Threema bietet fast alle Features von WhatsApp. Es fehlen derzeit noch Gruppen-Anrufe und dedizierte Desktop-Apps, wobei Letztere durch den Web-Client unter threema.ch/de abgedeckt werden. Anders als bei WhatsApp kann auch die Verschlüsselung Ihrer Chats nachvollzogen werden. Threema ist Open Source (AGPLv3) und wird regelmässig von einer unabhängigen Prüfstelle unter die Lupe genommen. Dazu kommt, dass Threema sowohl rechtlich als auch physisch in der Schweiz beheimatet ist. Das gilt sowohl für das Team als auch für die Server. Nutzer profitieren so von Privatsphäre-Gesetzen.
Threema finanziert sich derzeit durch den Verkauf der App (einmalig 3 Franken) sowie mit einem Business-Angebot, bei dem Unternehmen Zugriff auf eine eigene Kommunikationsplattform erhalten.
Fazit: Threema ist funktional gesehen der nächste Verwandte von WhatsApp, allerdings mit viel besseren Privatsphäre-Bedingungen. Die Nutzerzahlen wachsen stetig.

Signal

Bild 3: Signal ist eine beliebte Option, allerdings aus den US A
Quelle: NMGZ
Wie schon Threema setzt auch Signal stark auf die Privatsphäre der Nutzer. Der US-Messenger ist ebenfalls Ende zu Ende verschlüsselt und Open Source (GPLv3), Bild 3. Dazu ist Signal in einer speziellen Lage: Es ist der einzige Messenger, der von einer Non-Profit-­Organisation entwickelt wird. Die Signal Foundation lebt gänzlich von Spendengeldern und Zuschüssen. Das ist gleichzeitig die grösste Stärke und Schwäche von Signal. Denn auch wenn Signal so weniger an finanzielle Interessen gebunden ist, ist Signal nicht un­abhängig. Unter anderem beteiligt sich die US-Regierung an der Finanzierung der App, was für einige besonders privatsphäre­bewusste Nutzer bereits ein Warnsignal ist. Zudem ist Signal als US-App­li­kation wiederum der ent­sprechenden Rechtslage unter­worfen, was für europäische Nutzer langfristig ein Problem werden kann. Der Messenger Signal benötigt zur Registrierung eine Telefonnummer.
Funktional gesehen orientiert sich Signal weniger an WhatsApp, sondern mehr an der Nachrichten-App des iPhones. Sprich: Signal ist einfach, übersichtlich und leicht zu verstehen – sowohl für be­stehende iPhone-Nutzer als auch für WhatsApp-Umsteiger. Anders als WhatsApp und Threema setzt Signal auf Desktop-Clients für Windows, macOS und Linux, bietet dafür keine Browser-Variante an. Sämtliche gängigen Funktionen sind vorhanden.
Fazit: Signal ist eine spannende Alternative mit besserer internationaler Reichweite als Threema. Jedoch befinden sich die App-Server in den USA. In Sachen Bedienung ist Signal näher an der iOS-Nachrichten-App als an WhatsApp dran.

Telegram

Bild 4: Telegram überzeugt mit Gruppen, weniger mit Privatsphäre
Quelle: NMGZ
Wenn es eine App gibt, die in einem kompetitiven Mark eine Lücke zu finden weiss, dann ist es Telegram. Die ursprünglich russische App hat es geschafft, mit einzigartigen Features eine breite Masse an Nutzern anzuziehen, obwohl die App im Kern nichts anderes macht als WhatsApp & Co., Bild 4. Neben der regulären Chatfunktion bietet Telegram zwei Features an, welche die App speziell machen: Gruppenchats mit mehreren Tausend Teilnehmern und Channels. Channels sind eine Form von einseitiger Kommunikation. Als Nutzer abonnieren Sie einen Channel, der Beiträge an alle Abonnenten versendet; etwa wie ein Instagram-Konto oder ein RSS-Feed, einfach innerhalb der Chat-App. Die riesigen Gruppen verhalten sich ähnlich wie ein funktional vereinfachtes Forum. Beide Funktionen locken eine erstaunlich breite Nutzerschaft an.
Diese Offenheit ist für Telegram gleichzeitig Fluch und Segen. Einerseits darf sich Telegram damit als prinzipientreuer Verfechter der freien Meinungsäusserung sehen, erhält aber auch einen etwas kontroversen Ruf. Zudem macht sich Telegram damit bei Regierungen äusserst unbeliebt. So ist es nicht verwunderlich, dass das Telegram-Team schon öfters umgezogen ist und seinen genauen Aufenthaltsort nicht preisgibt. Das ursprünglich russische Team war schon in Deutschland und England zu Hause und soll sich aktuell in Dubai aufhalten.
Für eine Plattform, die sich gerne mit heiklen Themen abgibt, ist es erstaunlich, dass Telegram nicht stärker auf Privatsphäre setzt. Die App bietet nur eine optionale Verschlüsselung an, die standardmässig ausgeschaltet ist und in Gruppen nicht angeboten wird. Als Identifikation wird zudem eine Telefonnummer benötigt. Die Software ist Open Source und für alle gängigen Systeme sowie im Browser verfügbar. Finanziert wird Telegram durch kostenpflichtige Premium-Funktionen sowie Werbung in Kanälen, nicht aber in Chats.
Fazit: Telegram unterscheidet sich durch seine starken Gruppenfunktionen und Kanäle von der Konkurrenz. Das Entwicklerteam setzt sich sehr für die freie Meinungsäusserung ein, was aber auch für rechtliche Probleme sorgt.

