Mehr Effizienz fürs Rechenzentrum 30.05.2023, 14:22 Uhr

Die Cloud auf Autopilot fahren

Um der wachsenden Komplexität im Rechenzentrum Herr zu werden, bieten sich mächtiger werdende Automatisierungslösungen an.
Cloud-Infrastrukturen werden immer komplexer. Automatisierung soll helfen, die Installationen im Griff zu behalten.
(Quelle: Shutterstock / ZinetroN)
Ein grundlegender Treiber für die Automatisierung liegt in der wachsenden Komplexität der IT: Hy­bride oder gar Multi-Cloud-Umgebungen machen etwa die Administration von Infrastruktur, Netzwerken, Anwendungen und Nutzern zu einem Herkulesakt. Die IT-Teams sind für die lokalen und die cloudbasierten Umgebungen verantwortlich und verwenden dafür zudem oft unterschiedliche Tools. Solche manuellen Prozesse machen eine effektive Wartung, Skalierung und Sicherung der Ressourcen und Applikationen praktisch unmöglich.
Matthias Pfützner, Senior Solution Architect Cloud beim Software-Hersteller und Linux-Spezialisten Red Hat, führt an: «Schon 2020 prognostizierten die Marktforscher von Forrester, dass Automatisierung für Unternehmen zu einer geschäftlichen Notwendigkeit wird. Da nun viele von ihnen hybride Cloud-Umgebungen aufbauen, ist es dringend notwendig, bei allen Elementen und Prozessen in der Cloud dieselbe Sorgfalt walten zu lassen wie im eigenen Rechenzentrum.»
Die Automatisierung von Abläufen in der Cloud wird für viele Unternehmen zur zentrale Aufgabe. Wer sich heute noch keine Gedanken darüber macht, könnte morgen zu spät kommen.

Vorteile der Cloud-Automatisierung

Was im Rechenzentrum gilt, gilt auch für die Cloud, wo sich praktisch sämtliche Abläufe automatisieren lassen. Peter Goldbrunner, Vice President und General Manager Central Europe beim Multi-Cloud- und Data-Center-Spezialisten Nutanix, drückt es so aus: «Cloud-Workloads manuell bereitzustellen und zu betreiben, ist zeitaufwendig, mühsam und fehleranfällig. Von diesen Herausforderungen befreit Cloud-Automatisierung, indem sie den Workloads mittels Orchestrierung und ohne menschliches Zutun innerhalb von Minuten statt Wochen und Monaten die benötigten Cloud-Ressourcen zuordnet und bereitstellt und für deren reibungslosen Betrieb sorgt.»
Die Unternehmen entlasten dadurch ihre IT-Teams, die sich sinnvolleren Aufgaben statt reiner Verwaltungstätigkeit widmen können. Gleichzeitig erhöhen die Unternehmen damit die Zufriedenheit der Anwender – ob im Unternehmen oder extern. Denn die Verfügbarkeit der bereitgestellten Services und Anwendungen steigt, während ihre Fehleranfälligkeit sinkt. Skalierungsprobleme gehören der Vergangenheit an und alle Schritte sind einer ordentlichen Governance unterworfen.
“Schon 2020 prognostizierten die Marktforscher von Forrester, dass Automatisierung für Unternehmen zu einer geschäftlichen Notwendigkeit werden wird.„
Matthias Pfützner
Senior Solution Architect Cloud bei Red Hat
«Die Cloud ist kein Selbstläufer», schränkt Severin Braun ein, Chief Product Officer beim Multi-Cloud-Data-Service-Provider Plusserver mit Sitz in Köln. «Die Verwaltung von Cloud-Ressourcen, Monitoring, Security und Co. erfordert dedizierte Expertise und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels steht diese nur bedingt zur Verfügung. Das gilt insbesondere für die Nutzung von Public-Cloud-Angeboten.» Experten für die Hyperscaler-Lösungen seien sehr gefragt, da die Cloud-Anbieter zwar beeindruckende Lösungen zur Verfügung stellten, die Betreuung jedoch den Nutzern überliessen. Wenn dann noch multiple Clouds zum Einsatz kommen sollten, steige die Komplexität rapide an.
«Durch die Erweiterung der bereits im eigenen Rechenzentrum existierenden Automatisierungsverfahren auf die Cloud wird auch die Cloud-Nutzung für die Mitarbeitenden transparent und folgt etablierten internen Prozessen», betont Matthias Pfützner. «Zudem lässt sich durch Automatisierung der Einsatz von mehreren verschiedenen Clouds vereinfachen, weil eine Abstraktionsschicht zwischen die unterschiedlichen Eigenschaften der jeweiligen Clouds und die Endnutzer eingezogen wird. Davon abgesehen bietet die Cloud-Automatisierung selbstverständlich alle Vorteile, die Automatisierung generell bietet, etwa höhere Effizienz, weniger Fehler und Kosteneinsparungen.»

