Attacke 21.01.2013, 12:06 Uhr

So will HP den Storage-Markt aufrollen

Mit einer Produktoffensive punkto Storage startet Hewlett-Packard ins neue Jahr. Besonders dem Erzrivalen EMC mit seinen 'zersplitterten Silos' soll es an den Kragen gehen. CW sprach mit HPs Serge Bourgnon und René Korporaal.
Mit neuen hochskalierbaren Speicher-Portfolios adressiert HP stärker als bisher das Entry-Level.
Hewlett-Packard bläst zum Angriff auf den Storage-Markt. Der Weltkonzern hat sich mit vier neuen Speicher-Portfolios in Stellung gebracht und fokussiert mit niedrigen Einstiegspreisen stärker als bisher den KMU-Markt. Mit welchen Benefits will HP gegenüber Konkurrenten wie EMC und Netapp punkten, und was haben die Kunden von den neuen Lösungen? CW sprach mit den HP-Storage-Produktmanagern René Korporaal und Serge Bourgnon.
CW: HP hat auf der Discover im Dezember vier neue respektive überarbeitete Storage-Portfolios vorgestellt: StoreServ, StoreVirtual, StoreOnce und StoreAll. Für welche Kunden und Anwendungsszenarien empfiehlt HP welche Lösung?
Bourgnon: StoreServ ist ein performanter Online-Speicher für Linux- und Windows-File-Daten - strukturiert und unstrukturiert, inklusive Gateways. StoreOnce ist eine Backup-to-Disk-Lösung inklusive Inline-Deduplizierung. StoreAll empfehlen wir vor allem bei Big-Data-Szenarien und für Archivierungszwecke. StoreVirtual, ein Scale-out-Speicher, nutzt die Vorteile virtualisierter Umgebungen.
Korporaal: Mit diesen Produktserien bedienen wir unterschiedliche Unternehmensgrössen. Der Einstiegspreis der kleinsten 3Par StoreServ liegt bei etwa 20.000 Franken. Der Preis für eine vollausgebaute StoreServ 10000 geht in die Millionen. Der konkrete Endpreis hängt auch von Kundenwünschen wie zum Beispiel der Anzahl der eingebauten Solid State Disks ab. Die kleinste StoreOnce Disk-to-Disk liegt bei 6800 Franken.
HPs David Scott wirft der Konkurrenz aus dem Hause EMC "isolierte, zersplitterte Silos" vor. Demgegenüber spricht HP jetzt von einem einheitlichen, konsolidierten Lösungsportfolio für Backup, Archivierung und den Produktivspeicher. Warum bringen die neuen Lösungen Vorteile für Kunden?
Bourgnon: Einfachheit ist immer ein Vorteil, und auf Einfachheit wie etwa der Minimierung von Schnittstellen liegt der Fokus unseres neuen Portfolios. HP setzt vom Entry-Level bis zum Highend-Bereich einer Produktserie das gleiche Betriebssystem ein. EMC dagegen hat eine VNX, eine VNX(e), eine VMAX, VMAX(e) und eine Isilon; das sind völlig voneinander getrennte Systeme, die nicht miteinander kommunizieren und keine Daten austauschen.
Warum ist das ein Nachteil? Die EMC-Produkte, die Sie genannt haben, sind unterschiedliche Grössenklassen, die man, wenn das Unternehmen wächst, nachrüsten kann, um sie der wachsenden Arbeitslast anzupassen. Die müssen doch auch gar nicht miteinander kommunizieren.
Bourgnon: Innerhalb gewisser Limiten stimmt das zwar, ein Wechsel von einem Entry-Level-Midrange- zu einem Highend-System ist bei der Konkurrenz aber häufig mit grossen Aufwänden verbunden (neue Software, neue Treiber etc.). Für den Online-Storage-Markt etwa haben wir die StorServ 7000 herausgebracht, die mit acht Disks anfängt, bis hin zur StorServ 10000 mit bis zu 1920 Disks. Das Management dieser miteinander kommunizierenden Systeme ist vollkommen einheitlich. Das ist aus unserer Sicht ein riesiger Vorteil: Kunden können viel einfacher migrieren.