Wire

Bild 5: Wire ist zumindest stellenweise aus der Schweiz
Quelle: NMGZ
Wire ist neben Threema die zweite Schweizer App im Feld, irgendwie zumindest, Bild 5. Denn obwohl die Wire Swiss GmbH ihren Sitz in Zug hat, ist die App eine äusserst interna­tionale Angelegenheit. Die Wire Group Holdings GmbH ist in Berlin zu Hause, die Server stehen in der EU und der CEO hat sein Büro in San Francisco. Auch die Besitzer von Wire sind in den USA beheimatet. Zumindest was den Gerichtsstand angeht, dürfte Wire in den meisten Fällen vom Schweizer Recht profitieren, allerdings werden die Linien schnell verschwommen. Abgesehen von der etwas verzettelten geografischen Situation ist Wire top bei der Privatsphäre. Die App bietet Verschlüsselung von Endgerät zu Endgerät, ist Open Source (GPLv3 Client, AGPLv3 Server) und bietet alle üblichen Features eines modernen Messengers. Dazu kommt die praktische Guest-Room-Funktion. Mit dieser kann ein Gast ohne Wire-Konto zu einer Unterhaltung eingeladen werden – ähnlich wie zum Beispiel bei der Video-App Zoom. Reguläre Nutzer dürfen zwischen einer E-Mail-Adresse oder einer Telefonnummer zur Identifikation auswählen. Neben Telegram ist Wire der einzige Dienst mit Apps für Android, iOS, Windows, macOS und Linux. Zudem bietet Wire auch einen Web-Client. Finanziert wird Wire durch Business-Angebote.
Fazit: Wire ist eine internationale Geschichte mit allen Vor- und Nachteilen. Funktional gesehen bietet die App vor allem im Business-Bereich einige Vorteile, kann sich sonst aber nicht gross von der Konkurrenz abheben. Entsprechend sind die Nutzerzahlen derzeit noch nicht überwältigend.

Weitere Messenger

Bild 6: Die App Wickr sendet ausschliesslich Nachrichten mit Ablaufdatum
Quelle: NMGZ
Neben den genannten Messengern gibt es natürlich auch weitere Angebote. Besonders verbreitet sind der Facebook Messenger und Messages von Apple. Beide sind aber nicht wirklich für alle Nutzer empfehlenswert. Das heisst: Wer ausschliesslich Freunde mit Apple-Geräten hat, wird mit Apple Messages äusserst glücklich werden. Die App ist mit Nicht-Apple-Nutzern kompatibel, indem sie SMS verschickt. Das ist für Textnachrichten nett, multimedial gesehen aber unbrauchbar.
Der Facebook Messenger hat durch Facebook eine gigantische Nutzerbasis, ist aber in Sachen Privatsphäre und Datenschutz eher ein Albtraum.
Mit Tele­Guard ist ein weiteres Schweizer Produkt neu auf  dem Markt. Allerdings fehlt dem erst vor einigen Monaten gestarteten Projekt von Hulbee/Swisscows noch die Marktpräsenz.
Noch mehr auf Privatsphäre fokussiert Wickr, ein Dienst, der ausschliesslich Nachrichten mit Ablaufdatum unterstützt und unter anderem von mili­­tä­rischen Spezialeinheiten verwendet wird, Bild 6. In eine andere Richtung gehen Nachrichten-Apps wie Skype und Viber, die mehr auf Anrufe spezialisiert sind, oder Discord, das vor allem Gamer und andere Interessengruppen zusammenbringt.

Fazit und Tabelle

Fazit: Threema sehr gut

Alle Jahre wieder vergrault Facebook ein paar Nutzer mehr aus WhatsApp. Und jedes Mal wird die Nutzerbasis alternativer Messenger ein bisschen grösser. Mittlerweile haben die meisten dieser Alternativen auch technisch gesehen aufgeholt. Das beste Angebot für WhatsApp-Umsteiger hat derzeit Threema. Die Schweizer App bietet eine sehr gute Privatsphäre, Schweizer Datenschutz und ein Interface, mit dem WhatsApp-Nutzer schnell zurechtkommen. Signal ist die aktuell beste internationale Lösung und überzeugt mit einer einfachen Bedienung. Als US-Organisation ist das Image von Signal jedoch etwas angekratzt.
Die restlichen Messenger sind alle etwas problematisch. Telegram hat eine ungewisse Zukunft und keinen besonders guten Datenschutz. Apple Messages ist für Nutzer ausserhalb des Apple-Ökosystems unbrauchbar und Wire fehlt die Nutzerbasis. Was feststeht: Die meisten Smartphone-Nutzer werden sich wohl oder übel daran gewöhnen müssen, mehrere Messenger installiert zu haben.

Tabelle (Übersicht)

Die grössten Chat-Messenger im Vergleich (Stand: März 2021)
Quelle: NMGZ



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