10 Jahre LAS-Konferenz 24.05.2019, 14:20 Uhr

Agil, aber mit Kultur

Diese Woche hat sich die Agile-Community der Schweiz in Zürich zur jährlichen Lean-Agile-Scrum-Konferenz getroffen. Eines wurde bei den Diskussion deutlich: Ohne gute Team-Kultur verpufft die Wirkung agiler Arbeitsweisen.
Der Agile Coach Jason Little sprach in der Opening Keynote über die Beliebtheit von Scrum und die Bedeutung einer gesunden Firmenkultur.
(Quelle: NMGZ/Computerworld)
Vor 18 Jahren erschien das «Agile Manifest». Es war der Startschuss einer Bewegung, die, angefangen in der Softwareentwicklung, heute ganze Unternehmen erfasst hat. Neben Zertifizierungskursen und Ausbildungen werden Fachwissen, Best Practices und Frameworks in lernenden Communities diskutiert.
Auch in der Schweiz tauschen sich Anwenderinnen und Anwender untereinander aus. Die grösste Community dieser Art dürfte die Fachgruppe Lean, Agile und Scrum des Branchenverbands swissICT sein. Deren Mitglieder, Entwicklerinnen, Scrum-Master und weitere Fachleute, treffen sich regelmässig in verschiedenen Städten in Meetups.

200 Besucher im Hallenstadion

Einmal jährlich trifft sich die Community zur Lean-Agile-Scrum-Konferenz, die heuer zum zehnten Mal stattfand.  200 Besucherinnen und Besucher waren der Einladung von swissICT ins Konferenzzentrum des Zürcher Hallenstadions gefolgt. Weitere Zuschauer folgten den Keynotes und ausgewählten Vorträgen im Live-Stream.
Die Eröffnungs-Keynote des zweitägigen Events hielt der Agile Coach Jason Little, der die Entwicklung und Verbreitung agiler Methoden während der letzten Jahre auf Basis verschiedener Studien zusammenfasste und aufzeigte, wo die agile Bewegung heute steht.

Methoden werden gemischt und flexibel eingesetzt

Little zufolge ist Scrum die beliebteste agile Projektmethode. Allerdings zeige sich auch, dass zunehmend Projektmanager zu Scrum-Master umbenannt werden. Unabhängig davon, ob sie das nötige Rüstzeug mitbringen.
Ideen aus dem Agilen Manifest würden zunehmend formalisiert, was der Marktentwicklung geschuldet sei, stellte Little fest. Dennoch werden die verschiedenen agilen Methoden und Frameworks flexibel gehandhabt, miteinander kombiniert und an die jeweiligen Bedürfnisse von Organisationen angepasst. Oder in den Worten des Experten: «Manche Unternehmen wissen, wann sie die Regeln brechen können.»
Oft setzen Unternehmen auf agile Methoden um produktiver zu sein. Sei es, um beispielsweise rascher am Markt zu sein mit einem Produkt als der Mitbewerb oder um IT- und Business-Abteilungen besser zu koordinieren. Die Einführung agiler Arbeitsweisen führt zu Veränderungen in der Organisation und Veränderung in der Regel zu Ängsten und somit Widerstand. Little gab jedoch zu bedenken, dass Feedback an Entscheider und Führungskräfte zuweilen auch als Widerstand aufgefasst werde.

Bildergalerie
In Zürich hat sich die Lean, Agile and Scrum Community zum Jahrestreffen eingefunden. Diskutiert wurde über den Stand der agilen Bewegung, Arbeitsmethoden und Team-Kultur.

Wo beginnen?

Auf Amazon fänden sich 7000 Bücher zum Thema Agile, es würden mindestens 6 verschiedene State of agile-Reports publiziert und zahlreiche Anbieter und Berater bieten Werkzeuge und Kurse an. Das könne überwältigend sein, sagte Little. Und während der Einstieg in die Theorie einfach sei, stelle die Implementierung der Methoden Unternehmen vor Herausforderungen. Anstatt die gesamte Organisation auf einmal zu ändern, solle man sich besser pro Quartal auf drei kleine Schritte konzentrieren, empfahl der Experte für Lean Change Management. 
Wichtig sei es, die Menschen mitzunehmen, betonte Little am Ende seines Vortrags «Man kann nicht agil arbeiten, wenn man Mitarbeitende schlecht behandelt», brachte es der Coach auf den Punkt.

