Computerworld vor 30 Jahren 26.12.2018, 14:00 Uhr

Aufs Papier genadelt

Der Nadeldrucker-Erfinder Centronics trat 1988 ab. Dennoch wurde Computerworld nicht müde, über Innovationen bei den Geräten zu berichten. Und das Geschäft sollte sich als nachhaltig erweisen: Noch 30 Jahre später nadeln die Drucker Informationen aufs Papier.
Mit «Je mehr Nadeln, desto komfortabler» überschrieb Epson die Annonce für Nadeldrucker
(Quelle: Epson)
Das Jahr 1988 markierte das Ende der Firma Centronics. Das damals fast volljährige US-amerikanische Unternehmen kaufte den Haushaltswarenhersteller Ekco und übernahm auch gleich noch den Firmennamen. In der Computerhistorie hatte sich Centronics jedoch durch zwei Entwicklungen unsterblich gemacht: Die gleichnamige Parallelschnittstelle und den ersten Nadeldrucker der Welt. Der Centronics 101 wurde 1970 lanciert und war ein echtes Ungetüm: 70 Zentimeter breit, 50 Zentimeter tief und 30 Zentimeter hoch. Er brachte über 70 Kilo auf die Waage, inklusive Holzverpackung sogar 90 Kilo. Immerhin druckte er schon 165 Zeichen pro Sekunde, unterstützte allerdings nur 26 Grossbuchstaben, 26 Sonderzeichen und 10 Ziffern. Bis zu drei Durchschläge waren möglich. Der Printer wurde – natürlich – über eine Centronics-Schnittstelle an den Computer angeschlossen.

Nadelgedruckte Passagierlisten

Sowohl die Schnittstelle als auch die Nadeldrucktechnologie sollten die Firma Centronics um Jahrzehnte überdauern. Noch 1988 war beides verbreitet in Schweizer Büros. Nadeldrucker waren wesentlich günstiger in Anschaffung und Betrieb als die noch jungen Laser- oder Tintenstrahlgeräte. Und zuverlässiger. Schon damals waren an den Gates des Basler, Genfer und des Zürcher Flughafens Nadeldrucker in Betrieb, um die Passagierlisten zu erstellen. Sie werden heute noch für den gleichen Zweck eingesetzt. Denn Passagierlisten erfüllen nicht erst seit den Ereignissen des 11. Septembers 2001 gleich mehrere Funktionen.
Sie dienen den Sicherheitsbehörden zur «Terrorabwehr» und den Fluggesellschaften zur Kontrolle, wer an Bord ist, um bei einem Unfall die Angehörigen informieren zu können. Sie müssen laut Gesetz innerhalb von zwei Stunden Gewissheit haben, ob ein Fluggast umgekommen ist. Weiter fordert das Staatsekretariat für Migration SEM die Listen für bestimmte Flugstrecken an, um Personen mit Einreiseverbot oder ohne Reisedokumente habhaft zu werden. Auch Flüge an Destinationen wie Abu Dhabi, Doha, Saõ Paulo, Peking und Shanghai sind davon betroffen.
Auf den Listen selbst stehen persönliche Informationen über jeden Passagier: Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Ausweisnummer plus Nationalität, Name und Telefonnummer der Kontaktperson sowie teilweise eine Visanummer. Für Flüge an bestimmte Destinationen müssen auch Heimatadresse und Kreditkartennummer auf die Liste gedruckt werden. Die Daten stammen aus dem Passenger Name Record (PNR), in dem weitere Informationen wie Buchungs- und Tarifdetails oder Speisenwünsche gespeichert sind. Über den Umgang mit dem PNR gab es in den vergangenen Jahren viele Diskussionen, denn insbesondere US-Behörden fordern unbeschränkten Zugriff.
Die Passagierlisten sind seit dem Anfang der 1990er-Jahre vorgeschrieben, unter anderem aufgrund des US-Bundesgesetzes zur Datenerfassung von Fluggesellschaften. Die EU beugt sich diesen Vorschriften, die Schweiz auch. Ausserdem haben die europäischen Staaten noch eigene Richtlinien für den Umgang mit den PNRs, etwa das SEM.

