22.11.2010, 06:00 Uhr

Wie verlässlich sind Ihre Daten?

Zuverlässige Informationen bilden die Basis für richtige Entscheidungen. Voraussetzung dafür ist ein integriertes Datawarehouse, das alle relevanten Daten sammelt, bereinigt, zusammenführt und aufbereitet.
Die Autoren sind Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers in Zürich Der Erfolg eines Unternehmens hängt wesentlich davon ab, dass die Geschäftsleitung die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt trifft. Damit sie dies kann, braucht das Management zuverlässige und zeitgerecht aufbereitete Informationen. Je weitreichender die unternehme­rischen Entscheidungen sind, desto wichtiger wird das integrierte Datawarehouse. Dessen Aufgabe ist es, die Informationen verschiedener Systeme für betriebswirtschaftliche Analysen auf Managementebene zu aggregieren. Zudem lassen sich so Redundanzen in der Datenerfassung und -aufbereitung vermeiden, was nicht nur die Zuverlässigkeit der Informationen erhöht, sondern auch die Kosten verringert. Anwender wie Anbieter von Datawarehouse-Systemen haben sich in den letzten Jahren beachtlich weiterentwickelt. Anfangs lediglich eine Sammelstelle für interne und externe Daten, hat es sich heute als «Enabler» des wissenden Unternehmens profiliert: Das Datawarehouse befähigt das Unternehmen, sämtliche vorhandenen Informationen für zielgerichtete Entscheidungen in verschiedenen Bereichen (Kapazitätsplanung, Budgetplanung, Marketing) zu nutzen. Die im Unternehmen vorhandenen Daten werden so zentral genutzt und dem Management als Information für strate­gische, operative und taktische Entscheidungen zur Verfügung gestellt. Weg mit den Datensilos Dies bedeutet aber zugleich, dass Datensilos auf dezentraler Ebene, also die Datensammlungen einzelner Abteilungen, keine Zukunft mehr haben (sollten). Solche Silos sind nicht nur kostspielig, sondern werfen auch Probleme der Qualitätssicherung auf. Nicht selten etablieren sich in den Fachbereichen «lokale Datenkolonien», die durch die allgemeinen Massnahmen im IT-Umfeld nicht ausreichend identifiziert oder gesichert werden können. Es besteht die Gefahr, dass solche Schattenbestände für den Jahresabschluss oder das gesetzliche Berichtswesen genutzt werden – ohne dass sich die Verantwortlichen der daraus resultierenden Risiken bewusst wären. Transparenz der Datenquellen Damit die Unternehmensführung die Qualität der Informationen richtig einschätzen kann, sollten auch die Datenquellen ersichtlich sein. In der Praxis erhalten Entscheidungsträger bisweilen eine Präsentation betriebswirtschaft­licher Analysen, die keinen Aufschluss darüber gibt, aus welchen Quellen die Daten stammen und in welcher Qualität sie aufbereitet wurden. Auch ist nicht erkennbar, ob Zahlen manuell in die Präsentation eingefügt wurden oder wie die Informationen aus unterschiedlichen Systemen und verschiedenen Ländern zusammen­geführt wurden. Ausserdem kommen ständig neue Quellen hinzu. Ein ganz aktuelles Thema: Können internetbasierte soziale Netzwerke wie Facebook, Xing, LinkedIn etc. als externe Datenquellen (Drittquellen) genutzt werden – und wenn ja, sollte man das überhaupt? Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach der Datenqualität, sondern auch, ob die Stakeholder bereit sind, Technologie und Budget für ein derart komplexes Datawarehouse zur Verfügung zu stellen. Mangelnde Referenzgrössen Die Qualität eines Datawarehouse hängt von der Verlässlichkeit der Daten ab, die wiederum von den beiden Faktoren Korrektheit und Zeitstempel bestimmt wird. In der Praxis ist es allerdings oft nicht einfach, die Daten richtig und zeitlich eindeutig zuzuordnen. Wie lässt sich beispielsweise beurteilen, ob Daten korrekt sind, wenn es keine Vergleichsnorm gibt? In der doppelten Buchführung gilt etwa der Grundsatz: Aktiv muss gleich Passiv sein. Daran lässt sich die Korrektheit von Buchungen rasch überprüfen. Ausserhalb der Buchhaltungssysteme gibt es aber oft keine vergleichbaren Normen. Kritische Berichte der Datawarehouse-Systeme können daher häufig nicht oder nicht ausreichend mit herkömmlichen Methoden validiert werden. Das Beispiel einer typischen Frage an das Datawarehouse illustriert diese Problematik: «Wie viele Kundenkontakte habe ich gebraucht, um die Saisonartikel im Ostergeschäft in der grenzüberschreitenden Region Basel zu verkaufen, und welche Erlöse wurden erzielt?» Die Höhe der Erlöse lässt sich mit einem Standard aus der Buchführung abgleichen. Für andere Aspekte der Frage trifft dies nicht zu. Die «grenzüberschreitende Region Basel» spricht drei Legislativen (Deutschland, Frankreich und die Schweiz) an, und das Ostergeschäft ist ein monatsübergreifender Zeitabschnitt, für den es keinen allgemeingültigen Standard gibt. Zudem können die verkauften Produkte unterschiedliche Verpackungsgrössen haben, sodass die Normierung pro Land nicht greift. Unterschiedliche Periodizität Die Schwierigkeiten setzen schon bei der Abgrenzung vergangenheitsbezogener