Wenn die Mitarbeiter ins Zentrum rücken

Kurzinterview: «Zufriedene Mitarbeiter führen zu zufriedeneren Kunden»

Sabrina Schmitt, Senior Consultant Work Transformation, IDC
Quelle: IDC
Sabrina Schmitt ist Senior Consultant bei dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC mit dem Schwerpunkt Work Transformation. Im Interview mit Computerworld erklärt sie, welche Vorteile eine positive Digital Employee Experience für Firmen bietet und welche Rolle die Unternehmenskultur dabei spielt.
Computerworld: Frau Schmitt, der Begriff Digital Employee Experience (DEX) ist noch sehr neu. Er steht für das Ziel, ein positives und inspirierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter sich wohlfühlen. Was verstehen Sie unter Digital Employee Experience?
Sabrina Schmitt: Employee Experience bezeichnet ganz allgemein die Wahrnehmung des Arbeitgebers durch einen Mitarbeiter entlang des gesamten Lebenszyklus, sprich vom Start des Arbeitsverhältnisses mit dem Onboarding bis hin zum Verlassen des Unternehmens. Der Begriff umfasst Themen wie flexible Arbeitsformen, eine moderne Arbeitsumgebung und Eigenverantwortung, Entwicklungsmöglichkeiten und Weiterbildung, Wellbeing-Programme etwa mit Yoga-Sessions sowie natürlich Tools für die Zusammenarbeit und Kommunikation, damit Mitarbeiter von jedem Ort aus produktiv arbeiten können.
Die Corona-Pandemie erwies sich mit dem Shift zu Remote-Work als eine Art Brandbeschleuniger für die Digital Employee Experience und das ortsunabhängige Arbeiten. Das zeigt unsere Studie «Work Transformation in Deutschland 2021». 29 Prozent der befragten Entscheider wollen auch in Zukunft remote arbeiten, das sind fast dreimal so viele wie noch vor dem Jahr 2020. 79 Prozent der Unternehmen planen ein verändertes Arbeitsplatzmodell, 36 Prozent davon eine Mischung aus Präsenz am Unternehmensstandort und Remote-Arbeit – also ein hybrides Arbeitsplatzmodell. 11 Prozent wollen ihre Büroflächen sogar gänzlich aufgeben und verfolgen einen rein virtuellen Ansatz.
Computerworld: Warum ist (Digital) Employee Experience für Unternehmen relevant?
Schmitt: Die Relevanz ist durch die Corona-Pandemie erheblich gestiegen, da viele Mitarbeiter in vielen Branchen seitdem grösstenteils von zu Hause arbeiten. Unternehmen müssen sie auffangen und mitnehmen. Faktoren für eine höhere Zufriedenheit der Mitarbeiter sind hier zunächst die Ausstattung mit funktionierender Hardware und Software inklusive Kommunikations- und Collaboration-Tools, Wertschätzung und Vertrauen. Auch regelmässige Mitarbeiterbefragungen über ein Portal sind sinnvoll, um die Stimmung im Unternehmen auszuloten. Zudem werden Faktoren wie Mitarbeiterfürsorge, Hygienekonzepte und Richtlinien für hybride Arbeitsmodelle entscheidend, um eine einheitliche Linie und Struktur für die gesamte Belegschaft zu etablieren und auf diese Weise eine Vertrauenskultur aufzubauen.
Computerworld: Welche Vorteile bietet eine gute Digital Employee Experience?
Schmitt: Die Vorteile sind vielfältig. Wenn die Mitarbeiter zufrieden sind, sind sie motivierter, arbeiten produktiver und zeigen eine höhere Loyalität gegenüber dem Unternehmen. Weil die Mitarbeiterbindung stärker wird, sinkt die Fluktuation und das Unternehmen wird attraktiver für neue Talente.
In einer hybriden Arbeitswelt wird auch der Pool an potenziellen neuen Mitarbeitern grösser, da Ortsgebundenheit keine so grosse Rolle mehr spielt wie vor der Pandemie. Engagierte Mitarbeiter, die eine positive Employee Experience erfahren, tragen zudem erheblich zu einem besseren Kundenerlebnis (Customer-Experience), einer höheren Kundenzufriedenheit und damit auch zu höheren Umsätzen für das Unternehmen bei. Das bestätigt die Studie «Relating Employee Experience to Customer Experience» von IDC vom Juli 2021. Danach gaben 85 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ein verbessertes Mitarbeitererlebnis die Kundenzufriedenheit und die Umsätze ver­bessert.  
Computerworld: Das klingt ja alles schön und gut. Doch welche Fallstricke und Herausforderungen sehen Sie beim Thema DEX? Worauf müssen Firmen achten?
Schmitt: Unternehmen sollten Digital Employee Experience als ganzheitlichen Ansatz sehen und abteilungsübergreifend umsetzen. Treiber ist das obere Management, da mit DEX bestehende Arbeitsabläufe umgestaltet werden. Erste Pilotprojekte und Massnahmen laufen meistens in der Personalabteilung, die dafür aber eng mit der IT zusammenarbeitet. Basis für ein gutes digitales Mitarbeitererlebnis sind funktionierende technische Lösungen, die am besten einheitlich im ganzen Unternehmen im Einsatz sein sollten.
Hier gibt es auf dem Markt viele Anbieter, grosse wie kleine. Ihre Tools enthalten Funktionen wie 360-Grad-Feedback zum Erfassen von Erfahrungen, Zielen und Leistungen, Portale für Weiterbildung und E-Learning, Zugriff auf Know-how-Datenbanken oder Features zur Personalentwicklung. Darüber hinaus bieten sie Schnittstellen, um zum Beispiel Lösungen zur Kommunikation oder Reise- und Ressourcenplanung zu integrieren. In einer hybriden Arbeitswelt sollten Firmen hier vor allem Cloud-Services immer wieder in Betracht ziehen.
Computerworld: Welche Rolle spielt hier die Unternehmenskultur?
Schmitt: Die Unternehmenskultur ist neben der Technologie entscheidend für eine positive Digital Employee Experience. Stichworte sind Wertschätzung, Mitarbeiterfürsorge, offene Kommunikation, Transparenz und Vertrauen.
Für jeden Mitarbeiter muss klar nachvollziehbar sein, welche Daten von ihm erfasst werden, dass die Mitarbeiterbefragungen ano­nym bleiben und wer auf die Daten zugreifen kann. So sollten nur berechtigte Personen wie Vorgesetzte oder HR-Mitarbeiter etwa auf Ergebnisse einer Bewertung zugreifen. Bei Themen wie Datenschutz und Compliance ist auch der Betriebsrat einzubeziehen.
Computerworld: Das Tempo der Ver­änderung ist hoch. Was für Trends sehen Sie beim Thema Digital Employee Experience?
Schmitt: Ja, es wird alles schneller, digitaler und mobiler. Firmen müssen hier mithalten und entsprechende Technologien bereitstellen, damit ihre Mitarbeiter flexibel von verschiedenen Orten aus produktiv arbeiten können. Digitale Prozesse und automatisierte Workflows führen zu einer höheren Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen tragen zur Automatisierung bei und begünstigen eine ortsunabhängige Zusammenarbeit.
Hier gilt es künftig, individuelle Lösungen zu finden und Richt­­linien für hybrides Arbeiten im Wechsel zwischen Homeoffice und der Präsenz im Büro zu definieren. Auch Office-Konzepte mit Open Spaces und Räumen zur Stillarbeit sowie Gesundheits- und Fitnesspro­­gramme werden in Zukunft das Erlebnis der Mitarbeiter weiter ver­bessern.



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