Einkaufen via Sprachsteuerung 03.04.2018, 10:34 Uhr

Voice Commerce: O.K. Google kauf Milch!

Sprachgesteuerte Assistenten von Amazon, Apple, Google und anderen erobern die Haushalte. Noch sind Shopping-Funktionen rar, doch das könnte sich bald ändern.
(Quelle: shutterstock.com/Panuwat Phimpha)
Beim Mobile World Congress in Barcelona erhielten Lautsprecher mit integrierter Sprachassistentin viel Aufmerksamkeit. Samsung hat beispielsweise für die zweite Jahreshälfte 2018 einen smarten Lautsprecher mit seinem Sprachassistenten Bixby angekündigt. Das bedeutet, dass die Sprachsteuerung von den Smartphones künftig in andere Geräte «wandert». Auch Facebook soll sprachgesteuerte Lautsprecher mit Display planen.
Apples Siri, Microsofts Cortana, Amazons Alexa und Googles Voice Search ­gewöhnen Verbraucher daran, mit Geräten über die natürliche Sprache zu kommunizieren. Schnell eine Frage zu stellen, ist häufig viel einfacher, als einen Browser zu öffnen, auf eine Suchseite zu gehen und dort eine Frage einzutippen.
Google veröffentlicht zwar keine Zahlen dazu, welchen Anteil Anfragen per Sprache an der ­Google-Suche haben. Experten gehen ­jedoch davon aus, dass Sprachsuche schnell wächst. Die Verbreitung von Lautsprechersystemen wie Amazon Echo oder Google Home dürfte dazu beitragen.
Der neue smarte Speaker der Deutschen Telekom
Quelle: Deutsche Telekom
Was bedeutet es für Online Shops oder für den stationären Handel, wenn sich Verbraucher daran gewöhnen, per Sprache mit intelligenten Geräten in ihrer Umgebung zu interagieren? Schon heute hat mehr als jeder zweite Internet-Nutzer (56 Prozent) schon einmal einen Sprach­assistenten verwendet, wie eine Umfrage des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) ergab. 80 Prozent der Befragten äussern zwar auch die Befürchtung, dass die vernetzten Geräte, die ja permanent lauschen, Dritten beim Abhören helfen oder dem Datenmissbrauch Tür und Tor öffnen.

Google Assistant nimmt auch Bestellungen entgegen

Doch selbst wenn sich die smarten Lautsprecher im privaten Umfeld nur langsam verbreiten sollten, steht die Technologie der Sprach­erkennung bereit und wird langfristig in vielen Geräten Einzug halten. So verfügt beispielsweise der Google Assistant in Google Home, dem vernetzten Lautsprecher von Google, seit Februar 2017 über eine «Shopping»-Funktion: In den USA können Verbraucher über den Sprachbefehl «O.K. Google, ­bestelle ...» Produkte bei Einzelhändlern ordern, die am Lieferprogramm «Google Express» teilnehmen.
So abwegig ist der Gedanke also nicht, per Sprachsteuerung auch einzukaufen. Zumal eine der «Actions on Google», mit der Entwickler Anwendungen für den Google ­Assistant entwerfen können, «Trans­actions» - also Einkäufe - sind. Die Bestelleingabe über natürliche Sprache erfolge geschmeidiger als die über eine Webseite oder mobile App, wirbt Google auf den Entwickler-Webseiten für diese Funk­tion.
Auch bei den "Alexa Skills", den ­Anwendungen für die Sprach­eingabe bei den Amazon-Echo-Geräten, gibt es die Kategorie "Shopping". Noch geht es bei den deutschen Angeboten in dieser Kategorie nur um Preisabfragen, Öffnungszeiten oder Produktinfos, nicht um Transaktionen.
Aktuell werden Sprachassistenten vorwiegend dazu genutzt, allgemeine Informa­tionen aus dem Internet einzuholen. In Online-Lexika gespeichertes Wissen, der Wetterbericht und Nachrichten lassen sich heute über Amazons-Echo-Produkte oder Googles Voice Search relativ gut abrufen. Sprachassistenten auch für den Online-Einkauf zu nutzen, finden nur 12 Prozent der vom BVDW Befragten interessant.

