Telekommunikation 04.02.2022, 15:05 Uhr

Swisscom-Kompromiss im Glasfaserstreit schlechter als Direktleitung

Im Glasfaserstreit stossen die Kompromissvorschläge von Swisscom auf taube Ohren bei der Konkurrenz. Auch Telekom-Experten finden die vorgeschlagenen Lösungen schlechter als direkte Glasfaserleitungen in Wohnungen und Büros.
Verlegung von Glasfaserkabeln in der Schweiz
(Quelle: Swisscom)
Die Kompromissangebote der Swisscom im Glasfaserstreit stossen auf wenig Begeisterung. Nach Ansicht von Telekomexperten sind sie schlechter als Direktleitungen in die Wohnungen der Endkunden. Nur mit einer Direktverbindung könne man dem Kunden die volle Leistung einer Glasfaser bieten. 
Dies gehe mit der von der Swisscom aktuell gewählten neuen Architektur für den Ausbau der Glasfasernetze nicht, sagt die Telekomexpertin Cara Schwarz-Schilling vom deutschen Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste WIK im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. 
Swisscom will bekanntlich die Zahl der Glasfaseranschlüsse bis 2025 von einem Drittel der Haushalte und Geschäfte auf rund 60 Prozent erhöhen. Dabei legt sie nur noch eine Zuleitung von der Telefonzentrale bis zum Strassenschacht. Dies sei wesentlich billiger und schneller als das bisherige Ausbaumodell mit vier Fasern, argumentiert der «Blaue Riese». 
Das stösst auf Widerstand: Nach einer Klage des Winterthurer Telekomanbieters Init7 stoppte die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) mit vorsorglichen Massnahmen den Ausbau, weil die Swisscom dadurch den Wettbewerb verunmögliche. Rekurse der Swisscom vor Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht blitzten ab. 

Virtueller Zugang ist beschränkt 

Um den Streit beizulegen, unterbreitete die Swisscom der Weko Ende Dezember einen Lösungsvorschlag mit einem virtuellen Zugang auf Layer 2 des Glasfasernetzes (V-ALO). 
Bisher hatte die Swisscom den Wettbewerbern eine direkte einzelne Glasfaser vom Endkunden bis in die Telefonzentralen der Swisscom bereitgestellt. Bei einem solchen Layer-1-Produkt stellen die Konkurrenten ihre eigenen technischen Anlagen in die Telefonzentralen der Swisscom und schliessen sie ohne Zwischensysteme an diese Fasern an. Damit können sie eigene Angebote lancieren, die sich von den Produkten der Marktführerin abheben. 
Bei einem virtuellen Zugang auf Layer 2 geht das nicht: Hier sind die Konkurrenten auf die Vorleistungen der dazwischengeschalteten Swisscom-Technik angewiesen. Sie können damit nicht höhere Surfgeschwindigkeiten als die Swisscom anbieten. 
Wenn die Swisscom als Vorleistung nur eine Geschwindigkeit von 300 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) verkaufe, könnten die Wettbewerber auch nur 300 Mbit/s verkaufen. Damit seien die Konkurrenten nicht frei in ihrer Produktgestaltung, sagt Schwarz-Schilling vom WIK. 

Ohne Regulierung geht es nicht 

Das Gleiche gelte für die Farbentbündelung (C-ALO) auf Glasfasern, die auch als Kompromissvorschlag zur Lösung des Glasfaserstreits ins Spiel gebracht worden war. Es könnten nur sehr wenige Farben entbündelt werden, sagten die WIK-Expertin. Und die Konkurrenten müssten immer das Vorleistungsprodukt der Swisscom (im Branchenjargon Bitstrom genannt) nutzen.
Zudem gehe das nicht ohne Regulierung. Denn es müssten sehr viele technische Parameter festgelegt werden. Der Bitstrom sei in Bezug auf die Produktgestaltungsfreiheit des Wettbewerbs immer schlechter als die physische Entbündelung, also der Direktzugang über eine Leitung, sagt die WIK-Expertin. 

Kein gleichwertiger Ersatz 

Damit kommt die WIK-Expertin zum gleichen Schluss wie das Bundesverwaltungsgericht. Dieses schrieb in seinem Urteil, dass die Farbentbündelung aus verschiedenen Gründen kein gleichwertiges Produkt sei wie ein Layer 1-Produkt. Die übrigen Fernmeldeunternehmen seien daher nicht in der Lage, ihre Fernmeldeprodukte eigenständig zu definieren und zu konfigurieren sowie gegenüber den Endkunden anzubieten, urteilte das Gericht. 
Zudem könnten bei der Farbentbündelung maximal vier Telekomunternehmen profitieren. Und es sei davon auszugehen, dass nur grosse, finanzkräftige Telekomunternehmen mit einem entsprechendem Kundenstamm in allen Swisscom-Telefonzentralen Farbspektren anmieten könnten, hiess es im Gerichtsurteil. Gemeint ist Salt, das eine Glasfaserpartnerschaft mit der Swisscom abgeschlossen hat. Kleinere Anbieter wären ausgeschlossen, urteilte das Gericht. 
Auch Swisscom-Technikchef Christoph Aeschlimann hatte vor einem Monat eingestanden, dass der virtuelle Zugang nicht ganz dem physischen gleichzusetzen sei. 

Neues Monopol 

Die neue Architektur für den Glasfasernetzausbau mit nur einer Zuleitung von der Telefonzentrale bis zum Strassenschacht generiere ein neues Monopol. "Monopole behindern immer den Wettbewerb", sagt die Telekomexpertin Schwarz-Schilling. 
In der Angelegenheit laufen Gespräche zwischen der Swisscom und der Weko, um einen Ausweg aus dem Glasfaserstreit zu finden.



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