Chinas Aufstieg zur neuen KI-Supermacht

KI für Waffen und Überwachung

Der Aufstieg Chinas zur KI-Superpower weckt besonders in den USA Ängste. «Künstliche Intelligenz kann sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden», erklärt Fischer. Doch anders als bei herkömmlichen «Dual Use»-Technologien, wie der Nuklearenergie, ist die Entwicklung und Verbreitung von KI schwer zu kontrollieren. Die meisten Forschungspublikationen erscheinen nämlich Open Source und sind für jedermann zugänglich. Davon hat China stark profitiert – zusätzlich zum Wissenstransfer durch chinesische Forscher in den USA.
US-Politiker fürchten zunehmend, dass durch den Kauf von amerikanischen Start-ups durch chinesische Investoren militärisch relevante Technologien in die Hände Chinas gelangen könnten. Neben einer potenziellen militärischen Verwendung von KI erkennen politische Beobachter und Menschenrechtsaktivisten eine weitere Gefahr: Die chinesische Strategie sieht nämlich vor, dass KI auch für den «Erhalt der sozialen Stabilität» eingesetzt wird. Dies weckt vor dem Hintergrund zunehmender politischer Repression und sozialer Kontrolle unter dem aktuellen Präsidenten Xi Jinping Ängste.
Wie Kontrolle und KI zusammengehen, zeigt die derzeitige Lancierung eines «Social Credit System»: In mehreren chinesischen Städten wird das Verhalten von Bürgern mittels Videokameras und Bilddaten aus staatlichen Datenbanken sowie persönlichen Daten aus dem Internet permanent bewertet. Wer ein von der Regierung propagiertes Verhalten an den Tag legt, erhält zum Beispiel bessere Konditionen bei Krediten oder einen einfacheren Zugang zu guten Schulen. Wer sich dagegen auffällig verhält, darf das Land eventuell nicht mehr verlassen.
Bis heute wurden in China 176 Millionen Überwachungskameras installiert und bis 2020 sollen nochmals 450 Millionen hinzukommen. Im Potenzial, das aus diesen Daten in Verbindung mit fortgeschrittener KI entsteht, erkennt auch Fischer «eine mögliche Realisierung einer Orwell’schen Idee von totaler Überwachung».

Kooperation und Konkurrenz

Während in Politik und Zivilgesellschaft Vorbehalte gegenüber Chinas KI-Boom vorherrschen, ist das Interesse am neuen aufstrebenden Markt bei amerikanischen Tech-Unternehmen gross. Alphabet (Google) gab vergangenen Dezember bekannt, dass es ein neues KI-Forschungszentrum in Peking eröffnen wird. Dies obschon sowohl die Suchmaschine als auch der E-Mail-Dienst von Google in China gesperrt sind.
Fischer ist überzeugt, dass der chinesische Markt für westliche KI-Unternehmen wichtiger wird: «Die kulturelle Affinität für neue Technologien ist in China noch viel grösser als bei uns.» Das hat sie während privater Reisen selbst erlebt. «Sogar in den ländlichen Gebieten Chinas wird heute vielerorts mit dem Smartphone bezahlt.» Das ermögliche Unternehmen, neue Entwicklungen schnell in der Anwendung zu testen. Mit 731 Millionen Internetnutzern, die gemeinhin mehr Daten von sich preisgeben als in den USA, sowie laschen Datenschutzregulierungen bietet China einen äusserst fruchtbaren Boden für neue Entwicklungen.
Entsprechend warnt Fischer vor einer zu einseitigen Perspektive auf die interkontinentalen Beziehungen. «Sowohl chinesische als auch amerikanische Unternehmen profitieren von den Fortschritten im jeweils anderen Land», sagt sie. «Die Entwicklung von KI ist sowohl von Kooperation als auch Konkurrenz geprägt.»
Quelle
Die CSS-Analyse «Artificial Intelligence: China’s High-Tech Ambitions» von Sophie-Charlotte Fischer kann kostenlos heruntergeladen werden.
Anmerkung: Der Bericht wurde von Samuel Schlaefli verfasst und ist ursprünglich bei ETH-News erschienen.



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