Oft ist eine Mischung die beste Lösung

Drei Bewährte Lösungsansätze

Die beschriebenen Faktoren führen offensichtlich dazu, dass Mitarbeitende es sich zweimal überlegen, ob sie sich einer horizontalen Organisation anschliessen. Aber auch die Organisationen selbst ziehen es vor, weitgehend hierarchisch zu bleiben. Um trotzdem von den Vorteilen einer flacheren, horizontalen Struktur zu profitieren, müssen Unternehmen neue Wege gehen. Folgende Lösungs­ansätze haben sich bereits bewährt:
  1. Organisationen müssen keineswegs von einem Tag auf den anderen komplett zu einer Holokratie (oder Ähnlichem) übergehen oder darauf bestehen, dass alle Strukturen sofort und vollständig flacher werden. Sie können stattdessen die Fülle ihrer qualitativen und quantitativen Daten nutzen, um zu entscheiden, in welchen Bereichen sie zukünftig eher ein horizontales oder eher ein ­vertikales Vorgehen bevorzugen. In vielen Fällen ist sicher ein hybrides System am sinnvollsten. Betrachten wir unter diesem Aspekt das Problem der Mitarbeiterentwicklung und -laufbahn, stellen wir zwar fest, dass eine Abflachung der Hierarchie zu weniger klaren Karrierewegen führen kann, aber Organisationen durchaus trotzdem horizontal vorgehen können. Anstatt das Managersystem ­vertikaler Organisationen beizubehalten, können Unternehmen die Hierarchien abflachen, aber dennoch Stellen­bezeichnungen verwenden, die das Dienstalter der Mit­arbeitenden widerspiegeln. Ältere Mitarbeitende haben vielleicht niemanden, der ihnen direkt unterstellt ist, aber mit der richtigen Unternehmenskultur können diese erfahrenen Teammitglieder als Mentoren und Coaches für weniger erfahrene Kolleginnen und Kollegen fungieren.
  2. Eine andere Strategie besteht darin, ein hierarchisches System nur dann zu verwenden, wenn es um Personalangelegenheiten geht. Stellenbezeichnungen können zur Abgrenzung von Vergütung und Dienstalter verwendet werden, während sie im Tagesgeschäft völlig ignoriert werden, die Teams wirklich rollenbasiert arbeiten und die Interaktionen zwischen den Mitarbeitenden bestimmen, wer situativ zum Mentor und zur Führungskraft wird. Auf diese Weise gehen die Laufbahn und die funktionalen Gehaltsstufen der vertikalen Strukturen nicht völlig verloren.
  3. Eine weitere Möglichkeit, vielleicht die radikalste und wahrhaft holokratische, besteht darin, die ­Mitarbeitenden selbst zu ermächtigen, ihre Rollen und ­Zuständigkeiten abzugrenzen. Dies ist ein Teil dessen, was den kalifornischen Tomatenverarbeiter Morning Star zu einem enorm innovativen und erfolgreichen Unternehmen gemacht hat. Gary Hamel und Michele Zanini beschreiben in ihrem wunderbaren Buch «Humanocracy: Creating Organizations as Amazing as the People Inside Them» («Organisationen kreieren – so erstaunlich wie die Menschen in ihnen»), wie die Teammitglieder von Morning Star untereinander Verträge (CLOUs – Commitment Letters of Understanding, also Verpflichtungen an Kolleginnen und Kollegen, um Klarheit zu erzeugen) abschlies­sen, in denen sie ihre Rollen innerhalb des Unternehmens festlegen. CLOUs sind Verpflichtungen, die sie gegenseitig eingehen und auf denen auch ihre Vergütung basiert.

Fazit

Flache Hierarchien bieten die vielversprechendsten Möglichkeiten, Mitarbeitende weiterzubilden und zu befähigen. Aber es ist nicht nur schwierig, den Absprung von ­einer traditionellen Struktur zu vollziehen, sondern die Teammitglieder vermissen eventuell auch die Vorteile klar definierter Rollen und Aufstiegsmöglichkeiten. Vor allem dann, wenn es um die «Beschäftigungsfähigkeit» ausserhalb des eigenen Unternehmens geht. Letztendlich gibt es nicht das eine richtige System oder die eine richtige Lösung. Es liegt an jeder Organisation, die beste Mischung aus verschiedenen Strukturen für sich zu finden.
Der Autor
Timm Urschinger
ist Mitgründer und CEO von Livesciences, einem Beraterteam mit Sitz in Kaiseraugst, dessen Vision es ist, den Erfolg von Unternehmen und Organi­sa­tionen zu katalysieren. www.livesciences.com



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