Start-up-Check 02.06.2021, 13:20 Uhr

Adresta: Digitaler Safe für Luxusuhren

Mit der Adresta-App lassen sich digitale Zwillinge von Luxusuhren erstellen. Das gleichnamige Zürcher Start-up will so für mehr Vertrauen und Transparenz in der Uhrenbranche sorgen.
Leonie Flückiger, Mathew Chittazhathu und Nicolas Borgeaud wollen mit ihren Produkten frischen Wind in die Uhrenbranche bringen
(Quelle: Adresta)
Wenn es um Luxusgüter geht, spielt Vertrauen eine grosse Rolle. Egal ob Oldtimer, Gemälde oder Armbanduhr: Wer viel Geld für ein Objekt ausgibt, will sicher sein können, dass es auch wirklich echt ist. Dazu machten sich auch Mathew Chittazhathu und Nicolas Borgeaud Gedanken. Im Rahmen des Helvetia-Kickbox-Programms beschäftigten sich die beiden mit der Frage, wie man im Second-Hand-Verkauf die Echtheit von Luxusgütern, speziell jene von Luxusuhren, inklusive ihrer gesamten Geschichte belegen, sichtbar machen und interessierten Käufern kommunizieren kann.
Mit ihrer Fragestellung wandte sich das Duo an die studentische IT-Beratungsfirma ETH Juniors, von der sie Leonie Flückiger ins Boot holten. Mit ihr wurde das Produkt entwickelt, im Dezember 2019 aus der Helvetia Versicherung ausgegründet und schliesslich mit dem offiziellen ETH-Spin-off-Label ausgestattet. Mit Adresta, wie das Start-up getauft wurde, wollen sie nun in der Uhrenbranche für mehr Vertrauen und Transparenz sorgen. Im April brachte das Team die gleichnamige Smartphone-App an den Start. Seither ist sie für Android-Geräte und iPhones verfügbar.
Mit der App von Adres­ta haben Besitzerinnen und Besitzer alle relevanten Infos zu ihren Uhren zur Hand
Quelle: Adresta
Laut Flückiger ist die Lösung einerseits für Besitzerinnen und Besitzer konzipiert: «Unser Angebot richtet sich an Menschen, die ihre echten Uhren lieben und nach digitalem Komfort suchen», sagt die Mitgründerin und CTO von Adres­ta. Sie können mit der App ihren Zeitmesser erfassen und einen digitalen Zwilling erstellen. Dieser lässt sich mit Bildern und Dokumenten, beispielsweise der Quittung, sowie Ereignissen, wie einem Service, ergänzen. Beim Verkauf soll der digitale Zwilling dann sowohl den Zustand als auch die lückenlose Geschichte der Uhr beweisen und wird gleich an die neue Besitzerin oder den neuen Besitzer übergeben. Ausserdem kann man via App auch Wunsch- und Warte­listen anlegen oder News aus der Welt der Uhren erhalten.

Wie beim Serviceheft eines Autos

Zentral ist im ganzen Prozess die Zertifizierung der Uhren. Und die läuft, wie Flückiger erklärt, auf zwei Arten ab. Handelt es sich um eine bestehende Uhr, erfassen die Besitzer diese in der App und lassen sie bei der nächsten Gelegenheit – etwa beim Service oder vor dem Weiterverkauf – bei einem zertifizierten Fachhändler prüfen. «Für neue Uhren beginnt der Zertifizierungsprozess idealerweise bereits beim Hersteller, der alle Uhrendaten digital erfasst.» Anschliessend gelange die Uhr zu Distributoren oder Fachhändlern, welche die Annahme digital protokollieren.
Beim Verkauf werde der rechtmässige Besitzer verschlüsselt registriert und erhalte so persönlichen Zugriff auf alle relevanten Informationen. «Die digitale Geschichte wächst und wird bei jeder Station anhand der optisch sichtbaren Se­riennummer abgeglichen – beispielsweise im Service für eine Bandanpassung oder für den Weiterverkauf. Wie beim Serviceheft eines Autos werden die Updates nachvollziehbar erfasst», umreisst die Technikchefin des Start-ups den Prozess. Damit die digitalen Zertifikate auch wirklich unveränderbar und fälschungssicher sind, speichert Adresta die Daten dezentral auf der Blockchain ab.

