Der digitale Umgang mit der Kundschaft

Noch mehr schlummerndes Potenzial

Insgesamt sei noch ein langer Weg zu gehen und die digitale Wirtschaft sei noch nicht dort, wo sie sein sollte, konstatiert man bei ServiceNow. Für Badoux ist das jedoch kein Grund für Pessimismus. Vielmehr schlummere hier noch viel Potenzial, das gerade auch in der Krise ein Treiber gewesen sei: «Wir haben intern Prozesse, Strategien, Arbeitsweisen und Ziele genauer analysiert und überdacht. Die Pandemie schafft es, den Digitalisierungsgrad zu treiben. Zahlreiche unserer Kunden, wie Unternehmen, die schon vor der Pandemie in die Digitalisierung sowie Automatisierung investiert haben, sind noch schneller gewachsen und haben ihre Chancen in der Zeit der Pandemie genutzt.»
“Zahlreiche unserer Kunden, wie Unternehmen, die schon vor der Pandemie in die Digitalisierung sowie Automatisierung investiert haben, sind noch schneller gewachsen und haben ihre Chancen in der Zeit der Pandemie genutzt„
Alain Badoux, ServiceNow
ServiceNow ermöglicht es beispielsweise der ETH Lausanne (EPFL), die Verwendung von Forschungsgeldern in der Höhe von Hunderten Millionen Euro in allen Fakultäten und Laboren zu erfassen, zu analysieren und in Berichten zu veröffentlichen. Die EPFL hat ihre ServiceNow-Lizenzen kürzlich upgegradet und ihre Zahl verdoppelt, um die IT mit Automatisierung, künstlicher Intelligenz und Datenanalysen weiter zu modernisieren.
Für Badoux ist denn auch klar, dass bei ServiceNow künftig künstliche Intelligenz vermehrt wichtig sein wird. So setze man beispielsweise jetzt schon Chatbots ein, um die Kunden professionell sowie langfristig zu begleiten und die Kunden­erlebnisse zu optimieren. Solche Lösungen werden ihm zufolge für den Kundenservice immer bedeutender.

Langjährige Kundenbindung wird wichtiger

Auffällig ist, dass auch Florian Kraus, Head of Sales und Business Development des SAP-Beratungshauses Retailsolutions, den Aufbau von langjährigen, guten Kunden­beziehungen betont. Sie seien «die Grundlage für ein belast­bares Geschäft mit Bestandskunden», sagt er. So sei auch dann Vertrauen vorhanden, wenn die physische Präsenz wegfalle. Das habe sich grundsätzlich auch in den vergangenen Krisenmonaten bewährt. «Natürlich haben auch wir Anfangsschwierigkeiten bei der Umstellung auf digitale Medien und Home Office erlebt, aber dank unseren langjährigen, guten Kundenbeziehungen konnten wir diese Hürden schnell überwinden.»
Teilweise sorgte gemäss Kraus zum Beispiel die fehlende Reisetätigkeit gar für eine schnellere Reaktion auf Kundenanfragen und mehr Flexibilität in der Kundenbetreuung. In Kombination mit der begrenzten Vor-Ort-Pflicht habe zudem ein stärkerer Austausch mit internationalen Kunden wahrgenommen werden können, resümiert Kraus.
Konkret sind bei Retailsolutions angeblich auch die ­Social-Media-Kanäle stärker als früher in den Fokus gerückt. Man habe zudem den Internetauftritt neu gestaltet und seine Funktionen optimiert, Webinar-Reihen sowie Webtalks organisiert – auch mit unabhängigen Plattformen. Ausserdem sei der Austausch zwischen den Kunden bei Schwerpunktthemen in sogenannten Interest Groups über Ländergrenzen hinweg aufgesetzt worden, so der Einblick von Kraus in durch die Pandemie ausgelöste Neuerungen.

Reaktion auf Problembereiche

Gleichwohl musste aber auch Retailsolutions auf Problembereiche reagieren. Obwohl die Umstellung laut Kraus generell sehr gut funktionierte, hätten sich alle doch erst einmal zu Hause einrichten müssen. Dafür sei die Umstellungszeit jedoch sehr kurz gewesen, soziale Aspekte hätten gelitten und das Fehlen des persönlichen, gewohnten zwischenmenschlichen Austausches sowie der informellen Informationswege wie Kaffeeecke oder Grillabend hätten sich bemerkbar gemacht. «Man musste aufpassen, dass man keinen verliert», sagt Kraus – insbesondere die neuen Kolleginnen und Kollegen, die noch niemand persönlich kenne und die man nur digital treffen könne.
So wie man deshalb die interne Kommunikation gestärkt und dafür auch neue Wege erschlossen habe, habe man es auch mit der Kundschaft gehalten. «Flexibilität in der Kundenbetreuung war und ist unser Leitprinzip. Der Fokus lag auf einer starken sozialen digitalen Interaktion wie beispielsweise mit einer virtuellen Weinprobe inklusive vor­herigem Versand der Weinpakete.» Eine weitere wichtige Voraussetzung für das Beschreiten all der neuen Wege sei gerade auch die technologische Ausstattung, die immer up-to-date zu halten sei, streicht Kraus heraus.
“Flexibilität in der Kundenbetreuung waren unser Leitprinzip und der Fokus lag auf einer starken sozialen digitalen Interaktion wie die beispielsweise die virtuelle Weinprobe mit vorherigem Versand der Weinpakete „
Florian Kraus, Retailsolutions
Er spricht gleichzeitig von der Wichtigkeit der Weiterbildung in Pandemiezeiten und meint, dass diese auch dann weiterzutreiben sei. Das betreffe insbesondere Schulungen der Soft Skills, der Moderation und Konfliktbewältigung. Schliesslich sei das Onboarding neuer Mitarbeitender sehr herausfordernd ohne physische Präsenz. «Hier haben wir definitiv Optimierungspotenzial und müssen beispielsweise stärker als bisher das ‹Buddy Concept› leben», gesteht Kraus.
Tipps & Tricks
Ratschläge für die digitale Kundenansprache
Die digitale Kundenansprache birgt ihre Tücken. Diese Tipps sollen Ihnen dabei helfen, die Herausforderungen zu meistern:
  • Digitale Möglichkeiten gezielt ausbauen und auf spezielle Kundenanforderungen zuschneiden.
  • Kundengespräche auch über neue, digitale Kanäle in Gang bringen und halten.
  • Zur Kundenansprache kurze und spannende Formen finden.
  • Gerade auch in der virtuellen Kundenbeziehung Empathie zeigen und dem Kunden wirklich zuhören.
  • Online-Präsenzen kurz halten, Meetings besser zeitlich aufteilen.
  • Beachten, dass die virtuelle Welt schnell in die Routine führt und ermüdet.
  • Grosszügige Pausen einplanen, stetig Feedbacks einholen und professionell auftreten (Beleuchtung, Mikrofon etc.).
Der Autor
Volker Richert
ist Wirtschafts- und Technologiejournalist aus Zürich.



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