Ausserdem benutzen viele lokale Niederlassungen kleinere Speicherlösungen, replizieren die Daten aber auf den zentralen Speicher im Headquarter des Unternehmens. Dazu müssen die lokalen Systeme mit dem Zentralspeicher problemlos, ohne grosse Aufwände, kommunizieren können. Auch eine einheitliche Management-Konsole und gleiche Funktionalitäten bringen hier Vorteile.
In den Genuss dieser Vorteile kommen HP-Kunden aber erst mittels der neuen Storage-Produktserien...
Bourgnon: Das ist richtig, aber wir helfen Kunden bei der Migration ihrer alten Systeme auf die neue Storage-Welt. Wir können inline, im laufenden Betrieb, auf die neuen Storage-Systeme migrieren. Das ist ein Riesenvorteil, besonders im Online-Bereich. Beim Backup ist das nicht so ein riskantes Topic, da lässt man die alten Backup-Systeme einfach auslaufen.
Wie gut schneiden denn die neue HP-Storage-Lösungen - unter Leistungsgesichtspunkten - im Vergleich mit der Konkurrenz ab?
Korporaal: Wir haben in Houston ein grosses Competitive-Lab, wo unsere Ingenieure HP-Lösungen gegen die Produkte der Konkurrenz testen. Aber mindestens genauso wichtig sind Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Forrester Research etwa kalkuliert für unseren 3Par Storage - über einen Zeitraum von drei Jahren - einen risikoberichtigten Return on Invest von 55 Prozent, und einen Payback von 10,4 Monaten (vgl. Grafik unten). Dem Business Case zugrunde lag ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1 Milliarde US-Dollar und 600 TByte Speicherbedarf.
Bourgnon: Bei den Leistungsvergleichen messen wir physische Parameter wie I/Os, Throughput, Energiebedarf und ähnliches. Kriterien wie Bedienerfreundlichkeit lassen sich vielleicht noch durch die Anzahl der Klicks parametrisieren. Aber etwa die Effizienz eines Systems zu messen wird extrem schwierig. Wir arbeiten mit Organisationen wie dem \"Storage Performance Council\" zusammen, das Systeme nach Standardkriterien testen lässt und dann die Resultate veröffentlicht. Beispielsweise steigern der massive Einsatz von Cache und SSDs zwar die Test-Performance, aber die Ergebnisse haben häufig wenig mit der Praxis zu tun.
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Unter bestimmten Voraussetzungen bringen viel Cache und SSDs Vorteile...
Bourgnon: Ja schon. SPC hat aber Testmuster herausgebracht, die nicht nur theoretische Resultate liefern, sondern den realistischen Praxisszenarien auf Kundenseite sehr nahe kommen: mit Lese- und Schreibvorgängen (Reads/Writes), unterschiedlichen Blockgrössen und so weiter. Zusätzlich misst SPC natürlich auch die Geschwindigkeit, zum Beispiel die Input-Output-Performance (I/O). Punkto I/O ist die HP 3PAR StoreServ 10000 mit 450.212,66 IOPS führend.
Wichtig ist aber auch der Konfigurationsaufwand, den Admins treiben müssen, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen die optimale Performance aus ihrem Storage-System herauszuholen. Bei Konkurrenzsystemen sind das tausende Kommandozeilen, bei HP waren es genau 568.
Man konfiguriert aber doch in der Regel ein Mal beim Aufsetzen, und danach nur dann, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.
Bourgnon: Die Bewirtschaftung des Storage-Systems ist schon ein nicht unerheblicher Aufwand. Sie ist notwendig, um die Performance des Systems zu halten. Zum Beispiel: Welche Server schreiben in welche RAID-Gruppen rein? Der Bewirtschaftungsaufwand ist wesentlich höher als die Initialkonfiguration, die man natürlich nur einmal durchführen muss. Den Lastausgleich (load balancing) führen unsere Systeme ausserdem automatisch durch. HP-Speicherlösungen sind vom ersten bis zum letzten Tag immer gleich performant.
Also zusammengefasst sparen Kunden mit HPs Lösungen Zeit, Personalkosten und können schneller reagieren?