Fünf Schritte zum Erfolg

Quelle:

NMGZ/Computerworld

Wie man Menschen im Team für Veränderungen und Ideen begeistert, erklärte der Wissenschaftler Damian Hughes von der Universität Manchester in einem packenden Referat. Hughes hatte in einem Forschungsprojekt erfolgreiche Trainer nach ihrem Erfolgsgeheimnis befragt und die Antworten in sein fünfstufiges Modell «STEPS» (Schritte) übertragen.
Das Akronym steht für Simple, Thinking, Emotional, Practical und Storytelling. Gemäss dieses Modells sind erfolgreiche Teamleader in der Lage, Sachverhalte einfach zu kommunizieren und können eine sichere Atmosphäre schaffen, in der jeder gerne seine Gedanken teilt. Das führe zu einer lernenden Organisation.
Wer es dann noch schafft, Herausforderungen und Veränderungen als gute Story zu erzählen mit einem für das Team wünschenswerten Ende, sollte alle Teammitglieder für sich gewinnen können.
Gespräche, Diskussionen, Networking
Der Event war geprägt vom Austausch. In offener Atmosphäre debattierten die Besucher mit den Referenten in Vorträgen oder konnten sich in Workshops aktiv Wissen aneignen und von Ihren Erfahrungen berichten. Selbst die Mittagspause nutzten die Teilnehmer und stellten ihre Projekte vor.
Quelle:
NMGZ/Computerworld
Agilist beispielsweise präsentierte sein Lean Change Canvas. Anhand der Übersicht können Teams Treiber für nötige Veränderungen identifizieren, Lösungsansätze erarbeiten und mögliche Gewinne herausstreichen.

Agile Methoden brauchen eine gute Kultur

Generell wurde an der LAS-Konferenz viel über Change-Management, Führung und Arbeitskultur debattiert. In einer Session sprachen die Teilnehmer über «Das Ende von Superman – Verantwortung und Entscheiden in Teams» oder über «agile Führung durch Gamification».
Quelle:

NMGZ/Computerworld

Welche Bedeutung Kultur gegenüber Methoden hat, zeigten anschaulich Ana Lydon, Agile Leadership Consultant, und Robert Fritze, Head Design, bei ti&m. Auch beim IT-Dienstleister setzt man auf agile Methoden. Allerdings benötigten Innovationsprozesse weit mehr als das. «Wir schätzen Kultur mehr als Methoden», betonte Lydon, weshalb die Mitarbeitenden fünf Werte verinnerlicht haben:
  • Jeder schätzt Diversität: Das Unternehmen setzt auf Teams, deren Mitglieder unterschiedliche Hintergründe mitbringen. Dadurch ergäben sich neue und überraschende Einsichten. Dies zeige sich auch in den Ergebnissen. Ein Praxisbeispiel sei die Post Finance App, bei der man sich in den unterschiedlichen Landesprachen und sogar auf Mundart authentifizieren könne.
  • Ergebnis über Worte: Je früher man liefert, desto besser. Auf diese Weise kann man rasch eine Produktidee umsetzen, ausprobieren und optimieren.
  • Sei verspielt: Man soll Spass bei der Arbeit haben. Auch ein Log-in könne verspielt sein. Wie etwa das Log-in der Migrolino-App. Dabei hält eine Möhre auf dem Bildschirm in einer Animation immer dann die Hände vor die Augen wenn Nutzer ihr Passwort eingeben.
  • Überschreite Dein Limit: Diesen Aspekt verkörpere die Digital Identity auf Blockchain-Basis wie sie ti&m für die Stadt Zug entwickelt habe. Hier hätten die Entwicklerinnen und Entwickler etwas Neues ausprobiert, was es in dieser Form zuvor nicht gegeben habe.
  • Sei schlau: Es sei wichtig, zu reflektieren und bedeutend, Lehren aus seiner Arbeit zu ziehen.

Agiles Manifest und Beyond Budgeting

Den zweiten Tag eröffnete Professor Franz Röösli. Der Leiter des Zentrums für Unternehmensentwicklung an der ZHAW beschäftigt sich mit dem Führungs- und Organisationsmodell Beyond Budgeting. Rööslis Meinung nach stehen Budgets dem Zweck einer Organisation, nämlich zu Kunden zu kreieren, im Weg. Es sind starre Planungsergebnisse, die im Vorjahr festgelegt wurden.
Im früheren Industriezeitalter ging es um die Beherrschung von Effizienz. Dieses Organisationsmodell habe seine Ziele erreicht, betonte Röösli. Die heutige Herausforderung sei der Umgang mit Komplexität. Allerdings versuchten Unternehmen den neuen Problemen mit den alten Mitteln zu begegnen. Das funktioniere nicht und es brauche neue Ansätze, erklärte der Wissenschaftler.
Das agile Manifest und Beyond Budgeting sind in etwa gleich alt, basieren auf 12 Punkten und adressieren vergleichbare Probleme. Obwohl beide Modelle aus unterschiedlichen Bereichen stammen, zeigen sich viele Ähnlichkeiten.
Wie bei agilen Arbeitsweisen müssen auch nach dem Beyond-Budgeting-Modell Führungskräfte ihren Mitarbeitenden vertrauen. Damit das gelingt, müssen unter anderem Informationen transparent bereitstehen, so dass die Mitarbeitenden eigenständig Entscheide im Sinne der Kundinnen und Kunden treffen können.
Wenn man agile Organisationen haben will, muss man Budgets hinterfragen. Diese seien nur eine Kontrollillusion, schloss Rössli seinen Vortrag. Abschlissend empfahl er, sich intern Verbündete zu suchen und sich auch fachübergreifend in Communites auszutauschen.
Alle Höhepunkte und Stimmen von Besuchern der LAS-Konferenz hat swissICT in einem Video zusammengefasst:



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