Déjà-vu aus der Teppichetage

Nur ein gekürztes Budget ist ein gutes Budget

Also hat sich Hannes im Vorfeld dieser Sitzung dran­gemacht, die Zahlen entsprechend so zu jonglieren, dass sowohl der Controller als auch der Chef seinen Sparwillen sehen und er gleichzeitig nicht die momentan voll ausgelastete Produktion herunterfahren muss. Denn wer weniger ausgibt, ist auch weniger produktiv – obwohl im Moment der Kunde mehr nachfragt, als möglich ist. Auf dem Papier respektive im System sparen ist nicht dasselbe wie weniger Geld ausgeben. Das hat Hannes unterdessen begriffen.
So zählte er einmal einfach alles zusammen, was so oder so anfällt. In erster Linie sind das in der Produktion die Energie- und Personalkosten. An denen kann man ja eigentlich nicht viel ändern. Der administrative Bereich ist im Gesamtkuchen betrachtet in seiner Division eine Marginalie. Plötzlich kommt Hannes auf eine erste Idee: «Wie wäre es, genau darum das Budget aufzuhübschen beziehungsweise mit ersten Sparmassnahmen zu versehen?» Er nimmt sich den kleinsten Budgetposten aus der Administration zur Brust: die Portoauslagen der physischen Post. Die nehmen so oder so ab. Also kürzt er die voraussichtlichen Porto­auslagen um 20 Prozent. «20 Prozent, das macht sich gut», sagt sich Hannes. Der Nominalwert der Einsparung war noch nie entscheidend, aber der Wortlaut überzeugt. Nämlich, dass in der Administration in gewissen Bereichen bis zu 20 Prozent Kosten einzusparen sind. Fürs Erste dürften die Rückfragen «Wo und wie viel eigentlich?» ausbleiben.

Jetzt die grossen Brocken

Dann geht es ans Eingemachte: Hannes holt die Energierechnung und budgetiert den gleichen Betrag. Ist ja klar: Etwas mehr Produktion bei vielleicht etwas günstigeren Energiekosten ergibt den gleichen Wert. Das bringt eine Einsparung pro produziertes Teil von einigen Prozenten – macht sich schon wieder gut! Wobei: Wie er das mit den günstigeren Energiekosten anstellen soll, das weiss er nicht. Doch das kann er locker an die Einkaufsabteilung delegieren, die gefälligst mit dem Stromanbieter neu verhandeln soll. Da ist Hannes fein raus. Hauptsache, er kann das Budget frisieren. Was der andere macht, ist ja nicht sein Problem.
Die Krux bleiben die Personalkosten. Digitalisierung hin, Automation her: Die letzten Jahre zeigten, dass mehr IT und Roboterisierung tendenziell auch mehr Personal­kosten verursachen. «Den Mann an der Maschine» brauchts vielleicht weniger, dafür die teureren IT-Spezialisten, den Pikettdienst, die Notfalleinsätze, die Programmierer und die Ausfallstunden wegen Systempannen. Also ist der nächste Teilschritt klar: Personalkosten runter – bei mehr Aufgaben. Hannes dreht sich im Kreis, bis er den eigent­lichen Dreh raushat. Er unterteilt das Produktionspersonal neu in verschiedene Kategorien. Rund drei Viertel der Belegschaft lässt er in der ordentlichen Kostenstelle. Das bedeutet für die Präsentation beim Controller: Kostenstelle «Produktionspersonal» geht um rund 25 Prozent runter. Da ist ihm der Applaus sicher!

Es geht nur ums Geld

Damit das alles gelingt, schafft Hannes eine neue «vir­tuelle» Abteilung, die es so in der Realität zwar gar nicht gibt, die aber immerhin im System existiert. Das bringt gleich auch noch den positiven Effekt einer neuen Kostenstelle mit sich. Und neue Kostenstellen werden nicht vom Sparhammer gedemütigt, da keine Vorjahresvergleiche möglich sind. Gesagt, getan. «Security & Safe» ist geboren. Hannes «verlagert» rund einen Viertel seiner Mitarbeitenden formell dahin, um zu zeigen, dass im Moment nichts wichtiger ist als «Sicherheit und Schutz» im und am Unternehmen. Hier sind Investitionen heutzutage möglich – wie es vor Jahren en vogue war, ins Marketing zu investieren.
Niemand stellt heuer infrage, dass Sicherheit ein zentrales Argument ist. Was dann schlussendlich unter Sicherheit verstanden wird und was da eigentlich tatsächlich und konkret gemacht werden würde, wenn man es täte, ist ja nicht Gegenstand der laufenden Finanzdiskussionen. Hier gehts nur ums Geld. Und so findet Hannes doch noch den einen oder anderen Weg, um einmal mehr als Sparmeister hervorragend dazustehen und gleichzeitig keinen Rappen weniger auszugeben.
Bei Hannes tut sich gerade was: Er beginnt allmählich dermassen fest an das System zu glauben, dass er das identische Konzept auch bei sich zu Hause umsetzen möchte. Nur seine Frau kauft ihm einmal mehr seine geniale Idee nicht ab. Tja, the same procedure …
Der Autor
Stefan Häseli
ist Experte für Kommunikation. www.stefan-haeseli.com


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