29.11.2013, 11:09 Uhr

Projektvorbereitung einmal anders

Im Vorlauf zu ERP-Einführungen wird viel Zeit und Geld in die Vorbereitungen investiert. Minutiöse Pflichtenhefte werden geschrieben und Detailprozesse gezeichnet. Doch ein Grossteil dieser Arbeit ist unnötig, wenn nicht kontraproduktiv.
Ein Grossteil von ERP-Projektvorbereitungen ist Verschwendung von Ressourcen, sagt ein Unternehmensberater
*Andreas Ulrich ist Inhaber der Unternehmensberatung Antesis
Die meisten Unternehmen sind sich bewusst, dass man Business-Software nicht nebenbei einführt. ERP-Projekte zählen zu den gewichtigsten nach innen gerichteten Herausforderungen eines Unternehmens. Entsprechend umfassend will man sich vorbereiten. Abzubildende Prozesse und deren Anforderungen werden detailliert aufgenommen, Flow Charts gezeichnet. Prozessdarstellungen und Pflichtenhefte mit Hunderten von Seiten entstehen, doch die Voraussetzungen für eine gelungene ERP-Einführung verbessern sich damit nicht. Im Gegenteil.

Nicht in Details verlieren

Zum einen dauert die Detailaufnahme schlicht zu lange. Das Umfeld, in dem sich Unternehmen heute bewegen, ist sehr dynamisch. Wälzt man zu lange Papier, ist die darauf festgehaltene Information veraltet, bevor sie zur Anwendung kommt. Ausserdem fördert eine lange Vorbereitungsphase unnötigerweise die Projektmüdigkeit im Projektteam.
Zum anderen lässt der sehr detailliert beschriebene Prozess dem Einführungspartner wenig Spielraum, sich am Standard des Systems auszurichten. Entsprechend hoch fallen Customizing- und Programmieraufwand sowie der nachgelagerte Aufwand für Release Upgrades aus. Währenddessen bleiben alternative, gute Lösungen im Systemstandard weitgehend ungenutzt. Das Risiko ist zudem hoch, dass aufgrund fehlenden Inputs von Aussenstehenden die Zielprozesse zu stark auf den Ist- und nicht auf den Soll-Zustand ausgerichtet sind.
Weiter ist eine zu detaillierte Dokumentation schwierig vermittelbar. Interne Mitarbeiter, aber auch die Berater und Entwickler des Einführungspartners, sollten Ihr Unternehmen und Ihren Zielzustand – also, wo Sie hinwollen – rasch erfassen und verstehen können. Zu viele Details im Projektbeschrieb machen es dem Leser aber nahezu unmöglich, die wirklich wesentlichen Punkte zu erfassen.
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Das Ziel definieren

Zu viel Detailspezifikation ist also kontraproduktiv. Doch genauso trüb sind die Erfolgsaussichten für Unternehmen, die gar keine Zeit in die Definition des Zielzustands investieren. Wie es ein Sprichwort so treffend formuliert: Wer den Zielhafen nicht kennt, für den ist jeder Wind ungünstig.
Wird von Anfang an mit dem Einführungspartner zusammengespannt, ohne diesem einen klaren Zielzustand vorlegen beziehungsweise vermitteln zu können, liegt der Fokus der Spezifikation meist darin, die Möglichkeiten und Features des einzuführenden Systems auszuloten, ganz im Sinn «welche Features aus dieser Toolbox könnten wir bei uns brauchen». Dies ist zwar äusserst spannend und horizonterweiternd, doch leider werden daraus nicht selten geschäftsunkritische Features spezifiziert und umgesetzt, während wirklich geschäftskritische Anforderungen des Unternehmens vergessen gehen.

Fokus auf das Ziel, nicht die Mittel

Wie also ist im Rahmen der Projektvorbereitungen der Zielzustand sinnvoll zu beschreiben? Investieren Sie Zeit, um das «Was», nicht aber das «Wie» der Soll-Prozesse zu beantworten:
  • Was sind die Erfolgsfaktoren, damit dieser Prozess reibungslos funktioniert?
  • Was ist in diesem Prozess speziell und differenziert Sie von Ihrer Konkurrenz?
  • Was sind die zu erwartenden Herausforderungen, wo wird das System an Grenzen stossen?
  • Was wird heute bereits gelebt, was sind neue noch nicht realisierte Anforderungen?
Beschreiben Sie diese vier Punkte glasklar und interpretationsfrei. Überlassen Sie jedoch die Lösung, also, wie diese Herausforderungen im ERP abgebildet werden sollen, dem Einführungsteam.
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Eckpfeiler der Vorbereitung

Neben der Anforderungsspezifikation gibt es in der Vorbereitungsphase noch eine Reihe weiterer erfolgsentscheidender Kriterien zu beachten. Unternehmen tun gut daran, frühzeitig Ressourcen in folgende Themen zu investieren.
Organisation vorbereiten:
Das neue System wird neue Potenziale mit sich bringen. Es ist jedoch kein Reorganisationswundermittel, sondern letztlich nur ein Tool. Prüfen Sie kritisch, ob und wo zur Realisierung des Zielzustands organisatorische Veränderungen nötig sind. Initiieren Sie diese frühzeitig und setzen Sie damit Zeichen. Denn das ERP wird Ihre organisatorischen Probleme nicht lösen können.
Team aufbauen:
ERP-Einführungen sind äusserst ressourcenintensiv. Dabei ist es entscheidend, die «Besten» des Unternehmens – nicht jene, die gerade Zeit haben – im Projektteam zu haben. Dies wird nur möglich sein, wenn Sie das Team frühzeitig identifizieren, dessen Unterstützung sicherstellen und für die Projektdauer im operativen Geschäft Ersatzkapazität aufbauen.
Stammdaten vorbereiten:
Prüfen Sie bereits in der Vorbereitungsphase den Zustand Ihrer Stammdaten. Wie ist es um deren Qualität bestellt, wo ist Handlungsbedarf zur Bereinigung? Wie sollte der Pflegeprozess zukünftig laufen, damit die Qualität auf hohem Niveau bleibt? Die daraus abzuleitenden Massnahmen sind meist organisatorischer Art, benötigen viel Zeit und sind «ungeliebte», aber umso entscheidendere Aufgaben für eine erfolgreiche Einführung. Denn die Grundlage für einen reibungslosen Prozess bilden saubere Stammdaten.
Vermittelbares Gesamtbild vorbereiten:
Neben dem Zielzustand ist es entscheidend, dass der Implementierungspartner und neue Projektteammitarbeiter rasch ein Gesamtbild bekommen, was das Unternehmen ist und wo es hin will. So sollten nebst einer kompakten Prozessbeschreibung auch Informationen zur Unternehmensstrategie, zu Umfeld (Konkurrenten, Kunden, Partner etc.) sowie Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren nicht fehlen. Auch die Applikations-, Daten- und Schnittstellenlandschaft, inkl. der hier zu erwartenden Herausforderungen, sollten Bestandteil dieser Dokumentation sein.

Fazit: Zeit richtig investieren

Die Vorbereitung zu einer ERP-Evaluation und ERP-Einführung ist also durchaus ressourcen-intensiv. Doch die Zeit ist intelligent zu nutzen. Verschwenden Sie sie nicht mit zu detaillierten Prozess- und Anforderungsspezifikationen, sondern nutzen Sie diese zur Erledigung der oben beschriebenen «Hausaufgaben». Es sind diese Hausaufgaben, die letztlich die wesentlichen Weichenstellungen einer gelungenen ERP-Einführung sicherstellen.
 
 


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