An der ETH büffeln Computer Quantenphysik

Quantenphysik und Handschriften

Das Prinzip seines Ansatzes, erklärt Carleo, ist recht simpel. Er benutzt einen intuitiven Vergleich, der die komplizierten Details der Quantenmechanik elegant umschifft: «Was wir machen ist, grob gesagt, in etwa so, als würden wir einem Computer beibringen, meine Handschrift zu imitieren. Dazu zeigen wir ihm eine Reihe von Schriftproben, aus denen er dann nach und nach lernt, meine a’s, l’s und so weiter nachzuahmen.»

Der Computer schafft das, indem er sich beispielsweise die Schreibweisen für ein «l» ansieht, das auf ein «a» folgt. Diese Schreibweisen sind nicht immer gleich, weshalb der Computer eine Wahrscheinlichkeitsverteilung berechnet, die mathematisch ausdrückt, wie oft ein Buchstabe auf eine bestimmte Art geschrieben wird, wenn ihm ein anderer Buchstabe vorausgeht. «Sobald der Computer diese Verteilung herausgefunden hat, könnte er damit etwas reproduzieren, das meiner Handschrift sehr ähnlich sieht», sagt Carleo.
Ein neuronales Netz (oben) «lernt» den Quantenzustand eines Spin-Systems aus Messdaten, indem es verschiedene Möglichkeiten der Spinorientierung (unten) durchspielt und sich nach und nach selbst verbessert.
Quelle: Giuseppe Carleo/ETHZ
Die Quantenphysik ist natürlich viel komplizierter als die Handschrift einer Person. Dennoch ist das Prinzip, das Carleo (der vor Kurzem an das Flatiron Institute in New York gewechselt ist) zusammen mit Matthias Troyer, Guglielmo Mazzola (beide an der ETH) und Giacomo Torlai von der Universität Waterloo sowie Kollegen vom Perimeter Institute und der Firma D-Wave in Kanada für ihren Maschinenlern-Algorithmus benutzt haben, ziemlich ähnlich.
Der Quantenzustand des physikalischen Systems wird in einem so genannten neuronalen Netz kodiert, und das Lernen geschieht in kleinen Schritten, indem der aktuelle Zustand des Netzes in zu erwartende Messwahrscheinlichkeiten übersetzt wird. Diese Wahrscheinlichkeiten werden dann mit den echten Messdaten verglichen, und das Netz wird daraufhin so angepasst, dass die Übereinstimmung in der nächsten Runde besser wird. Wenn diese Übungsphase abgeschlossen ist, kann man den im neuronalen Netz gespeicherten Quantenzustand für «virtuelle» Experimente verwenden, ohne diese tatsächlich im Labor durchzuführen.


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