Bitcoin, Ethereum & Co. 25.05.2021, 05:43 Uhr

Wie die Schweiz vom Krypto-Boom profitiert

Erst noch belächelt, jetzt in aller Munde: Kryptowährungen haben einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Doch was bedeutet der Boom von Bitcoin, Ethereum & Co. für die Schweiz? Und wie kann sie von der Blockchain profitieren? Wir haben im Schweizer Markt nachgefragt.
Die ganze Schweiz entwickelt sich allmählich zur Kryptonation. Doch die Stadt Zug gilt nach wie vor als Epizentrum des Crypto Valley
(Quelle: Peter Wormstetter/Unsplash)
Der Markt für Kryptowährungen ist regelrecht explodiert. Das zeigt ein Blick auf die Digitalwährung Bitcoin, die rund 50 Prozent des Gesamtmarkts für Kryptowährungen ausmacht. Ende Juli 2020 war 1 Bitcoin noch 10'000 Franken wert. Im Dezember waren es bereits 20'000 Franken. Im Februar 2021 kletterte der Kurs auf über 50'000 Franken. Der Preis hat sich seit Anfang Jahr mehr als verdoppelt. Und viele alternative Kryptowährungen – sogenannte Altcoins – wuchsen im gleichen Zeitraum sogar noch stärker. Nun fragen Sie sich bestimmt: Sind Kryptowährungen bloss ein Hype, der wieder verschwinden wird, oder steckt doch mehr dahinter?

Bitcoin könnte den Franken überflügeln

Der Kryptomarkt ist zuletzt so stark gewachsen, dass Bitcoin laut der Branchenplattform Coinmarketcap bereits auf Platz 14 der grössten Währungen der Welt ist. Bitcoin liegt im Ranking vor dem russischen Rubel (Platz 15), dem thailändischen Baht (Platz 16) und dem mexikanischen Peso (Platz 17). Der Schweizer Franken belegt Platz 13 der Rangliste und ist damit nur noch knapp vor Bitcoin klassiert.
«Entscheidend ist, dass die Anzahl Bitcoin auf 21 Millionen begrenzt ist», sagt Reto Stiffler, Partner und Mitgründer von Crypto Consulting. Die Zürcher Firma vertreibt einen aktiv verwalteten Krypto-Fonds. Im Gegensatz zur Geldmenge des Schweizer Frankens, die sich jedes Jahr massiv erhöhe, sei Bitcoin ein knappes Gut. Die expansive Geldpolitik werde auch in den nächsten Jahren weitergehen, prognostiziert Stiffler. Denn wenn die Notenbank die Geldmenge reduziere, komme die nächste Krise.
Stiffler gelang im Mai 2020 ein Kunststück, das eigentlich fast unmöglich ist: Er sagte den Bitcoin-Kurs bis Ende 2020 korrekt voraus. «Da wir davon ausgehen, dass Bitcoin erst bei rund 5 Prozent Adaption liegt, dürfte die Nachfrage nach Bitcoin stärker steigen als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz», sagt Stiffler. Er rechnet damit, dass die Marktkapitalisierung von Bitcoin in Kürze die des Schweizer Frankens übertreffen wird.

