21.02.2011, 06:00 Uhr

Wettbewerbsvorteil Open Source

Ob Googles Chrome-Browser, Android oder die beliebten Consumer-Produkte von Apple, alle haben eines gemeinsam: Sie nutzen Open Source und geniessen dadurch entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Foto: © Burwell and Burwell Photography / istockphoto.de
Der Autor ist Head of Interaction Lab und VRP der Garaio AG Vom kommerziellen Standpunkt aus ist Open Source zunächst ein gewöhnungsbedürftiges Konzept. Was soll es bringen, die Früchte seiner Arbeit kostenlos Dritten zur Verfügung zu stellen? Man gibt nicht nur die Lizenzen frei weiter, sondern auch gleich die gesamten internen Geheimnisse. Diese stehen dann der ganzen Welt – inklusive konkreten und potenziellen Mitbewerbern – in Form von Source-Codes zur Verfügung. Wo soll darin der Nutzen liegen? Dass die Nutzung des gewaltigen Know-hows der OpenSource-Gemeinde die Software-Entwicklung jedoch entscheidend vorantreibt, ja vielfach erst möglich macht, zeigt sich in der Praxis an vielen Beispielen. Auch Apple hat bei der Entwicklung des iPhones eine Vielzahl von Open-Source-Komponenten eingesetzt, unter anderem eine von Stig Brautaset. Der eher unbekannte englische Software-Geek hatte vor längerer Zeit eine kleine Bibliothek in Objective-C geschrieben, mit der man JSON-Strings (Java Script Object Notation) effizient bearbeiten kann. Diese Arbeit wurde von vielen Tausend Entwicklern auf der ganzen Welt sehr geschätzt, insbesondere weil der Entwickler die Bibliothek als Open Source zur Verfügung gestellt hat. Brautaset kann seitdem immerhin damit prahlen, dass er auf jedem der über 30 Millionen iPhone-Geräte in den Copyright-Verweisen namentlich erwähnt ist (siehe Bild).

Palm: Mit Open Source zum Turnover

Ein anderes Beispiel liefert der Hersteller Palm. Lange beherrschte dieser als einziger Anbieter von brauchbaren Handheld-Computern den Markt. Doch die Vorherrschaft geriet ins Wanken, weil man mit der rasanten Entwicklung nicht mehr mithalten konnte. Jahrelang hatte Palm vergeblich versucht, das eigene Betriebssystem PalmOS so weit auszubauen, dass es den wachsenden Anforderungen des Markts gerecht wurde – ohne Erfolg. Vor ein paar Jahren entstand dann in Rekordzeit und unter Einsatz von Open Source ein neues Handy-OS namens Nova, das wieder viel positives Echo ausgelöst hat. Palm Computer wurde vor Kurzem von HP aufgekauft, Nova wird nun von HP Palm als webOS vertrieben. Auch Googles Handy- und Pad-Betriebssystem Android basiert auf diesem Package: Linux als Betriebssystemkern, dazu der Chrome-Browser, der wiederum auf dem Open-Source-Projekt WebKit basiert.

Apple: Open Source im Mac OS X

Auch Apple hatte jahrelang vergeblich versucht, das eigene Betriebssystem Mac OS 9.x an moderne Standards anzupassen. Die Wende kam jedoch erst mit der Rückkehr von Steve Jobs auf den Chefsessel. Jobs verkaufte Apple seine Firma NeXT, die unter anderem auch das Betriebssystem NeXTStep geschaffen hatte. Dieses ebenfalls auf Open Source aufbauende Betriebssystem kennen wir heute als Mac OS X. Darwin, der Betriebssystemkern des Mac OS, bildet die zentrale Schlüsselstelle aller iOS-Geräte (iPhone, iPad, AppleTV, Mac-Computer etc.). Dieser wiederum basiert auf verschiedenen Open-Source-Projekten wie BSD und dem Mach-Microkernel. Durch den effizienten Einsatz von Open Source kann Apple Produkte rascher erfolgreich positionieren. Die Zusammenarbeit mit der Community wiederum führt dazu, dass diese hochkritischen Betriebssystemkomponenten öffentlich in Fachkreisen thematisiert und diskutiert werden. Eine weitere, sehr prominente und rege gebrauchte Open-Source-Software ist das bereits erwähnte WebKit. Der Open-Source-Browser basiert auf KHTML aus dem KDE-Projekt. Aus kommerzieller Sicht betrachtet, ist WebKit neben Linux eines der erfolgreichsten Open-Source-Projekte. Zu finden ist es in Apples Safari-Browser, Googles Android und Chrome, HP webOS, Adobe Air sowie in der Nokia-S60-Reihe. Im August 2010 hat zudem RIM (BlackBerry) die Benutzung von WebKit angekündigt.