Workloads, Container, Migration

Cloud-Automatisierung eignet sich besonders gut für das Performance- und Lebenszyklusmanagement von Workloads. «Überwacht zum Beispiel ein APM-Tool (Application-Performance-Management) eine bestimmte Arbeitslast und misst ihre Leistung, dann kann Cloud-Automatisierung dafür sorgen, dass Alerts des APM-Werkzeugs automatisch Reaktionen und Anpassungen auslösen und vornehmen», erklärt Peter Goldbrunner.
«Werden etwa mehr Ressourcen benötigt, um das definierte Leistungsniveau aufrechtzuerhalten, lassen sich zusätzliche Cluster, Container-Instanzen und so weiter automatisch bereitstellen und in Betrieb nehmen. Da speziell Cloud-Workloads in der Regel nicht das ewige Leben haben, spielt Cloud-Automatisierung auch hier ihre Vorteile aus. So lassen sich die entsprechenden Ressourcen wieder automatisch stilllegen, wenn eine Arbeitslast nicht mehr oder nur noch in geringerem Umfang benötigt wird.»
Plusserver-Manager Severin Braun sieht auch die Möglichkeit der Automatisierung einzelner Workloads, zum Beispiel über Kubernetes. «Das Stichwort hier lautet ,state­less‘: Mit diesem Begriff beschreibt die IT Prozesse, die vollkommen unabhängig von vorangegangenen Vorgängen sind. Für die IT-Infrastruktur bedeutet das zum Beispiel, dass für die Ausführung einer Anwendung alle benötigten Daten – also auch die Beschreibung der Infrastrukturkomponenten – mitgeliefert werden. Vorteil dieses Ansatzes ist, dass der Container ein für sich geschlossenes System darstellt und im Prinzip immer und überall gestartet, dupliziert oder entsorgt werden kann. Kuber­netes übernimmt den Betrieb des Workloads und stellt falls notwendig neue Ressourcen zur Verfügung.»
Braun sieht als einen weiteren Anwendungsfall die Cloud-Migration: «Die softwareartige Form von Infrastruktur bietet die Möglichkeit, sämtliche Ressourcen zunächst präzise zu definieren und dann auf einen Schlag zu konfigurieren. Dadurch sind Unternehmen in der Lage, den Aufbau ihrer IT-Infrastruktur längerfristig zu konzipieren und ihn jederzeit im Quellcode als Referenz festzuhalten. Dieser Vorteil sollte keinesfalls unterschätzt werden, denn in der Praxis ist die Überführung von Geschäftsprozessen in die Cloud eine grosse Herausforderung.»
“Obwohl Cloud-Automatisierung den derzeit grössten Herausforderungen wie Fachkräftemangel und steigende Kosten direkt entgegenwirken würde, findet sie insbesondere im deutschen Mittelstand nur zu einem geringen Teil Anwendung.„
Severin Braun
Chief Product Officer bei Plusserver
Mit einer Cloud-Plattform sowie dem an die Prozesse an­gepassten Infrastruktur-Code liessen sich solche Aufgaben deutlich vereinfachen. Infrastructure as Code reduziere zudem die Fehleranfälligkeit, da die Provisionierung der Infrastruktur effizient und reproduzierbar sei. Dazu weiter unten mehr.

Komplexität und Effizienz

Am meisten profitieren Unternehmen mit Multi-Cloud-Umgebungen von einer Cloud-Automatisierung. Denn diese sind aufgrund ihrer Komplexität am anfälligsten für menschliche Fehler. «Cloud-Automatisierung reduziert das Komplexitätsniveau für die Administratoren, indem sie an ihrer Stelle viele Managementaufgaben automatisiert erledigt. Ferner erleichtert sie Anwendungsentwicklern das Leben erheblich», erklärt Goldbrunner. «Diese können sich dadurch sozusagen von den Betriebsteams emanzipieren und die Ressourcen und Umgebungen automatisch bereitstellen lassen, die sie für die Entwicklung und das Testen neuer Anwendungen oder Releases benötigen. Darüber hinaus schafft Cloud-Automatisierung mehr Transparenz. Die Unternehmen erhalten Einblicke in ihren tatsächlichen Ressourcenverbrauch und können ihn auf Basis dieser Erkenntnisse mittels Standardisierung und konsistenter Konfigurationen optimieren und sogar vorhersagen. So können sie besser planen und für eine gleichbleibende Qualität ihrer Cloud-Services und -Apps sorgen. Weitere Effizienzgewinne lassen sich mit Cloud-Automatisierung zum Beispiel in den Bereichen Zugriffs- und Berechtigungsmanagement oder Datenschutz mittels automatisierter Data-Discovery erzielen.»
Red-Hat-Manager Matthias Pfützner sieht eine breite Palette an weiteren Anwendungsfällen. «Das beginnt zum Beispiel mit der Bereitstellung von virtuellen Maschinen und der Konfiguration von Cloud-Services, erstreckt sich aber auch auf das Anlegen und Anpassen von Cloud-Nutzern sowie die Einrichtung komplexer Services aus einzelnen Komponenten und virtuellen Maschinen. Die Automatisierung kann auch das Anlegen von Backups umfassen und muss dort keineswegs enden.»

Andreas Dumont
Autor(in) Andreas Dumont



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