Blockchain als Wettbewerbsvorteil

Was würde das für die Schweizer Volkswirtschaft bedeuten? «Das hätte keinen direkten Einfluss auf die Schweiz», sagt Raffael Huber, Head of Research des Zuger Finanzdienstleisters Bitcoin Suisse. Viel wichtiger sei, dass die Schweiz gegenüber der Blockchain-Technologie offen bleibe. Sie kann laut Huber nämlich vielerorts die Effizienz steigern, etwa im Bereich der Settlements von Finanztransaktionen. Gelinge es der Schweiz, diese Vorteile zu nutzen, werde sie sich im Vergleich zu anderen Ländern weiter stärken. Das zeige auch der Erfolg des Crypto Valley in Zug, in dem Blockchain-Start-ups zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.
Die Bank Cler, die bis Ende 2021 Produkte für den Handel und die Verwahrung von Bitcoin und Ethereum anbieten will, bezeichnet die Schweiz gar als globale Vorreiterin der Branche. Als historisches Bankenland mit den Innovationsschmieden ETH und EPFL sei die Schweiz der ideale Ort für Innovation auf Blockchain-Basis, heisst es auf Anfrage.
“Die Marktkapitalisierung von Bitcoin dürfte in Kürze die des Schweizer Frankens übertreffen„
Reto Stiffler, Crypto Consulting
«Fintechs sind eine ernsthafte Konkurrenz für die Grossbanken», sagt auch Stiffler. Die Banken müssten immer mehr Risiken eingehen, weil ihnen die Erträge dahinschmelzen. Die Schweizer Volkswirtschaft hänge aber stark vom Finanzsektor ab. Darum ist es ihm zufolge umso wichtiger, dass die Schweiz bei Blockchain- und Kryptotechnologien eine führende Rolle einnimmt.

DLT-Gesetz zündet nächste Phase

Im Februar 2021 ist der erste Teil des «Bundesgesetzes über die Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register» in Kraft getreten. Das Gesetz, das sich um Distributed-Ledger-Technologien (DLT) dreht, wird auch DLT-Gesetz genannt. Es liefert die gesetzliche Grundlage, um das Potenzial der Asset-Tokenisierung in der Schweiz auszuschöpfen – also der digitalen Abbildung von Vermögenswerten. Das sei ein grosser Schritt nach vorn, sagt Gunilla Zedigh, Managerin bei Crypto Finance. Die Zuger Firma, die auf Handel und Verwahrung digitaler Anlagen spezialisiert ist, vergleicht den Krypto-Boom mit dem Aufkommen des Internets. Die Branche schaffe viele Arbeitsplätze und der Schweizer Finanzsektor komme gar nicht mehr darum herum, sich mit der Blockchain auseinanderzusetzen, sagt Zedigh. Die Schweiz habe nun die einmalige Chance, sich international als Tokenisierungs- und Custody-Hauptstadt zu etablieren. Trotzdem ist Zedigh der Meinung, dass es noch viel Aufklärung und Zeit brauche, bis digitale Währungen eine breite Akzeptanz geniessen.
Swissquote sagt auf Anfrage, dass man im März 2021 rund 1,8 Milliarden Franken an Kundenvermögen in Kryptowährungen aufbewahrt habe. Und seitens der Bank Cler heisst es: «Ein Portfolio ohne Bitcoin ist risikoreicher als ein Portfolio mit Bitcoin.» Selbst verzichte man allerdings auf eigene Handels- und Anlageaktivitäten im Markt. Wobei auch hier gelte: Never say never again!

Die Branche kämpft um Akzeptanz

Als vergleichsweise junge Anlageklasse seien Vorbehalte gegenüber Kryptowährungen verständlich, sagt Huber von Bitcoin Suisse. Trotzdem hätten sich diese bereits etabliert. Auch weil in den letzten Monaten viele institutionelle Anleger in den Markt eingetreten sind. Und das Angebot traditioneller Finanzunternehmen im Bereich Krypto sei stark gewachsen. Laut Huber braucht der Umgang mit Kryptowährungen allerdings ein anderes Know-how als jener mit Aktien oder Anleihen und basiert auf einer anderen Infrastruktur. Die Integrationen und die Akzeptanz benötigten zudem Zeit, erläutert Huber.
“Es ist wichtig, dass wir bei der Bezahlung von Steuerschulden mit Bitcoin oder Ether kein Risiko eingehen und den Betrag in Schweizer Franken erhalten.„
Heinz Tännler, Kanton Zug
Stiffler von Crypto Consulting zeigt sich jedoch überzeugt, dass der erste Schritt getan ist. Die Kryptobörse Coinbase ist seit Mitte April mit einer Marktkapitalisierung von 60 Milliarden US-Dollar an der Nasdaq gelistet. Und es werde noch viele weitere Börsengänge geben von Unternehmen, die auf die Blockchain-Technologie setzen. Auch die Notenbanken experimentieren bereits mit eigenen Kryptowährungen. «Es ist gut möglich, dass es in fünf Jahren einen Schweizer Franken auf der Blockchain geben wird», sagt Stiffler. So werde der Zugang zu Krypto stark vereinfacht.

