Recruiting und Firmenkultur in Zeiten von New Work

Die Arbeitsplatzkultur ist entscheidend

Ein flexibler Arbeitsplatz allein, das reicht laut Semeraro allerdings nicht aus. Entscheidend sei auch die Kultur am Arbeitsplatz. Und die Corona-Krise habe nun gezeigt, wie stark diese ­wirklich sei. Wer bereits vor der Pandemie eine gute Arbeitsplatzkultur hatte, meistere die Krise nun besser. Oft seien das Unternehmen mit einem Management, das die An­gestellten von unten nach oben führe. «In diesen sind es die Mitarbeitenden, die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen.»
Die Schweiz profitiere auch davon, dass hierzulande viele Firmen techno­logisch fit seien. Wie gut die Technologie im Shutdown funktionierte, habe ihn am meisten überrascht, sagt der Adecco-Mann. Die Arbeitgeber müssten ihren Teams heute moderne Technologien für die Zusammenarbeit anbieten, anstatt sie an einen Schreibtisch zu ketten. «Hätte uns das Coronavirus vor 15 bis 20 Jahren getroffen, wäre es ­unmöglich gewesen, unsere hohe Arbeitsproduktivität ­aufrechtzuerhalten.»
“Egal wie das Top-Management darüber denkt – Flexibilität ist heute für alle Unternehmen Pflicht„
Luca Semeraro, Adecco
Firmen fordern von ihren Mitarbeitenden heute selbstbestimmtes Arbeiten, Agilität und Eigenverantwortung ein. Doch wie können die Unternehmen in diesem Umfeld attraktiv bleiben? «Indem sie den Mitarbeitenden genau diese Kultur bieten und sie als erwachsene Menschen behandeln», sagt der Great-Place-to-Work-Switzerland-Mitinhaber Mollet. Viele Karriere-Websites verlangten zwar diese Werte, die Führungskräfte seien aber nicht selten Micro-Manager mit einem Hang zum Kontrollwahn. Teilzeitarbeit sei oft unmöglich und Ideen der Mitarbeitenden würden einfach abgeschmettert.

Der Mensch im Mittelpunkt

«Die Pandemie hat gezeigt, dass wir alle viel flexibler und veränderungsfähiger sind, als man denkt», bilanziert Gabriela Keller, CEO der Ergon Informatik. Um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, die der New-Work-Trend mit sich bringe, seien gegenseitiges Vertrauen, ein transparenter und regelmässiger Informationsfluss sowie eine klare Aufgabenteilung nötig. Für die Mitarbeitenden müsse spürbar sein, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe. Dann bleibe auch die emotionale Bindung intakt, zeigt sie sich überzeugt.
In den Teams von Ergon sei das Zusammengehörigkeitsgefühl nach wie vor gross. «Unsere Teamleiter haben sich während der Pandemie hervorragend um ihre Leute gekümmert und Nähe trotz Distanz geschaffen.» Der persönliche und informelle Austausch trage aber sehr viel zur emotionalen Verbundenheit, zur Produktivität in einem Team und zur Kreativität bei, sagt die Geschäftsführerin. Wenn die Home-Office-Empfehlung falle, werde sich Ergon an neue Formen der Teamzusammenarbeit herantasten. Man halte zwar weiterhin an persönlichen Arbeitsplätzen im Büro fest, ein gewisser Anteil der Arbeit werde aber auch im Home Office verrichtet werden. «Wir lassen uns Zeit, um herauszufinden, wie wir am produktivsten sind», sagt Keller.
Der Autor
Marcel Urech
Marcel Urech
Marcel Urech
ist freier Technologie- und Wirtschaftsjournalist. www.linkedin.com/in/marcel-urech



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