«Ein ‹Lift & Shift› in die Cloud ist oft nicht sinnvoll»

Zukunftspläne für Europa

CW: Dynatrace ist ein europäisches Unternehmen, das an der Börse in New York notiert ist. Hilft die US-amerikanische Präsenz, neue Mitarbeiter zu gewinnen?
Greifeneder: Sowohl als auch. Als global tätiges Unternehmen arbeiten unsere Angestellten auf der ganzen Welt. Dabei hilft es uns natürlich, dass wir in New York an der Börse sind, stark wachsen und auch profitabel sind.
In meiner Rolle als CTO, der die Produktentwicklung leitet und über 1000 Personen führt, beschäftige ich allerdings grösstenteils Programmiererinnen und Programmierer in Zentraleuropa. Diese Bündelung von Kompetenzen geschieht bewusst, weil es so leichter ist, gemeinsam an einer Software zu arbeiten.
Am Gründungsort Linz und in Zentral­europa beschäftigt Dynatrace mehr als 1000 Entwickler
Quelle: Dynatrace


CW: Welche Pläne hat der CTO für das Entwicklerteam nach der Pandemie? Sollen die Angestellten ins Büro zurückkehren oder gibt es eine Home-Office-Option?
Greifeneder: Wir werden ein Hybrid-Modell für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einführen. Unsere Teams können sich zwischen flexiblen Arbeitszeitmodellen entscheiden, die sowohl Home Office als auch Office-Tage beinhalten. Ich werde zum Beispiel einen Tag pro Woche im Home Office arbeiten, an dem ich nicht an Meetings teilnehme und mich auf verschiedene Tasks fokussiere. Einen zweiten Tag nenne ich «Hands on», an dem ich selbst mit unserem Produkt arbeite, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Die übrigen drei Tage sind meist reine Meeting-Tage, die ich im Office und mit den Teams verbringe.
CW: Wenn ich richtig informiert bin, hat Dynatrace nur einen Vertriebsstandort in der Schweiz. Planen Sie allenfalls ein Entwicklungslabor?
Greifeneder: Wir zählen aktuell elf Entwicklungsstandorte in Europa. Erst vor Kurzem haben wir ein Lab in der Hauptstadt Estlands, in Tallinn, eröffnet. Und dabei soll es nicht bleiben. Ob die Schweiz einen Entwicklungsstandort bekommt, kann ich aber noch nicht sagen. [schmunzelt]
CW: Welche Möglichkeiten sehen Sie, mehr Fachkräfte für Ihr Unternehmen und die Wirtschaft zu gewinnen?
Greifeneder: Wir setzen stark auf Bildung. Schon in der Schule müssen Kinder und Jugendliche mehr für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) interessiert werden. Dafür setzen wir uns landesweit und auch lokal bei den Behörden und der Politik ein. Ausserdem planen wir gemeinsam mit der Stadt Linz die neue Technische Hochschule.
Kurzfristig hilft derzeit noch die interne Weiterbildung und das Anstellen von Expats. Gemeinsam mit der Politik müssen wir jedoch weiter an attraktiveren Bedingungen für internationale Fachkräfte in Österreich arbeiten.
CW: Was motiviert Sie für die Arbeit bei Dynatrace?
Greifeneder: Wenn ich neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstelle, bekomme ich in den Gesprächen häufig die Rückmeldung, dass Dynatrace ein bemerkenswertes Unternehmen sei. Auch werde ich dann oft gefragt, was mich besonders motiviert und stolz macht. Meine Antwort auf diese Frage ist, dass wir mit Dynatrace heute rund 3200 Kunden bedienen. Und so sorgen wir indirekt dafür, dass Hunderte Millionen Endkonsumenten eine angenehme Digital Experience haben.
CW: Sie sind Kaffeeliebhaber und Segler. Was ist das Geheimnis des besten Kaffees der Welt? Und welches ist ihr Geheimtipp für ein gutes Segelrevier?
Greifeneder: [Lacht] Die Kaffeebohne allein ist wichtig, aber nicht entscheidend. Entscheidend ist die Zubereitung, die ich laufend perfektioniere, ähnlich wie die Dynatrace-Teams unsere Software. Wir messen Temperatur, Dampfdruck, Korngrössen des Mahlguts usw. Dann wird der Kaffee anhand eines persönlichen Profils computergesteuert zubereitet. Anfangs war ich selber erstaunt, welch eine Wissenschaft es ist, konstant einen guten Kaffee zu brühen. Aber die Beschäftigung mit dem Thema macht mir grossen Spass und ich bin froh, dass ich mir bei unserem Barista im Engineering Headquarter laufend Tipps holen kann.
Beim Segeln ist es ähnlich: Die Mechanismen der Aerodynamik und der Aquadynamik zu verstehen und zu optimieren, fasziniert mich. Meine Boote foilen [den Rumpf vollständig aus dem Wasser heben, Anmerkung der Redaktion], so dass ich die Bedingungen unter und über Wasser kenne und beherrschen muss. Dafür ist der Attersee ein schönes Segelrevier.
Zur Person und Firma
Bernd Greifeneder treibt als Gründer und CTO die Produktvision von Dynatrace in die Zukunft. Der Informatik-Absolvent der Johannes Kepler Univer­sität Linz hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in Software-F&E-Führungspositio­nen und ist Inhaber von neun Patenten. Immer bereit für das nächste Abenteuer, kombiniert er auch privat Performance mit Technologie, wenn er mit seinem Hydrofoil-Katamaran über das Wasser fliegt.
Dynatrace wurde 2005 als dynaTrace Software in Linz gegründet. 2011 kam es zur Übernahme durch Compuware, die selbst 2014 von der Private-Equity-Firma Thoma Bravo gekauft wurde. Die bisherige Compuware APM Group wurde ausgegliedert und bekam den Namen Dynatrace. Im August 2019 folgte der Börsengang an der New York Stock Exchange. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von über 700 Millionen US-Dollar und beschäftigte an 50 Standorten weltweit rund 3000 Mitarbeiter. www.dynatrace.com




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