Kaum jemand zahlt Steuern mit Bitcoin

Wie sieht es mit dem Einsatz von Kryptowährungen im Alltag aus? Ein Beispiel dafür ist der Kanton Zug, der für die Begleichung von Steuerschulden seit Anfang 2021 auch Bitcoin und Ether akzeptiert. Die Steuerverwaltung sei bisher rund 20-mal um die Übermittlung eines dafür nötigen QR-Codes gebeten worden, erklärt Heinz Tännler von der Finanzdirektion. Bisher seien so zehn Zahlungen mit einem Gesamtbetrag von rund 70 000 Franken eingegangen. Bei den anderen zehn Anfragen sei die Abwicklung der Zahlung noch pendent oder die Kundschaft habe es sich nach dem Erhalt des QR-Codes anders überlegt. Der Kanton erhalte regelmässig Anfragen von Steuerpflichtigen zur korrekten Deklaration von Kryptowährungen in der Steuererklärung.
In der Anlagestrategie des Kantons sind Kryptowährungen gemäss Tännler allerdings nicht zugelassen. «Bei uns gilt der Grundsatz Kapitalerhalt vor Rendite.» Die Kursschwankungen bei Krypto seien gross und mögliche Verluste dem Steuerzahler nur schwer zu erklären. «Es ist wichtig, dass wir bei der Bezahlung von Steuerschulden mit Bitcoin oder Ether kein Risiko eingehen und den Betrag in Schweizer Franken erhalten», sagt der Zuger Finanzdirektor. Um das zu bewerkstelligen, arbeitet der Kanton mit Bitcoin Suisse zusammen.

200 KryptoZahlungen pro Woche

Auch Digitec Galaxus akzeptiert inzwischen Kryptowährungen. Kundinnen und Kunden können mit Bitcoin, Bitcoin Cash ABC, Bitcoin Cash SV, Ethereum, Ripple (XRP), Binance Coin, Litecoin, Tron, Neo oder OmiseGO bezahlen. «Jetzt zähle ich natürlich darauf, dass all die Schweizer Kryptomillionäre bei uns einkaufen», sagte der CIO und Mitgründer Oliver Herren anlässlich der Ankündigung im März 2019. Wird das Unternehmen bald noch mehr Kryptowährungen akzeptieren? Das hänge davon ab, ob der gewählte Zahlungsdienstleister weitere digitale Währungen implementieren werde oder nicht, heisst es bei der Migros-Tochter auf Anfrage. Digitec Galaxus kooperiert für die Abwicklung der Kryptozahlungen mit dem dänischen Start-up Coinify.
Beim Online-Händler Digitec Galaxus steht beim Check-out die Zahlungsoption «Kryptowährungen» zur Wahl
Quelle: Digitec Galaxus
«Aktuell werden bei uns im Schnitt rund 200 Bestellungen pro Woche mit Kryptowährungen bezahlt – Tendenz steigend», teilt der Mediensprecher Stephan Kurmann mit. Ein Grossteil davon passiere mit Bitcoin und Ether. Gemessen an den vielen Tausend Bestellungen, die täglich eingehen, sei der Anteil der Einkäufe mit Kryptowährungen zwar noch gering. Er liege aktuell noch unter einem Prozent. Besonders die Kunden von Digitec würden aber gerne mit Kryptowährungen bezahlen und der durchschnittliche Einkaufsbetrag sei tendenziell höher als bei den anderen Zahlungsoptionen. Laut Kurmann kaufen die Kundinnen und Kunden vor allem Elektronikprodukte mit Kryptowährungen ein. Bei Galaxus habe sich die neue Zahlungsoption hingegen noch weniger stark durchgesetzt.
Wie der Kanton Zug wandelt auch der Online-Händler die erhaltenen Kryptozahlungen sofort in Schweizer Franken um. Bitcoin in die Bilanz aufzunehmen, sei für das Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt keine Option. «Die Kryptokurse sind noch zu volatil, um damit abzurechnen», sagt Mediensprecher Kurmann.