Voice Commerce ist noch ganz am Anfang

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Quelle: Apple
Das dürfte auch daran liegen, dass entsprechende Angebote noch Mangelware sind. Michael Baurschmid, Manager bei der E-Commerce-Beratung Tailorit, weist darauf hin, dass sprachgesteuerte E-Commerce-Verkäufe noch selten sind. "Wir stehen erst am Anfang der Möglichkeiten", betont er. Matthias Heimbeck, Geschäftsführer von Findologic, einem Software-Anbieter für die Suche in Online Shops, bestätigt, dass über die Sprachsuche aktuell kaum Produkte verkauft werden.
Bei der Produktsuche per Spracheingabe wird es darauf ankommen, wie Shops ­beziehungsweise auch die Plattform-­Betreiber wie Amazon oder Google die Suchergebnisse präsentieren. Bei einem klar identifizierbaren Produkt, wie einem Buch, bei dem Titel und Autor bekannt sind, kann direkt das passende Produkt vorgeschlagen und gekauft werden. Doch was ist mit Produkten, bei denen aus mehreren Varianten ausgewählt werden kann? "Alle Titel vorzulesen, dauert zu lange und wird von Usern als lästig empfunden", meint Findologic-Chef Heimbeck. "Hier ist eine visuelle Darstellung viel effizienter, da ein User übers Auge mehrere Informationen gleichzeitig verarbeiten kann, über das Ohr aber nur linear."
Da Amazon mit dem Echo Show - und ­sicherlich bald auch ­andere Anbieter - Sprachassistenten mit einem Bildschirm anbieten werden, werden die Assistenten Antworten auf eine Frage künftig wahrscheinlich ­sowohl mit Bildern als auch mit Sprachausgabe geben.

Convenience-Produkte eignen sich für sprachgesteuerten Einkauf

Bei Convenience-Produkten, die über einen minimalen Dialog ausgewählt werden, funktioniert der Vertrieb über Sprachsteuerung momentan noch am ­besten, schätzt Markus Schindler, Head of Sales und Marketing bei Hurra.com, einer Agentur für Suchmaschinenmarketing. "Bei generischen Suchbegriffen wie 'Abendkleid‘ oder 'Hose‘ fehlt nicht nur dem Nutzer noch ein Bild im Kopf, sondern dem Anbieter eine Menge Daten, um aus der Fülle der Angebote kundenspezifisch vorauszuwählen", schränkt er ein.
Eine grosse Hürde ist, dass die Sprach­assistenten heute noch relativ wenig können. Kein Sprachassistent versteht immer, was der Nutzer gerade von ihm wissen möchte. Angela Bischoff, Senior Manager im Bereich E-Commerce bei Arvato Systems, meint, dass Sprachassistenten zwar Suchwörter erkennen und dazu entsprechende Suchergebnisse liefern können, sie können jedoch nicht den Kontext interpretieren und die Absicht hinter der Suche erkennen. "Das wird vermutlich eine grössere Hürde darstellen als das rein akustische, phonetische Verstehen", erklärt sie.
Noch kann Samsungs Bixby kein Deutsch
Quelle: Samsung
Nichtsdestotrotz denken Suchmaschinen- und Digital-Commerce-Experten darüber nach, welche Auswirkungen die Sprachsteuerung auf die Shops von morgen haben werden. Mathias Sieg von UDG United Digital Group empfiehlt, die Produkttexte so zu strukturieren, dass das ­Alleinstellungsmerkmal und die wichtigsten Informationen ganz am Anfang stehen. Diese sollten so formuliert sein, dass sie als Antworten auf Fragen dienen können und eine Länge haben, die sich auch gesprochen gut verstehen lässt.
Schindler von Hurra.com geht davon aus, dass die Sprachsuche neue Anforderungen an Produkttexte, Keyword-Kampagnen und die interne Suchlogik stellen wird: "Die Inhalte müssen in gewisser Weise Antworten auf die antizipierten Fragen der Nutzer bieten. Hier sind die meisten Online Shops noch dabei zu lernen." Die Möglichkeit, Sucheingaben mit ­Autovervollständigung zu unterstützen, entfällt bei der Suche per Sprachsteuerung. Das bedeutet, dass die Verschlagwortung der Produkte detaillierter werden muss.

