Digitale Transformation
26.06.2023, 06:15 Uhr
«Digital First» in stürmischen Zeiten»
Der «Sturm der Veränderung» tobt ungebremst weiter. Eine zielgerichtete Digitalisierung und digitale Transformation ist für Unternehmen ein gutes Rezept, diesem erfolgreich trotzen zu können.
Viele Firmen, Entscheider und Mitarbeiter betreiben ihr Tagesgeschäft nach wie vor in stürmischen Zeiten. Wir bei IDC sprechen seit gut zwei Jahren vom «Sturm der Veränderung» (Storms of Disruption), um die vielen Veränderungen in der Informationstechnologie im geschäftlichen Alltag und im Marktumfeld sowie in einzelnen Branchen selbst mit einem griffigen Bild beschreiben zu können. Ich bin der Meinung, dass diese Analogie sehr passend ist: Stürme sind massiv und nicht immer vorhersehbar. Das gilt auch für ihre Dauer und ihre Auswirkungen, die in einzelnen Bereichen ganz unterschiedlich sein können. Ein Sturm bringt Gegenwind, Rückenwind und Seitenwind mit sich. Diese Effekte sind in übertragenem Sinn auch in jeder Branche und jeder Firma anzutreffen; in grossen Unternehmen genauso wie in kleinen Organisationen und mitunter sogar auch in einzelnen Fachbereichen.
IDC ist überzeugt, dass die zielgerichtete Digitalisierung aller Daten und die digitale Transformation von Prozessen und Geschäftsmodellen der beste Weg für Entscheider ist, um die eigene Firma fit für die Zukunft zu machen und um in stürmischen Situationen bestehen zu können. Keine Frage: Die Begriffe «digitale Transformation» und «Digitalisierung» werden mitunter inflationär gebraucht. Das ändert nichts an ihrer Relevanz für jede Firma und Organisation. Die digitale Transformation lässt sich auf folgende Formel herunterbrechen: Moderne Informationstechnologie und IT-Bezugsmodelle sichern gemeinsam mit innovativen Geschäftsmodellen, Produkten und Services die Zukunftsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens.
Das gesamte Unternehmen ist gefordert
Uns hat in der aktuellen Swiss-IT-Umfrage erneut sehr interessiert, wo sich die befragten Entscheider bei ihrer digitalen Transformation sehen; vor dem Hintergrund der abklingenden Corona-Epidemie, der anhaltenden makroökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten, der fragilen Energiepreise und Lieferketten sowie dem weiterhin fortdauernden und kritischen Fachkräftemangel (siehe Grafik).
Die digitale Transformation einer Firma ist immer eine gemeinsame Aufgabe aller Unternehmensbereiche. Diese Aussage ist nicht neu und ich bin davon überzeugt, dass sie auch alle Bereiche erreicht hat. Die Herausforderung besteht eher darin, in jeder Fachabteilung kontinuierlich an der Transformation zu arbeiten und zentrale Milestones zu definieren und zu erreichen, um eine gemeinsame Sicht auf den erzielten Stand zu gewinnen. Das ist nicht immer der Fall, wie es die Grafik zeigt.
Dargestellt ist hier eine Sicht auf verschiedene Phasen der digitalen Transformation, die von der Untätigkeit bis zur umfassenden Umsetzung reichen. Die Unterschiede zwischen der IT-Abteilung und den Fachbereichen sind sowohl in den frühen Phasen als auch in den fortgeschrittenen Phasen signifikant. Das ist zweifelsohne eine bemerkenswerte Erkenntnis, die aber die Realität in vielen Firmen widerspiegelt. Wie bereits dargestellt, ist eine moderne IT die Basis einer digitalen Welt. Viele Kollegen in den Fachabteilungen beschäftigen sich nicht oder lediglich am Rande mit Technologietrends und deren detaillierten Auswirkungen auf die eigene Firma. Zudem fehlt ihnen häufig Einblick in die IT-Landschaft und konkrete Projekte, die nicht den eigenen Fachbereich betreffen. Somit sind grundlegende und vorbereitende Massnahmen der IT-Modernisierung nicht oder nur oberflächlich bekannt. Mit Blick auf die weiteren Phasen gleichen sich die Einschätzungen an; ein klares Indiz für eine ausreichende Transparenz und das Einbeziehen aller Verantwortlichen.
In der Umsetzungs- beziehungsweise Nutzungsphase driften die Sichtweisen wieder auseinander. Das ist nachvollziehbar. Aus dem Blickwinkel der IT gibt es permanenten Handlungsbedarf, und jedes IT-Projekt lässt sich nach einem formalen Projektende bereits wieder verbessern und modernisieren. Die DNA moderner IT besteht darin, den Kollegen in den Fachbereichen kontinuierlich Verbesserungen bereitzustellen. In immer mehr IT-Abteilungen wird das erfreulicherweise zum Alltag, zumindest für einige Anwendungsfälle.
