Forschung 27.10.2020, 17:45 Uhr

Optische Verdrahtung für grosse Quantencomputer

ETH-​Forschende haben eine neue Technik zur Ausführung empfindlicher Quantenoperationen mit Atomen demonstriert. Sie soll es ermöglichen, grössere Quantencomputer zu bauen, die mit eingefangenen Atomen arbeiten.
Der Ionenfallen-​Chip mit integrierten Wellenleitern. Das Laserlicht wird von den Glasfasern (rechts im Bild) in den Chip eingespeist
(Quelle: K. Metha / ETH Zürich)
Es ist nicht einfach, mit einem Laserpointer während einer Präsentation einen bestimmten Punkt auf einer Leinwand zu treffen – schon das kleinste nervöse Zittern in der Hand wird auf dem weit entfernten Schirm zu einer riesigen Krakelei. Nun stelle man sich vor, man müsste das mit mehreren Laserpointern gleichzeitig tun. Genau dasselbe Problem haben Physiker, die mit Hilfe von einzelnen gefangenen Atomen Quantencomputer bauen wollen. Auch sie müssen mit Laserstrahlen – hunderten oder gar tausenden in derselben Apparatur – über mehrere Meter so genau zielen, dass die nur wenige Mikrometer grossen Bereiche getroffen werden, in denen sich die Atome befinden. Jede ungewollte Vibration in der Apparatur stört den Betrieb des Quantencomputers empfindlich. 
An der ETH Zürich haben nun Jonathan Home und seine Mitarbeiter am Institut für Quantenelektronik eine neue Methode demonstriert, mit der mehrere Laserstrahlen in einem Chip präzise zu den richtigen Stellen geleitet werden können, und das auf so stabile Weise, dass sich sogar empfindlichste Quantenoperationen mit den Atomen ausführen lassen.

Fernziel Quantencomputer

Quantencomputer zu bauen ist seit über dreissig Jahren ein ehrgeiziges Ziel von Physikern. In elektrischen Feldern gefangene Ionen, also elektrisch geladene Atome, haben sich dabei als ideale Kandidaten für die Quanten-​Bits oder Qubits erwiesen, mit denen Quantencomputer rechnen. Bislang konnten auf diese Weise Mini-​Computer mit etwa einem Dutzend Qubits realisiert werden. «Will man allerdings Quantencomputer mit mehreren tausend Qubits bauen, wie man sie wahrscheinlich für praktisch relevante Anwendungen brauchen wird, so bestehen bei heutigen Systemen einige grosse Hürden», sagt Karan Mehta, Postdoc in Homes Labor und Erstautor der jetzt im Fachjournal «Nature» erschienenen Studie. 
Konkret geht es darum, wie man Laserstrahlen über mehrere Meter vom Laser in eine Vakuumapparatur und schliesslich punktgenau in einen Kryostaten leitet, in dem die Ionenfallen auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt werden, um thermische Störungen zu minimieren. 

Optischer Aufbau als Hindernis 

«Die herkömmliche Optik ist schon in den heutigen Systemen im kleinen Massstab eine bedeutende Rausch-​ und Fehlerquelle – und es wird immer schwieriger, das im Zaum zu halten, je grösser die Computer werden», erklärt Mehta. Je mehr Qubits man hinzufügt, desto komplexer wird auch die Optik für die Laserstrahlen, die zur Steuerung der Qubits nötig sind. «Dort setzt unser Konzept an», fügt Chi Zhang, Doktorand in Homes Arbeitsgruppe, hinzu: «Indem wir winzige Wellenleiter in die Chips integrieren, auf denen sich die Elektroden zum Einfangen der Ionen befinden, können wir das Licht direkt zu den Ionen leiten. Vibrationen des Kryostaten oder anderer Bauteile verursachen daher wesentlich weniger Störungen.» 
Die Forscher liessen in einem kommerziellen Halbleiterwerk Chips herstellen, die sowohl Gold-​Elektroden für die Ionenfallen als auch, in einer tieferen Schicht, Wellenleiter für Laserlicht enthalten. An einem Ende der Chips speisen Glasfasern das Licht in die nur 100 Nanometer grossen Wellenleiter ein, wodurch die Chips effektiv in ihrem Innern optisch verdrahtet werden. Jeder Wellenleiter führt zu einem bestimmten Punkt auf dem Chip, wo das Licht schliesslich zu den gefangenen Ionen an der Oberfläche umgelenkt wird.
Eine Ionenfalle mit integrierten Wellenleitern. Das Laserlicht (rot) zur Kontrolle der beiden gefangenen Ionen (blau) wird im Chip zur Ionenfalle geleitet
Quelle: Visualisierung: Chiara Decaroli / ETH Zürich
In einer vor wenigen Jahren veröffentlichten Arbeit (von einigen der Autoren der jetzigen Studie, gemeinsam mit Forschenden des MIT und des dortigen Lincoln Laboratory) konnte bereits gezeigt werden, dass dieser Ansatz grundsätzlich funktioniert. Nun hat die ETH-​Gruppe die Technik weiterentwickelt und so weit verfeinert, dass man mit ihr auch fehlerarme Quanten-​Logikgatter zwischen verschiedenen Atomen ausführen kann, eine wichtige Voraussetzung für den Bau von Quantencomputern.

Logikgatter mit hoher Wiedergabetreue

In einem herkömmlichen Computerchip werden mit Logikgattern logische Operationen wie beispielsweise AND oder NOT ausgeführt. Will man einen Quantencomputer bauen, so muss dieser in der Lage sein, solche logischen Operationen an den Qubits auszuführen. Das Problem dabei: Quanten-​Logikgatter, die auf zwei oder mehr Qubits wirken, sind ganz besonders empfindlich gegenüber Störungen. Denn sie erschaffen fragile quantenmechanische Zustände, auch als Verschränkungszustände bekannt, bei denen sich zwei Ionen gleichzeitig in einer Überlagerung befinden.
Querschnitt durch den neuen Chip der ETH-​Forschenden. Die Gold-​Elektroden dienen zum Einfangen der Ionen, das Laserlicht wird in einer optischen Schicht direkt zu den Ionen transportiert
Quelle: Visualisierung: Chiara Decaroli / ETH Zürich
Bei einer solchen Überlagerung beeinflusst eine Messung an einem der Ionen das Messergebnis am anderen Ion, ohne dass die beiden in direktem Kontakt stehen. Wie gut die Herstellung dieser Überlagerungszustände funktioniert – wie gut also die Logikgatter sind –, drückt man anhand der so genannten Wiedergabetreue aus. «Mit dem neuen Chip konnten wir Logikgatter mit zwei Qubits ausführen und mit ihnen Verschränkungszustände mit einer Wiedergabetreue herstellen, wie sie bisher nur in den allerbesten konventionellen Experimenten erreicht wurde», sagt Maciej Malinowski, der als Doktorand ebenfalls am Experiment beteiligt war.
Damit haben die Forschenden gezeigt, dass ihr neuer Ansatz für künftige Ionenfallen-​Quantenrechner interessant sein wird, da er nicht nur äusserst stabil ist, sondern eben auch skalierbar. Derzeit untersuchen sie verschiedene Chips, mit denen bis zu zehn Qubits gleichzeitig kontrolliert werden sollen. Ausserdem arbeiten sie an neuen Designs für schnelle und präzise Quantenoperationen, die durch die optische Verdrahtung möglich werden.
Hinweis: Dieser Artikel stammt ursprünglich von «ETH-News».

Autor(in) Oliver Morsch, ETH News



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