Versicherungen akzeptieren Bitcoin

Die Gesundheitsversicherung Atupri akzeptiert seit Ende August 2020 Kryptowährungen. Sie ermöglichte als erster Schweizer Versicherer Zahlungen mit Bitcoin und Ether. Atupri wolle so die Chancen der Digitalisierung nutzen und für die Kundinnen und Kunden die Prozesse beschleunigen, sagt Caroline Meli, die in der Geschäftsleitung ist und das Marketing und den Vertrieb leitet. «Unsere Versicherten erhalten beim Auslösen der Zahlung den aktuellen Umrechnungskurs, den Bitcoin Suisse stets in Schweizer Franken garantiert und übermittelt», erläutert Meli. Und weiter: «Wir unterliegen daher zu keinem Zeitpunkt einem Währungsrisiko.» Das Angebot finde zwar Anklang, die Annahme weiterer Kryptowährungen sei aktuell aber nicht geplant.
Mitte April kündigte auch AXA an, neu Bitcoin zu akzeptieren. Auch für diesen Versicherer wickelt Bitcoin Suisse die Zahlungen ab. Mit der Bitcoin-Option reagiere man auf das wachsende Kundenbedürfnis nach mehr Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr, hiess es bei der Ankündigung.

Kryptos im Luxushotel und bei NGOs

Seit Längerem akzeptiert das Dolder Grand Bitcoin, kürzlich wurde im Zürcher Nobelhotel auch ein Kryptobankomat aufgestellt
Quelle: Gregory Köfer/The Dolder Grand
Schon seit über zwei Jahren akzeptiert das Zürcher Luxushotel Dolder Grand Bitcoin. Wie der Managing Director André Meier erzählt, gibt es aktuell mehr als drei Bitcoin-Transaktionen pro Monat – insgesamt waren es bis jetzt 78. Ihm zufolge reagierte man mit der neuen Zahlungsoption auch beim Hotel auf ein Bedürfnis der Kunden. Im September 2020 nahm das Dolder Grand zudem einen Kryptobankomaten in Betrieb. Bei diesem verzeichne man monatlich rund 19 Transaktionen. Am Anfang hätten ihn die Gäste des Hotels ausschliesslich für Bitcoin genutzt. Im November habe es dann die erste Transaktion in Bitcoin Cash gegeben, im März 2021 die erste in Ethereum und im April die erste in Litecoin. «Es deutet also einiges darauf hin, dass die Verbreitung von Kryptowährungen erst am Anfang steht», sagt Meier. Aufgrund der hohen Volatilität werde aber auch das Dolder keine Bitcoin in seine Bilanz aufnehmen.
Als man beim Dolder den Kryptobankomaten einrichtete, sprang auch die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz auf den Kryptozug auf. Sie akzeptiert seit August 2020 Kryptowährungen. Man wolle damit «innovative und neue Wege gehen» und neue Zielgruppen erschliessen, heisst es auf Anfrage. «Unter jungen Investoren und E-Sportlern, die sich mit Kryptowährungen auskennen, gibt es viele Philanthropen, die ihre Gewinne gerne in eine gute Sache investieren», sagt die Mediensprecherin Nathalie Rutz.

