17.02.2006, 07:28 Uhr

George offenbart Reisegesetze

Mit der Datenauswertung eines Dollar-Tracking-Spiels haben Forscher einen Durchbruch bei der Vorhersage von Seuchen erzielt.
Die Bewegung von Geldnoten in den USA: Jede Linie symbolisiert die Reise einzelner Scheine zwischen Anfangs- und Zielorten.
Vor gut sieben Jahren startete der US-Amerikaner Hank Eskin ein soweit sinnloses, aber durchaus unterhaltsames Projekt: Er brachte eine grössere Anzahl von markierten Dollar-Noten in Umlauf. Personen, denen diese Geldscheine in die Hände fielen, sollten auf der Internetseite «Where"s George» - benannt nach George Washington, dessen Konterfei die Scheine schmückt - deren aktuellen Aufenthaltsort durchgeben und selbst welche auf die Reise schicken. So sollte sich der Weg des Geldes verfolgen lassen, so Eskins Idee. Diese war dermassen erfolgreich, dass heute über 50 Millionen Noten auf der Seite registriert sind. Dass das Projekt jetzt aber Wissenschaftlern zu einem Durchbruch bei der mathematischen Modellierung der Seuchenausbreitung verholfen hat, darüber dürfte selbst Eskin erstaunt sein.
Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen hatten die geniale Idee, den umfangreichen Datenbestand von «Where"s George» auszuwerten. «Wir hofften, auf diesem Weg indirekt und mit hoher Präzision die typischen Eigenschaften des menschlichen Reiseverhaltens zu ermitteln.» Diese Hoffnung hat sich erfüllt: Die Tüftler entdeckten in den Bewegungsdaten der Geldscheine universelle Skalierungsgesetze, die dem Reiseverhalten zugrunde liegen. Und genau dieses Wissen gilt als zentrales und bislang fehlendes Element, um die Ausbreitung moderner Seuchen in mathematischen Modellen zu beschreiben und Vorhersagekonzepte zu entwickeln. Die wachsende Mobilitität der Menschen ist nämlich die zentrale Ursache für die geografische Ausbreitung von Epidemien, weil Bakterien und Viren über lange Strecken transportiert werden können. Bislang gestaltete sich die Analyse des Reiseverhaltens schwierig, da eine Vielzahl von Verkehrsmitteln zum Einsatz kommt.
Auf Basis der mathematischen Theorie, die die Max-Planck-Physiker jetzt aufgestellt haben, können nun erstmals konkrete Modelle untersucht werden, mit denen die globale Seuchenausbreitung realistisch berechnet werden kann.
Claudia Bardola



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