Künstliche Intelligenz – zwischen Hype und Praxis

KI im Front- und Backoffice der UBS

«Ich bin skeptisch, wenn ich lese, dass bei Banken jetzt KI über Kredite entscheidet», sagt Annika Schröder, Direk­-torin für künstliche Intelligenz bei der UBS. Zwar habe die Technologie auch bei der UBS eine «gewisse» Relevanz im Tagesgeschäft, «aber vieles steckt auch im Experimentierstadium und die Arbeit mit vielen Algorithmen findet zunächst in abgeriegelten Labs statt». Auch bewege man sich nach wie vor ausschliesslich im Feld der «Narrow AI» (vgl. Kasten). Man arbeitet also mit spezialisierten Anwendungen auf Basis hochqualitativer Daten, die entsprechend reich an Mustern sind und relativ einfache Szenarien mit geringer Umfeldkomplexität darstellen.
“Ich bin skeptisch, wenn ich lese, dass bei Banken jetzt KI über Kredite entscheidet„
Annika Schröder, UBS
Die KI-Expertin fügt zwei Beispiele an, die aufzeigen, wie KI in der Bank angewendet wird: Im Bereich Frontoffice kooperiert die UBS-Investmentbank mit dem New Yorker Start-up Tradelegs und entwickelt optionsbasierte Strategien. Machine Learning wird dort gemäss Schröder angewendet, um in den Optionsmärkten Muster oder Informationen zu erkennen, die Menschen aufgrund der dort verarbeiteten Datenmenge nur schwer mit anderen Methoden entdecken könnten. Letztlich werde mithilfe kombinatorischer Optimierung ein Options-Portfolio zusammengestellt, das den Risiko- und Return-Erwartungen der Kunden entspreche. Im Backoffice installierte die UBS einen Chatbot, der im IT-Support die Mitarbeitenden bei der Lösung von Appli­- ka­tionsproblemen unterstützt. Der «Smartbot» gibt im Chat Hilfestellung für übliche Lösungswege. Teilweise könnten damit bereits auch Problemlösungsschritte automatisiert durchgeführt werden, sagt Schröder.

KI ist omnipräsent

Die Finanzindustrie ist mit dem Experimentieren und dem Einsatz von KI freilich nicht allein auf weiter Flur. Im Branchenvergleich liegen Banken und Versicherungen punkto KI-Reife gemäss der Studie von Microsoft und EY insgesamt auf Platz drei. Den ersten Rang belegt in dieser Hinsicht der Bereich TMT (Technology, Media/Entertainment & Telecom), gefolgt vom Dienstleistungssektor. Allerdings beschäftigt das Thema sämtliche Segmente. In allen wurden bereits Projekte realisiert, pilotiert oder sind in Planung.
Mit Methoden aus der KI-Welt beschäftigt sich beispielsweise das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz. Anwendungen seien dort aktuell in Entwicklung, heisst es. Man untersuche verschiedene Einsatzgebiete für neuronale Netze, unter anderem zur Verbesserung der Nebelvorhersage für den Flughafen Zürich, zur statistischen Nachbearbeitung rechnergestützter Wetterprognosen oder für das Nowcasting – die Vorhersage von Niederschlag und Gewittern innerhalb der nächsten Minuten bis maximal sechs Stunden.
Im Bahnverkehr packt die Branche mit «SmartRail 4.0» ein Programm an, mit dem sie die Auslastung auf dem dicht befahrenen Schienennetz bei bestehender Infrastruktur nochmals um bis zu 30 Prozent steigern will. Ein neues Verkehrsmanagement-System soll dabei dafür sorgen, dass bei einer Fahrplanabweichung – etwa aufgrund von Verspätungen – in Sekundenschnelle mehrere Lösungsvarianten bereitstehen und an andere Systeme weitergeleitet werden können. An «SmartRail 4.0» beteiligt sind die SBB, die BLS, die Schweizerische Südostbahn, die Rhätische Bahn sowie der Verband öffentlicher Verkehr.
Und auch in der Konsumgüterbranche, die gemäss Studie am wenigsten KI-Reife aufweist, werden Projekte angegangen. Der Kiosk-Betreiber Valora arbeitet mit dem Silicon-Valley-Start-up AiFi an einem vollautomatisierten Kiosk. Dieser soll ganz ohne Verkaufspersonal auskommen. Das geplante Konzept nennt sich «k kiosk box», eine Auto-Checkout-Lösung übernimmt mittels Kameras, Sensoren und KI die Arbeit der Kassierer.
Erklärung
Starke und schwache KI
Bei der künstlichen Intelligenz wird zwischen einer starken und einer schwachen Form unterschieden. Unter starker KI (engl. «Strong AI») versteht man Ansätze, die versuchen, Vorgänge im menschlichen Gehirn nachzubilden. Eigenschaften wie Bewusstsein oder Empathie werden häufig als entscheidende Merkmale genannt, die starke KI ausmachen. Beispiele der schwachen KI (engl. «Weak AI» oder «Narrow AI») sind in heutigen Software-Lösungen dagegen bereits zu finden. Im Gegensatz zur starken KI geht es hier aber darum, Algorithmen für bestimmte abgegrenzte Problemstellungen zu entwickeln. Beide Ansätze verbindet jedoch die wesentliche Anforderung der Lernfähigkeit.
Quelle: Buxmann und Schmidt, «Künstliche Intelligenz», Springer-Gabler, 2019



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