Investitionen sind gefragt

Die Blockchain-Technologie bietet aus der Sicht von Rutz gleich mehrere Vorteile: Sie steigere die Transparenz, ermögliche die Bekämpfung von Korruption und erlaube Spenden über Landesgrenzen hinweg ohne hohe Bankgebühren. Ein Nachteil seien dagegen die Energiekosten – «vor allem bei Bitcoin». Bitcoin hält SOS-Kinderdorf aber ebenfalls keine. Für die Umwandlung der Spenden in Schweizer Franken setzt die Stiftung – wie auch Digitec Galaxus – auf Coinify. Bei der technischen Umsetzung sei alles nach Plan verlaufen, berichtet die Mediensprecherin. «Bisher machen Kryptowährungen allerdings einen sehr geringen Anteil unserer Spenden aus», sagt sie weiter. «Wir sprechen von einem tiefen vierstelligen Betrag.»
“Bisher machen Kryptowährungen nur einen sehr geringen Anteil unserer Spenden aus„
Nathalie Rutz, SOS-Kinderdorf
Etwa die Hälfte davon habe man in Ethereum und die andere Hälfte in Bitcoin erhalten. Um den Kanal bei der Zielgruppe bekannt zu machen, brauche es ausserdem Investitionen in Marketing und Kommunikation, sagt Rutz. Sie betont, dass es immer auch ein Gefäss brauche, um im Kryptomarkt Fuss zu fassen. SOS-Kinderdorf setze dafür auf Initiativen im Bereich «Venture Philanthropy» und E-Sport. «Ohne diese Gefässe erwarten wir kurz- bis mittelfristig kein signifikantes Wachstum der Spenden in Kryptowährungen», sagt Rutz.

Crypto Valley first, Silicon Valley second

Vom Krypto-Boom profitieren auch Schweizer IT-Dienstleister. Etwa das Unternehmen ti&m, bei dem man in der Blockchain grosses Potenzial für verteilte Applikationen und Ökosysteme erkennt. Anwendungen gebe es zum Beispiel beim Thema «Self Sovereign Identity», etwa für digitale Zertifikate und Berechtigungen, erklärt der CEO Thomas Wüst. Die Blockchain sei zudem interessant für die Nachverfolgbarkeit von Lieferketten. Auch die Nachfrage nach Applikationen im Bereich «Decentralized Finance» steige. Sie sind unter anderem für die Tokenisierung von Assets, deren Handelbarkeit und Verwahrung geeignet. Das Potenzial im öffentlichen Sektor, in der Transport- und Logistikbranche und bei Versicherungen sei ebenfalls gross.
“Für die Schweiz besteht die Chance, sich bei einem der grossen Innovationsthemen noch vor dem Silicon Valley zu positionieren „
Thomas Wüst, ti&m
Laut Wüst findet die Blockchain-Technologie in der Schweiz wegen ihren potenziell erheblichen Auswirkungen auf das Finanzsystem und der hohen technischen Komplexität einen idealen Nährboden vor. «Ein stabiler und innovationsfreudiger Finanzmarkt trifft hier auf hervorragend ausgebildete IT-Experten und eine sehr aktive Start-up-Szene», sagt der ti&m-CEO. Es sei kein Zufall, dass wichtige Blockchain-Institutionen wie die Ethereum und Cardano Foundation ihren Sitz in der Schweiz haben. «Für die Schweiz als Innovationsland besteht hier die Chance, sich bei einem der grossen Innovationsthemen noch vor dem Silicon Valley oder den Innovationsschmieden in China und Indien zu positionieren.»
ti&m hält jedoch ebenfalls keine Bitcoin. «Wir sind ein stark wachsendes KMU mit einer sehr guten Liquidität», sagt Wüst. Die Auswirkungen der Negativzinsen löse man aktuell noch durch klassische Anlagestrategien und massive Vorauszahlungen im PK- und Steuerbereich. Die Volatilität und das damit verbundene hohe Risiko der Kryptoanlagen könnten den Fokus auf ein stabiles Wachstum gefährden, gibt Wüst zu bedenken.