Bourgnon: Das 3Par-Storage-System braucht nur einen Zehntel des Managementaufwandes, den viele Konkurrenzsysteme benötigen. Es ist einfach, die 3Par aufzusetzen und zu bewirtschaften; und das System optimiert sich selbst. Jede Disk, jeder Cache und jeder Controller ist immer nahezu gleich ausgelastet, das System in Konsequenz optimal aufgesetzt und ausgelastet. Der Vorteil: Wir können stärker an die Grenzen gehen als weniger ausbalancierte Storage-Lösungen.
Korporaal: Bei den Controllern könnte man einzig noch durch die Stückzahl manuell tunen. Diese Option haben wir gegenüber Konkurrenzprodukten. Netapp oder Hitachi offerieren typischerweise Zwei-Controller-Systeme. Unsere 7000er-Serie ist bis zu vier Controllern ausbaubar. Man fängt mit zwei Controllern an und merkt dann irgendwann, dass mehr Performance notwendig wird. Kunden haben also die Möglichkeit, im System zu wachsen.
StoreOnce ist laut HP industrieweit das einzige Backup- und Recovery-System mit "federated deduplication". Nun ist Deduplizierung sicher keine patentierte HP-Technologie. Was ist das Besondere an "federated deduplication"?
Bourgnon: Wenn ich unsere Produkte zum Beispiel mit EMC vergleiche, dann dedupliziert EMC in seinen Storage-Devices - also hinten - sicher ähnlich. Wenn ich aber vorne auf die Server-Source schaue, dann gibt es eine Avamar-Deduplizierung, eine Data-Domain-Boost-Software, das heisst unterschiedliche Deduplizierungstechnologien, die zwar miteinander kommunizieren können, aber nicht nach der gleichen Logik arbeiten.
Die Gründe sind historischer Natur: EMC hat diese Firmen über die letzten Jahre akquiriert, und jedes Unternehmen brachte seine eigenen Deduplizierungstechniken mit. Das funktioniert schon, aber nicht so optimal wie bei HP, wo in sämtlichen Produkte die gleiche Logik arbeitet. Das nennen wir "federated deduplication".
Korporaal: Die Catalyst-Algorithmen kommen aus den HP-Laboratorien in Bristol. Also insofern hat HP schon ein wenig die Deduplizierung neu erfunden. Deduplizierung ist eine mathematische Funktion, die man auf unterschiedliche Art und Weise umsetzen kann. Jeder Storage-Hersteller sucht nach der für seine Hardware optimalen Deduplizierungsfunktion, und HP hat da offensichtlich eine gute Lösung gefunden. Die grösste Data Domain von EMC dedupliziert etwa 30 Terabyte pro Stunde, unsere StoreOnce B6200 etwa 100 Terabyte, ist also rund dreimal schneller.
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Die von Ihnen angesprochene EMC DD990 ist ja auch schon etwas älter als HPs neueste Lösung...
Bourgnon: Auf der einen Seite ist es älter, auf der andere verfolgt HP einen anderen, skalierbareren Ansatz. Wir setzen das Scale-out-Konzept konsequenter als EMC um. Auch die Kosten entwickeln sich für den Kunden günstiger. Wenn Sie eine leistungsstarke Speicherarchitektur mit wenigen Disks fahren, sind die Kosten typischerweise am Anfang hoch. Diesen Nachteil umgehen Sie, wenn Sie Architektur und Disks gleichermassen von klein auf gross skalieren können.
Mit StoreAll adressiert HP den Markt der unstrukturierten Daten, der Big Data/Analytics. Die Swico sagt, dass dieser Markt zwar grosses Potenzial hat, aber zurzeit noch nicht so stark auf die Umsätze durchschlägt. Wie sehen ihre Erfahrungen aus?
Bourgnon: Big-Data-Analytics ergibt nur einen Sinn, wenn ein Unternehmen auch grosse Datenbestände hat. Ein zweiter Grund, weshalb Big Data in der Schweiz vielleicht noch nicht so stark läuft, wie gedacht: Viele Schweizer Kunden sehen noch nicht die Notwendigkeit, einen dedizierten Big-Data-Pool inklusive etwa der Metadaten aufzubauen. Sie halten ihre Daten einfach unorganisiert im Online-Speicher, und schöpfen deren Potenzial dadurch nicht aus.