“Digital First› ist kein Selbstläufer und erfordert eine Veränderung der gesamten Organisation„
Matthias Zacher
Immerhin 14 Prozent der Fachentscheider bescheinigen ihrer Firma eine umfassende digitale Transformation. Das ist bemerkenswert, bedenkt man den Umstand, dass Fachverantwortliche typischerweise hohe Anforderungen an die IT stellen.
Es gibt einen leichten Aufwärtstrend
Generell verweist der Reifegrad der Digitalisierung in den befragten Firmen im Vergleich zum Vorjahr auf einen leichten Aufwärtstrend. Das ist ein positiver Befund. Dennoch haben die meisten Unternehmen noch ein gutes Stück Arbeit vor sich, denn es ist augenfällig, dass der Anteil der Firmen in den beiden fortgeschrittenen Phasen (begrenzte Umsetzung und umfassende Umsetzung) im Vergleich zu 2022 unverändert geblieben ist. Lediglich in den Phasen Evaluierung, Planung und Pilot ist eine Rechtsverschiebung festzustellen. Somit ist unsere klare Empfehlung, keineswegs zu lange in einer Phase zu verweilen, sondern die Digitalisierung kontinuierlich zu verbreitern und zu vertiefen.
Die digitale Transformation ist eine Reise und wird kontinuierlich fortschreiten. Der nächste Schritt der digitalen Evolution ist das «Digital Business». IDC definiert digitales Business als eine Organisationsform, in der die Wertschöpfung auf dem Einsatz digitaler Technologien basiert. Dazu gehören interne und externe Prozesse, die Art und Weise, wie eine Organisation mit Kunden, Lieferanten und Partnern zusammenarbeitet, das umfassende proaktive und wertschätzende Einbeziehen aller Mitarbeitenden, sowie die Gesamtheit der Produkte, Dienstleistungen und Erfahrungen, die angeboten werden. IDC beobachtet im globalen Massstab in den letzten Monaten und Jahren eine rasche Beschleunigung der digitalen Transformation, sodass es nun Zeit für diesen nächsten grossen Schritt ist.
«Digital First» ist ein wichtiger Baustein
Es ist deshalb zweckmässig, «Digital First» mit in die Betrachtung einzubeziehen. IDC ist der Meinung, dass dies ein wesentlicher Baustein auf dem Weg in die Zukunft ist, und dass jeder CEO/Geschäftsführer eine Strategie entwickeln muss, um im Zeitalter der digitalen Wirtschaft erfolgreich zu sein. Das Ziel der meisten Firmen sind neue Wertschöpfungsquellen durch digitale Produkte, digitale Dienstleistungen und digitale Erfahrungen. Doch nicht alle CEO/Geschäftsführer sind für den erforderlichen Wandel bereit. Weitere Studien von IDC zeigen, dass fast jeder Zweite Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung einer «Digital First»-Strategie benötigt. Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategie ist digitales Know-how. Dabei stehen nicht technologische Bits und Bytes im Mittelpunkt. Es geht darum, das digitale Geschäft zu führen, die Teams aufeinander abzustimmen, den fähigsten Mitarbeitern Raum zu geben sowie Erkenntnisse und die digitale Strategie gezielt umzusetzen. Kurz gesagt: Geschwindigkeit und Agilität zu ermöglichen und Innovation zu entfesseln. Das erfordert aber auch eine veränderte Form der Zusammenarbeit mit den IT-Anbietern.
Fazit
Die aktuellen Herausforderungen zwingen auch eher zurückhaltend agierende Firmen, den Nutzen von «Digital First» und digitalem Business zumindest zu prüfen. Viele Entscheider beschreiten den Weg der digitalen Transformation ihrer Unternehmen bereits mit sichtbarem Erfolg, denn die Zukunftsfähigkeit einer Firma entscheidet sich mit den besten Ideen und dem Einsatz moderner Technologie. «Digital First» ist kein Selbstläufer und erfordert eine Veränderung der gesamten Organisation. Behalten Sie dabei kurzfristig erforderliche Veränderungen sowie langfristige Zielsetzungen im Blick und verfolgen Sie immer einen ergebnisorientierten Ansatz.
Der Autor
Matthias Zacher
ist Senior Consulting Manager beim Marktforschungs- und Beratungshaus IDC. www.idc.com

Autor(in)
Matthias
Zacher