Private Blockchains haben grosses Potenzial

Beim Zürcher Software-Unternehmen AdNovum tönt es ähnlich wie bei ti&m. Bei den Kryptowährungen liege der Fokus auf der sicheren Verwaltung und Aufbewahrung von digitalen Assets. Dafür habe man etwa eine Lösung für die Firma Crypto Storage entwickelt. Spannend seien auch private Blockchains. «Solche Lösungen haben enormes Potenzial, doch braucht es Zeit, sie am Markt zu etablieren», sagt der Blockchain-Spezialist Jérôme Bailly von AdNovum Romandie, der seit Ende März auch im Vorstand der Crypto Valley Association sitzt.
“Private Blockchains haben enormes Potenzial, doch es braucht Zeit, sie am Markt zu etablieren„
Jérôme Bailly, AdNovum Romandie und Crypto Valley Association
Mit dem Crypto Valley in Zug sei die Schweiz seit 2014 ein wichtiger Player in der Kryptobranche. Mittlerweile habe sich das Valley von Zug über Zürich und Liechtenstein bis nach Genf ausgedehnt – im Einklang mit der Ambition der Schweiz, sich zur «Crypto Nation» zu entwickeln. Ein Grund für die Spitzenposition sieht Bailly in der grundsätzlich positiven Einstellung der Schweizer Behörden zu Kryptowährungen und den ihr zugrunde liegenden Technologien. Aber auch das kryptofreundliche Ökosystem und die Verfügbarkeit von Fachkräften spielten eine wichtige Rolle.
AdNovum bietet unter anderem eine Lösung namens «Secure Blockchain for Business» an. Sie soll den Aufbau und Betrieb geschäftlicher Ökosysteme auf der Basis der Blockchain-Technologie und damit auch vertrauenswürdige Geschäftsinteraktionen zwischen verschiedenen Branchen, Märkten und Unternehmen ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist das Cardossier, das den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs abbildet.
Wie bei ti&m sieht man auch bei AdNovum grosse Chancen in der Tokenisierung von Vermögenswerten. «Sie macht diese einem breiteren Kundenkreis zugänglich und erhöht die Liquidität», sagt Bailly. Bitcoin in seiner Bilanz zu halten, sei aber auch für AdNovum keine Option. «Aus Business-Sicht ist die Verwendung von Kryptowährungen für das Corporate Treasury aber ein interessanter Trend, den wir aufmerksam beobachten.»

Die Schweiz macht vieles richtig

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Schweiz bei den Themen Blockchain und Distributed Ledger gut aufgestellt ist. «Sie kann nun eine Vorreiterrolle übernehmen», ist Dirk Scholten überzeugt, Managing Director Financial Services bei Accenture Schweiz. Denn der Mix, um in der Blockchain-Industrie international ganz vorn mitzuspielen, stimmt ihm zufolge: gut ausgebildete Fachkräfte, Innovationsfreundlichkeit, Rechtssicherheit und regulatorischer Weitblick. Die Bedingungen, um Innovationstreiber zu sein und auf der globalen Bühne eine Hauptrolle zu spielen, seien geschaffen.
Die von Computerworld kontaktierten Unternehmen akzeptieren mittlerweile alle Zahlungen in Kryptowährungen, aber sie wandeln diese nach Erhalt sofort in Schweizer Franken um. Dass Schweizer Firmen nun also plötzlich massenhaft Bitcoin kaufen und ihr Geld in Kryptowährungen anlegen, ist eher nicht zu erwarten. Zumindest nicht kurzfristig. Ausschliessen kann man es aber natürlich nicht. Oder haben Sie korrekt vorausgesagt, dass 1 Bitcoin mal über 65 000 Franken wert sein wird? Na also.



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