Praxis 10.04.2015, 08:00 Uhr

Der Stellenwert von IT & Big Data in der Planung

Erfahren Sie, inwiefern IT neue Planungsansätze begünstigen kann, wie die Corporate Performance Management-Lösung Tagetik die Unternehmen dabei unterstützt und welchen Einfluss Big Data auf die Planung ausübt.
Im ersten Teil des Interviews hat der pmOne-Planungsexperte Prof. Dr. Karsten Oehler die Bandbreitenplanung erläutert und aufgezeigt, dass sich mit dem Aufkommen eines neuen Denkens in Wirkungsbeziehungen der Zeithorizont der Unternehmensplanung nach hinten verschiebt. Hier finden Sie diesen ersten Artikel-Teil Kommen wir nun aber zur Fortsetzung. Zum 2. Teil: In Ihren Erläuterungen zur Bandbreitenplanung haben Sie neue fachliche Ansätze beschrieben. Inwiefern sind das auch IT-Themen? Das ist eine zentrale Frage. Auf den ersten Blick handelt es sich um fachliche Themen. Aber gerade wenn es um den praktischen Einsatz von Simulation geht, kommt auch die IT ins Spiel. Natürlich kann man sich hier mit Excel behelfen, wird dann aber ganz schnell an Grenzen stossen. Um beim Beispiel des Automobilherstellers zu bleiben: Es sind gar nicht mal unbedingt riesige Datenbestände, die für eine Simulation herangezogen werden, sondern die Daten resultieren in durchaus handlichen Modellen. Doch es handelt sich um verteiltes Wissen, das vom System abzubilden ist. Eine entsprechende Lösung muss verschiedene Personen im Unternehmen dabei unterstützen, die Einschätzungen über mögliche Auswirkungen einzugeben und zu simulieren. Diese Anforderungen sprengen dann die Grenzen von Excel. Gibt es weitere Anforderungen, denen ein solches Planungssystem standhalten muss? Es sollte die Möglichkeit gegeben sein, Wirkungszusammenhänge sowohl zentral als auch dezentral zu hinterlegen und zu pflegen. Alle Zusammenhänge zentral zu modellieren, ist einfach nicht praktikabel; vielmehr muss die Möglichkeit gegeben sein, Abhängigkeiten auch dezentral zu hinterlegen. Das Controlling als zentraler Akteur ist auf das Wissen der Kollegen angewiesen, die für den Absatz oder Umsatz in den einzelnen Regionen verantwortlich sind. Diese können letztendlich die Abhängigkeiten, beispielsweise zwischen Absatz und Preis, am besten einschätzen. Das macht es erforderlich, dezentral Werte und Wirkungsbeziehungen zu pflegen  und auch Simulationen durchzuführen. Dabei sollte sich das Ganze natürlich nicht zu einem Excel-Monster entwickeln, sondern dann wiederum zu einem zentralen System zusammengeführt werden können. Insofern handelt es also sehr wohl um ein IT-Thema, das sich allerdings nicht mit Tabellenkalkulation oder einem ausschliesslich zentralen System lösen lässt. Das ist offensichtlich eine grössere Herausforderung, denn es gibt nur wenige Lösungen am Markt, die den Spagat zwischen einer zentralen Orientierung und einer dezentralen Unterstützung mit entsprechenden Freiheitsgraden zufriedenstellend abbilden. Womit wir beim Thema Tagetik angelangt wären. Was kann die Software hier leisten? Wie unterstützt Tagetik die Unternehmen beim Unterfangen Bandbreitenplanung? Von der Ausrichtung her ist Tagetik zunächst mal ein zentrales System. Dadurch bietet es eine sehr gute Unterstützung der Prozessabläufe, was bei einer komplexen Planung, die auch Simulationsschritte beinhaltet, sehr hilfreich ist. Darüber hinaus besteht jedoch die Möglichkeit, das gesamte Planungssystem virtuell in Teilbereiche aufzuteilen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass unterschiedliche Personen koordiniert an einem Planungssystem arbeiten. Die Anforderung, den Planungsprozess zu strukturieren, kommt typischerweise aus der Budgetierung, lässt sich aber auch hervorragend für die Modellierung von Abhängigkeiten nutzen, die gleichermassen zentral und dezentral hinterlegt werden können. Aber was sind das für Abhängigkeiten? Abhängigkeiten können mit Hilfe mathematischer Formeln definiert werden: Welche Wirkung hat es auf den Umsatz und die Kosten, wenn sich mein Absatz um x Prozent verändert? Neben der klassischen What-If-Simulation sind hierzu auch Komponenten zur Monte-Carlo-Simulation verfügbar. Das heisst, Anwender können auch mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Inwiefern berücksichtigt Tagetik auch die dezentralen Anforderungen? Eine der grossen Stärken von Tagetik ist es, dass Anwender auch auf der Mikroebene – also letztendlich in Excel – die Möglichkeiten haben, lokale Abhängigkeiten zu hinterlegen. Beispielsweise Abhängigkeiten der Kosten von anderen Planungsparametern. So lassen sich aus Faktoren wie Mitarbeitergruppen, Absatzplan oder Kundenfokus die zu erwartenden Reisekosten automatisch ableiten. Zentral sind diese Abhängigkeiten wahrscheinlich in