Wichtiges Partnernetzwerk

Nebst den Besitzerinnen und Besitzern will Adresta mit seiner Lösung auch Hersteller und Fachhändler ansprechen. Für sie programmierte das Team eine Web-Lösung, damit sie die digitalen Zertifikate erstellen können. Den Angaben zufolge lässt sich diese eigenständig verwenden oder auch in vorhandene Systeme integrieren. Gemäss Flückiger spricht das Start-up insbesondere Uhrenhersteller an, die ihre Community entlang des Produktzyklus digital begleiten möchten – etwa mit Erinnerungen zum Service, Fakten zur Uhr oder News-Benachrichtigungen für die Community. «So verbinden wir ihre bestehenden Prozesse mit Emotionen und der Markengeschichte, die der Besitzer digital mit­erleben kann.» Der Hersteller erhalte im Gegenzug Performance-Werte, sehe Infos zum Service und erkenne dadurch früh fehlerhafte Linien oder Prozesse.
Seitens Adresta zeigt man sich überzeugt, dass auch Juweliere von der Lösung profitieren können, indem sie die Uhren beim Service für den Besitzer und beim Verkauf für den Markt von gebrauchten Uhren mit Echtheitszertifikat (Certified Pre-Owned, CPO) zertifizieren. Damit könnten sie ihren eigenen Umsatz steigern und neue Kommunikationsmöglichkeiten für ihre Kundenpflege erschliessen. «Unsere Lösung lässt sich leicht in bestehende Prozesse integrieren und das gibt Juwelieren den digitalen Aufwind, den sie jetzt gut brauchen können», wirbt Flückiger.
Auf die Hersteller und Händler aus der Branche will sich das Start-up laut der Technikchefin vorerst nun auch fokussieren. Die eigene Vision sei schon «mit einer Vielzahl von Schweizer Uhrenherstellern» diskutiert worden. Allerdings könne man sich auch vorstellen, dereinst weitere Bereiche anzugehen, beispielsweise die Schmuckindustrie. Im Luxusgütermarkt sei jedoch die Tendenz zu beobachten, dass Firmen auf etablierte Lösungen setzen. Für Adresta gilt es deshalb, den Einstieg zu finden. Bewerkstelligen will dies das Team mit Partnerschaften. So integrierte die Helvetia ihre Wertsachenversicherung für Uhren direkt in der Adres­ta-App. Userinnen und User können so direkt den gewünschten Versicherungsschutz buchen. Denkbar sind aus Flückigers Sicht auch Kooperationen mit Banken, der Polizei oder dem Zoll. Unter dem Strich sollen sie vor allem «dem Endkonsumenten den grösstmöglichen Vorteil bieten».

Von Uhren-Fans getestet

Damit auch die App den Kunden den gewünschten Nutzen bringt, wurde sie vor dem offiziellen Start von Uhren-Fans auf Herz und Nieren geprüft – über ein Jahr hinweg zunächst mit zehn Sammlern und Enthusiasten. «Nachdem deren Rückmeldungen in unsere App integriert waren, erweiterten wir die Beta-App-Test-Community auf 50 Personen und hörten über sechs Monate lang auf deren Wünsche und Feedbacks», sagt Flückiger.
Als interessante Ergänzung habe sich etwa eine Community-Funktion herausgestellt. Nutzer der Adresta-App können zwar auf Wunsch schon jetzt ihre Daten mit der jeweiligen Marke oder den Serviceprovidern teilen sowie ihre Sammlung unter einem Pseudonym öffentlich machen. Vorgesehen sei aber nun vielmehr ein Ort, wo sich Enthusiastinnen und Enthusiasten austauschen, zu Gruppen zusammenkommen und auf Uhren von Freunden reagieren können. Ein solches Feature arbeitet Adresta derzeit intern aus. Zu Beginn des dritten Quartals will das Start-up dieses voraussichtlich lancieren.
Zur Firma
Adresta
wurde 2019 von Leonie Flückiger (CTO), Mathew Chittazhathu (CEO) und Nicolas Borgeaud (COO) gegründet. Das Start-up erstellt digitale Zertifikate für Luxusuhren. Sie werden auf einer Web-Applikation gespeichert und bilden deren Geschichte ab – vom Hersteller über den Service und die Reparatur bis hin zum Gebrauchtverkauf. Zu Hause ist Adresta im Zürcher Technopark.



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