Ruby on Rails: Basis für WebLösungen

Als David Heinemeier Hansson im Juli 2004 sein Webframework Ruby on Rails der Öffentlichkeit vorstellte, konnte er den Erfolg wohl nicht erahnen. RoR ist in den USA bereits sehr verbreitet und findet auch in der Schweiz zunehmend Verwendung, etwa in den Bundesämtern, bei SRG, Telcos und vielen Verbänden, etwa der Hotelleriesuisse und dem Schweizerischen Fussballverband – um nur einige zu nennen. Das Webframework setzt 100 Prozent auf Open Source und bietet eine Art Steckbrett, auf dem Dritte relativ einfach eigene Erweiterungen vornehmen können. Diese Gems genannten Komponenten werden rege genutzt und auch intensiv weiterentwickelt. Lösungsentwickler, die dieses reichhaltige Miniuniversum geschickt nutzen, können enorm Zeit und Kosten sparen. Wir sprechen heute von Einsparungen bis zu 90 Prozent bei der Lösungsentwicklung.

Fazit: Teilen schafft Mehrwert

Wie man an diesen Beispielen sieht, sind gerade die in den letzten Jahr überproportional erfolgreichen Firmen, allen voran Google, Apple, Adobe, IBM und HP, rege Nutzer und Anbieter von Open Source. Der Vorteil: Die Unternehmen können auf eine Vielzahl von Entwicklern zurückgreifen, ohne Spezialisten für bestimmte Aufgaben anstellen zu müssen. Open Source funktioniert nach dem Prinzip «Jeder weiss etwas Entscheidendes, aber niemand weiss alles.» Man tauscht quasi das eigene Fachwissen gegen ein anderes. Mit grossem Nutzen: Zum einen ist man schneller am Markt, kann auf das Fachwissen anderer zurückgreifen und erhält zudem ein Paket, dass von einer breiten Schicht von Contributors intensiv getestet und gewartet wird. Durch die Freigabe des Source-Codes ist nachvollziehbar, wie etwas funktioniert. Auftretende Fehler werden in der Regel deutlich schneller und zudem kostenlos korrigiert. Gerade IT-Basics, wie Datenbanken, Betriebssysteme, Entwicklungsumgebungen oder Browser, werden es in Zukunft schwer haben, einen wirtschaftlichen Gewinn zu generieren. Denn: Wer in einem Ozean lebt, sollte besser aufhören, Salzwasser zu verkaufen, und stattdessen auf innovative Lösungen setzen. Applikationsentwickler können sich in Zukunft auf noch viel mehr geniale Software freuen, die kostenlos genutzt werden darf. Für das Projektgeschäft interessant ist neben Linux als robustem Betriebssystem beispielweise die Datenbank postgreSQL zu nennen, die sich nicht hinter SQL-Server, Oracle oder DB2 verstecken muss. Die Datenbank wird international von vielen namhaften Unternehmen genutzt, darunter Apple, Greenpeace, BASF, Fujitsu, Red Hat, Sirius IT, Sun, Cisco oder Skype. Open Source ist keine Spielerei und auch kein Nice-to-have. Wer diese Entwicklung verschläft, wird sich bald mit einer unangenehmen Wettbewerbs-situation konfrontiert sehen. Wir haben in der Vergangenheit schon mehrmals gesehen, dass sich die grosse Nachfrage nach kompetenten Informatikern und Informatikdienstleistungen rasch in ein Überangebot umkehren kann. Besser man investiert in effizientere Technologien und Verfahren, solange man noch kann.


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