Daten ein, wie das Beispiel «Ostergeschäft» zeigt. Teilweise werden die Daten nicht zu einem eindeutig abgegrenzten Zeitpunkt (z.B. Tages- oder Monatsabschluss) zusammengeführt, sondern – unabhängig von solch fachlich sauber abgegrenzten Referenzzeitpunkten – auf der Ebene von Kalendertagen oder sogar per sofort aggregiert. Das heisst, es werden Daten unterschiedlicher Periodizität oder mit verschiedenen Referenzzeitpunkten zusammengeführt. Will etwa ein Verkaufsleiter nach einer Messe nicht den Monatsabschluss abwarten, sondern sofort wissen, welche Produkte abgesetzt und welche Erlöse erzielt wurden, sprengt er das klassische Zeitmuster der Buchhaltungsperioden. Obwohl es in einem solchen Fall keine stichtagsbezogenen Abgrenzungen gibt, könnten die Daten mit unterschiedlichem Zeitstempel für Analysen zusammengeführt werden. Das hiesse etwa: Die Datenvalidierung im CRM-System wird wöchentlich und jene im ERP-Transaktionssystem täglich durchgeführt, während die Marketingabteilung ihre Kampagnen monatlich erfasst. So haben die Daten aus unterschiedlichen Systemen fast zwangsläufig unterschiedliche Zeitstempel. Die Problematik ist umso grösser, wenn es darum geht, die Verlässlichkeit zukunftsgerichteter Zahlen einzuschätzen, die auf der Basis des Datawarehouse generiert werden. Hier treffen die Risiken, die aus der Qualität der Systeme resultieren, und die Unsicherheit der Prognose zusammen. Bewertung der Maturität Nutzt ein Unternehmen die Datawarehouse-Systeme für die Aufbereitung des Berichtswesens oder im Abrechnungsumfeld, muss es den Prozessen und Kontrollen besonders hohe Beachtung schenken. Denn in diesem Fall müssen die Systemumgebungen den Anforderungen an das Interne Kontrollsystem (IKS) genügen und entsprechend überwacht werden. Dies verlangt einen hohen Reifegrad sowohl der Systeme als auch des Kontrollumfelds. Massgebend für die Qualität der Auswertungen sind erfahrungsgemäss die Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern, die zugleich das eigene Unternehmen verstehen, ein auf die jeweilige Unternehmenssituation zugeschnittenes IT-Umfeld und die Corporate Governance. Qualitätsproblem bei Veränderungen Ausserordentliche unternehmerische Situationen stellen das Datawarehouse vor besondere Herausforderungen. Ändert sich beispielsweise die Firmenstruktur, hat dies vielfältige Auswirkungen auf das Datawarehouse-Umfeld. Bei Firmenzusammenschlüssen oder -käufen gilt es, die Daten unterschiedlicher Organisationen zusammenzuführen. Für die benötigten Managementinformationen und für Finanzberichte müssen die Strukturen und die unterschiedlichen Datenmodelle aufbereitet werden. So liegen dem Berichtswesen für (neustrukturierte) Gruppengesellschaften häufig Prozesse zugrunde, die Informationen aus dem Datawarehouse berücksichtigen. Die Zuverlässigkeit dieser Prozesse ist auch aus Sicht der Wirtschaftsprüfung von hoher Relevanz. Aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen ist es indes nicht immer möglich, die Systeme und Datenstrukturen sofort anzupassen. Wichtig ist in solchen Fällen, dass sich die Nutzer der Daten bewusst sind, dass sie sich in einer Phase der Unsicherheit befinden. Checkliste für die Firmenleitung Die folgenden Fragen sollte sich die Unternehmensleitung stellen, um die Verlässlichkeit der Daten zu überprüfen:  - Haben wir eine ausreichende Datenvalidierung vorgenommen?  - Ist die in unserem Unternehmen angewandte Normierung korrekt?  - Sind unsere Prognosemodelle, die auf Vergangenheitsdaten basieren, seriös und erprobt?  - Nutzen wir wirklich alle relevanten internen und externen Datenquellen?  - Sind alle Verantwortlichen aus den Abteilungen Betriebliches Rechnungswesen, Controlling, Compliance, Marketing und Vertrieb eingebunden?  - Haben alle Entscheidungsträger ihre Datensilos verlassen? Ehrliche Kosten-Nutzen-Rechnung War es in der Vergangenheit problematisch, die grossen Datenvolumina aktuell und zeitnah zu halten, so sorgen heute leistungsfähigere Rechner und neue Technologien wie Flashspeicher oder die verteilte Datenhaltung für eine optimale Nutzung von Ressourcen. Die aktuelle Herausforderung liegt darin, konsequent zu überdenken, in welche Technologie das Unternehmen investieren sollte, um grosse Datenvolumina zu managen. Die Entscheidungs-grundlage dafür stellt eine transparente Investitionsrechnung dar. In diese sollten nicht nur die Kosten für die zentralen Datawarehouse-Systeme einfliessen, sondern auch jene der Datensilos. Die hohen Investitionen in ein zuverlässiges integriertes Datawarehouse-System lassen sich möglicherweise beachtlich reduzieren, wenn alle Schattenbestände abgeschaltet werden. Kaum zu quantifizieren, aber nicht zu unterschätzen sind die Opportunitätskosten: Stehen der Unternehmensleitung keine zuverlässigen Informationen zur Verfügung, entbehrt ihre Entscheidungsfindung einer fundierten Basis. Entsprechend hoch ist das Risiko von Fehlentscheidungen.


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