Mittlerweile haben mehrere Unternehmen den Big-Data-Braten gerochen und haben Lösungen auf den Markt gebracht: zum Beispiel Teradata Aster Big Analytics Appliance, Oracle Exalytics oder EMC Greenplum. Was spricht für HPs Lösung StoreAll und das ebenfalls neu vorgestellte AppSystem für Apache Hadoop?
Bourgnon: Die Konkurrenzsysteme, die Sie angesprochen haben, sind Appliances, wie auch das HP AppSystem for Hadoop. StoreAll dagegen ist keine geschlossene Appliance, sondern ein offenes System, also eine Architektur, auf der hunderte von Applikationen auch von Fremdanbietern wie Oracle laufen können. Mit Autonomy und Vertica haben wir ausserdem eigene Analytics-Software im Angebot. Auch wir sehen in Big Data grosses Potenzial, das ähnliche Entwicklungsstadien durchläuft wie das Cloud-Thema.
Über die Cloud haben viele Schweizer Unternehmen auch erst jahrelang diskutiert, bevor sie investiert haben. Ich glaube, punkto Big Data fehlt in vielen Schweizer Firmen noch die Grössenordnung, die es erlaubt, Online- und Big-Data-Speicher gleichzeitig wirtschaftlich zu betreiben. HP wird auch aus diesem Grund Big-Data-Branchenlösungen auf den Markt bringen, welche Kunden einen echten Mehrwert bringen.
Von dem jüngsten Riesenabschreiber mal ganz abgesehen: Hat HP denn die Analyse-Software von Autonomy schon so weit in die eigenen Produkte integriert, dass Kunden die Lösungen kaufen sollten? Oder gilt, diabolisch formuliert: Das Beste kommt noch?
Bourgnon: Integration ist ein Prozess, der nie ganz abgeschlossen ist. Aber erste Früchte sieht man schon: Wir haben Autonomy-Funktionalität in StoreAll eingebaut, die Schnittstellen stehen zur Verfügung, die Backup-Software, der Data Protector, enthält Funktionalität von Autonomy. Sollte man als Kunde noch abwarten? Mit unserer Strategie der Offenheit müssen Kunden, die heute kaufen, nicht befürchten, dass sie die Funktionalitäten von morgen nicht nutzen können.
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HP ist ein Global Player. Für welche der neuen Lösungen sehen Sie auf dem Schweizer Markt Potenzial? Was erhoffen Sie sich von der Schweiz?
Bourgnon: Die Funktionalitäten der grossen 3Par-Speichersysteme haben wir herunter skaliert auf den Entry-Level. Damit sprechen wir Firmen mit einem Speicherbedarf von vielleicht vier, fünf Terabyte an, und die Entry-Lösungen starten bei etwa 20.000 Franken. Dort sehen wir extrem viel Potenzial.
Korporaal: Hinzu kommt, dass die kleineren Firmen ja auch wachsen, und ihre HP-Speicherlösungen dann skalieren können. Sie nehmen auf ihrem erfolgreichen Wachstumspfad die Funktionalität und das identische Management ihrer Storage-Lösungen einfach mit.
Schweizer Firmen könnten zum Beispiel auch Backup aus der Cloud nutzen. Wofür brauchen Schweizer KMU eine eigene Backup-Maschine?
Bourgnon: Ich unterscheide zwischen Kleinstkunden, den KMUs und den Grosskunden. Der Grosskunde hat die Macht, gegenüber dem Anbieter seine Wünsche durchzusetzen. Der Kleinstkunde muss sich mit dem bestehenden Angebot abfinden. Dazwischen, sozusagen in der Sandwich-Position, gibt es sehr viele Schweizer Firmen, die mit den Cloud-Standards zwar nicht optimal zufrieden sind, aber auch nicht die Macht besitzen, sie zu ändern.
Viele der 45.000 Schweizer Kunden greifen deshalb zu einer eigenen Lösung oder entscheiden sich für das Beschaffungsmodell der Co-Location, lassen ihren eigenen Speicher also von einem Rechenzentrumsbetreiber managen. Diese Unternehmen adressieren wir mit unseren Entry-Lösungen, über unser Partnernetz in der Schweiz. Viele KMU verfolgen auch ein hybrides Beschaffungsmodell: Sie nutzen eigenen Online-Speicher, und mieten Backup-Ressourcen bei unseren Partnern.


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