Nadeldrucker gestern und heute

Der Einsatz von Nadeldruckern am Flughafen ist erstens auf die Historie zurückzuführen: Anfang der 1990er war der Gerätetyp am weitesten verbreitet. Im Massenmarkt wurden sie erst gegen Mitte des Jahrzehnts durch Tinten- und Laserdrucker verdrängt. Zweitens sind einige technische Alleinstellungsmerkmale gute Gründe für Nadeldrucker. Aufgrund der mechanischen Konstruktion sind die Geräte langlebig, robust und wartungsarm. Der Hersteller Oki warb in Computerworld 1988 damit, dass seine «Microline»-Modelle Dutzende Qualitätskontrollen absolvieren müssen, bevor sie an die Kunden ausgeliefert werden. Als Beispiele wurden Hitze- und Rütteltests genannt.
Die Fluggesellschaften drucken Passagierlisten weiterhin mit dem Nadeldrucker
Quelle: Oki
Ein dritter Grund für Nadeldrucker hat nochmal mit der Mechanik zu tun. Nur dieser Gerätetyp kann Durchschläge drucken. Waren es beim ersten Modell von Centronics «nur» drei Kopien, sind es bei neuen Geräten bis zu sieben Durchschläge. Auch sind die Kopien technisch nicht veränderbar. Für den Protokolldruck zum Beispiel am Flughafen ist die Dokumentenechtheit (gemäss Norm ISO 12757-2) viertens ein triftiger Grund. Laut dem globalen Standard genügen textile Tintenfarbbänder für die Produktion unveränderbarer Schriftstücke. Zum Vergleich: Nur mit einer kleinen Anzahl Laser- und Tintenstrahldruckern lässt sich Dokumentenechtheit erreichen. Diese Funktion lassen sich die Hersteller natürlich extra bezahlen. Nadeldrucker gibt es ebenfalls erst ab 200 Franken. Allerdings sind die Betriebskosten unschlagbar tief.
Der fünfte Grund für diesen Gerätetyp sind die preiswerten Verbrauchsmaterialien, gibts doch ein Farbband ab 15 Franken. Bei einer Kapazität von bis zu fünf Millionen Zeichen reicht ein Band für über 3300 Normseiten. Die Tintenpatronen schaffen maximal 600 Seiten, die um ein Vielfaches teureren Laserkartuschen etwa 6000 Normseiten.
Selbstverständlich nicht verschwiegen werden darf der Nachteil: Nadeldrucker machen einen Riesenkrach. In vielen Informatikzimmern von Schulen waren die Printer in den 1980ern deshalb in Schallschutzkästen platziert. Denn: Druckte nur ein Schüler seine Listings aus, war an Unterricht nicht zu denken. In der Computerworld verzichteten die Werbetreibenden 1988 dann mehrheitlich auch darauf, eine Dezibelzahl für ihre Produkte anzugeben. Nur wenige Hersteller trauten sich, die Betriebsgeräusche jenseits der 60 Dezibel zu nennen. Heute ist der Grenzwert für Lärmimmissionen am Büroarbeitsplatz bei überwiegend geistiger Tätigkeit bei einem Schalldruckpegel von unter 50 Dezibel (gemäss Verordnung über die Unfallverhütung VUV).

Farbe kommt ins Spiel

Nur eingeschränkt geeignet waren die Nadeldrucker für Farb-Prints. Die Tonerbänder gab es hauptsächlich in Schwarz. Vereinzelt waren Farbbänder auch in einer halbseitig schwarzen, halbseitig roten Ausführung erhältlich. Für einige Druckermodelle wurden sogar Farbbänder mit den Grundfarben des Vierfarbdrucks, Cyan, Magenta und Gelb sowie Schwarz produziert. So liessen sich Wörter, Sätze oder Zeichen auf den Ausdrucken farbig hervorheben. Oder Grafiken in verschiedenen Farben ausdrucken. Die Ansteuerung der Drucker geschah aufwendig per Software, womit der Farbdruck nur an bestimmten Arbeitsstationen oder für ausgewählte Anwendungen wie CAD möglich war.
Computerworld verortete 1988 allerdings Bedarf an Farbdruck – für «Grafik- und Computer-Aided Design, bei Präsentationsgrafiken und sogar bei der Textverarbeitung, bei Tabellenkalkulationen und Datenbanken». Die bestehenden Farbdrucktechnologien liessen aber Wünsche offen, denn die Drucker konnten lediglich Farbpunkte drucken. Dabei wurde in den meisten Fällen entweder ein Punkt gedruckt oder nicht, etwas dazwischen gab es nicht.
Aufgrund ihrer technischen Einschränkungen sollten die Nadeldrucker beim Farb- respektive Fotodruck später keine bedeutende Rolle mehr spielen. Hersteller wie Canon und HP schickten sich Ende der 1980er-Jahre an, zuerst mal den Schwarz-Weiss-Markt mit erschwinglichen Druckern zu bedienen. Die BubbleJet-Technologie wurde von Canon im ersten Tintenstrahldrucker (BJ-80) verbaut. HP 1988 lancierte den DeskJet, den später mit über zwei Millionen Geräten meistverkauften Tintenstrahldrucker der Welt. Farbmodelle für den Massenmarkt folgten wenig später: Canons BJC-820 (1992) und HPs DeskJet 500C (1991). Beide Modelle werden weiterhin nativ von den gängigen Betriebssystemen unterstützt – genau wie auch die Nadeldruckerpaletten der Marktführer von Epson und Oki.



Das könnte Sie auch interessieren