dieser Konkretisierung gar nicht bekannt. Aus Konzernsicht gibt es unzählige Details, bei denen es gar nicht sinnvoll und möglich ist, sie zentral zu modellieren; diese Aufgabe fällt vielmehr den einzelnen Planern zu. Die tendieren in der Regel dazu, ihre Nebenrechnungen separat in Excel durchzuführen und die Ergebnisse manuell in die zentrale Planung übertragen. Tagetik hingegen bietet ihnen die Möglichkeit, dass die Planer ihre Informationen direkt hinterlegen und ihre Kenntnisse über Abhängigkeiten im System modellieren. Weil also die dezentralen Planer integriert werden, kann das ganze Detailwissen mit ins System einfliessen, was bei einer streng zentral ausgerichteten Planungsanwendung gar nicht möglich wäre. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist das Konzept des Line Item Detail, das bei Tagetik zum Tragen kommt. Es gewährleistet, dass unterhalb einer zentral definierten Ebene beliebig detailliert manuell geplant werden kann. Zugleich besteht auch dezentral die Möglichkeit, mittels Excel-Formeln Abhängigkeiten im System zu definieren. Unter diesen Voraussetzungen gelingt der Spagat zwischen zentralen und dezentralen Planungsanforderungen. Können Sie das Zusammenspiel von zentralen und dezentralen Funktionen anhand eines Kundenbeispiels erläutern? Ja. Zum Beispiel setzt Astaldi, ein italienisches Bau- und Projektunternehmen, Tagetik in genau diesem Kontext ein. Die Lösung unterstützt die einzelnen Projektleiter bei der Durchführung von Simulationen. Sie haben dezentral die Freiheit, verschiedene Szenarien für ihr Projekt durchzurechnen, wofür sie eine zentrale Engine nutzen. Damit alle Projektleiter ihre Simulationen nach einem vergleichbaren Verfahren durchführen, wird dort ein einheitlicher Bewertungsrahmen hinterlegt. Auf diese Weise lassen sich nicht nur komplexe Projekte aus Projektleiterperspektive bewerten, sondern diese Information werden dann wiederum auf Konzernebene zusammengeführt und für eine projektübergreifende Simulation genutzt. Und genau das tut Astaldi sehr erfolgreich. Welchen Einfluss hat das Hype-Thema Big Data auf die Planung? Big Data wird natürlich auch im Kontext Planung heiss diskutiert, ist jedoch in der Controller-Praxis mehr oder weniger noch Neuland. Aber hier besteht durchaus Potenzial: Die Grundlage einer guten Planung ist nun mal eine gute Prognose. Ich sehe grosse Chancen, mit Big Data die entsprechenden Verfahren radikal zu verbessern, indem externe Informationen integriert werden. So wird sich künftig das Kundenportfolio besser einschätzen lassen: Mit welchem Forderungsausfall ist zu rechnen? Wie stark werden unsere Kunden wachsen? Wird sich deren Wachstum auf unser Geschäft niederschlagen? Natürlich bringt auch das Einspeisen von Wettbewerbsinformationen grosse Vorteile. Solcherlei Möglichkeiten, die bislang noch an der Datenversorgung gescheitert sind, rücken jetzt in greifbare Nähe. Naheliegend ist es auch, Prognoseverfahren in der Planung zu berücksichtigen – und zwar auch in qualitativer Hinsicht. Nehmen wir die Detailplanung für ein spezifisches Marktsegment. Hier lassen sich mit einer Verlinkung auf Wirtschaftsprognosedaten – Bruttosozialprodukt in bestimmten Bereichen oder Regionen, Schätzungen zur Arbeitslosenquote etc. – Effekte auf den Produktabsatz ermitteln. Auch hier sehe ich ein sehr grosses Potenzial. Und gerade wenn wir über Treiberorientierung sprechen, werden uns neue Technologien beim Quantifizieren von Grössen weiterbringen, die nicht so einfach zu definieren sind wie formale Beziehungen zwischen Umsatz, Kosten und Deckungsbeitrag. Zum Beispiel welche Auswirkungen es auf die Gesamtkosten hat, wenn sich der Umsatz verändert. Ich bin der Überzeugung, dass sich mit Big Data zahlreiche Abhängigkeiten innerhalb meines Planungssystems aufdecken lassen. Das ist zwar grundsätzlich heute schon möglich, erfordert aber ein ziemlich tiefes Spezialwissen vom Controller. Die Zukunft liegt darin, dass Systeme quantitative Berechnungen durchführen und die entsprechenden Antworten liefern. Das führt dann dazu, dass sich die Datengrundlage für planerische Entscheidungen deutlich verbessern wird. Das alles ist noch Zukunftsmusik. Von welchem Zeithorizont reden wir hier? Erste Ansätze, auch komplexere Werkzeuge der Statistik in der controllingorientierten Planung einzusetzen, zeichnen sich bereits jetzt ab. Bis es dann tatsächlich soweit ist, dass sich die Anwender Wirkungsbeziehungen direkt vom System vorschlagen lassen können, werden noch einige Jahre ins Land ziehen. Dabei gilt: Je mehr Vergangenheitsdaten zur Verfügung stehen, desto eher lassen sich die Wirkungsbeziehungen präzisieren.


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