Erste Experimente mit der Sprachsteuerung

Erste Händler experimentieren mit der Interaktion per Sprache. So hat der Auktionssender 1-2-3.tv gerade eine Alexa Skill für Amazon-Echo-Geräte veröffentlicht. Kundinnen des Auktionssenders können diese Alexa Skill mit ihrem Konto verknüpfen und darüber ein Gebot abgeben oder kaufen.
Im Online Shop Rewe.de hilft beispielsweise die Assistentin Caro bei der Rezeptsuche. Erreicht wird Caro über den Google Assistant, die Sprachsteuerung von Google. nach einer Aufforderung wie "Hey Google, frag Rewe nach einem Blumenkohl-Rezept" begleitet Caro die Nutzer von der Rezeptsuche bis zur Zubereitung.
Das erste Feedback der User war Rewe zufolge positiv. So kochten in den ersten Wochen nach dem Launch bereits rund 5.000 Nutzer mit Caro und tauschten mit ihr mehr als 17.000 Nachrichten aus.
Die nächsten Schritte sind laut Christoph Eltze, Vorsitzender der Geschäftsführung der Rewe Digital GmbH, die Optimierung der Nutzerführung sowie die Verbindung von Online und Offline. Angedacht ist zum Beispiel die Suche nach Informationen zum nächstgelegenen Rewe-Markt. Da scheint es naheliegend, irgendwann auch die Zutaten per Sprach­eingabe zu ­bestellen.
Auch wenn es heute noch ungewohnt und seltsam erscheint, Sprachbefehle an Geräte in unserer Umgebung laut auszusprechen, wird es in einigen Jahren wahrscheinlich so selbstverständlich sein, wie ein Gerät über die Berührung und Bewegungen auf dem Bildschirm zu bedienen. Auch das war vor elf Jahren, vor dem Siegeszug des iPhone, schwer vorstellbar.

Systeme für Shopping noch nicht ausgereift

Im Interview verortet Peter Gentsch die Commerce-Relevanz von digitalen Sprachassistenten. Gentsch ist Partner bei der Digital-Agentur Diva-e sowie Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Betriebswirtschaftslehre an der HTW Aalen.


Wie werden sich die Sprachsuche und die Interaktion per Sprache auf den digitalen Handel auswirken?
Peter Gentsch: Der mobile Handel wird immer relevanter, die Nutzer können heute überall nach Produkten suchen. Da es bequem ist, nutzen sie dafür immer stärker die Sprachsuche. Laut Google erfolgen heute schon mehr als 20 Prozent der Suchanfragen sprachbasiert. Allerdings bin ich der Auffassung, dass das Thema stark überschätzt wird. Die Systeme sind für ein konsistentes Shopping-Erlebnis noch nicht ausgereift. Zwar sind Siri, Alexa und Co. innerhalb der letzten Jahre deutlich besser geworden. Sie können problemlos Wörter, jedoch keinen Kontext erkennen. In Online Shops gibt es aber so viele unterschiedliche Produkte in einer Vielzahl an Varianten, dass die sprachbasierte Suche noch nicht reif genug ist, um diesen Facettenreichtum abbilden zu können.

Wie und wo nutzen Online Shops schon heute die Sprachsuche?
Gentsch: Bisher ist mir kein einziger Shop bekannt, der den Verkaufsprozess mittels Sprachsuche aktiv ­gestaltet.

Sollten sich Online Shops darauf vorbereiten, dass Verbraucher künftig häufiger per Spracheingabe nach ­Angeboten suchen werden?
Gentsch: Der Online-Handel muss sich darauf vorbereiten, gefunden zu werden. Ich würde das als eine Art "Bot Engine Optimization" bezeichnen. Wenn der Nutzer seinen persönlichen Assistenten nach einem Fernsehhändler in der Nähe fragt, präsentiert dieser ausschliesslich ein Such­ergebnis. Darin liegt der wesentliche Unterschied zur Suchmaschine, die dem Nutzer mehrere Treffer zur Verfügung stellt. Es ist also notwendig, sich auch darauf einzustellen.



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