Inklusion 06.11.2023, 09:50 Uhr

Zattoo und Teleboy senden SRG-Sender nur noch in HD-Qualität

Ein aufmerksamer PCtipp-Leser hat bemerkt, dass auf Zattoo und Teleboy sämtliche SRG-Sender plötzlich nicht mehr in Full HD, sondern nur noch in HD gestreamt werden können. Das sind die Gründe.
(Quelle: Zattoo/Teleboy)
Im Fall unseres Lesers betrifft es das kostenpflichtige Zattoo-Abo Ultimate, und er verwendet die Zattoo-App. Zattoo-Ultimate bietet über 160 Sender in HD und beispielsweise Pro7, RTL, SAT.1, VOX, ARD, ZDF etc. in Full-HD. Doch seit Kurzem sind die schweizerischen SRG-Sender nicht mehr dabei, wie Simon Blumer, Head of Technical Communications von der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft (SRG) gegenüber PCtipp auf Anfrage bestätigt.

Worum geht es?

Es geht um die Integration von HbbTV. Der Standard HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) ist mittlerweile in fast allen Smart-TVs integriert. Mit HbbTV können Geräte nicht nur das klassische Fernsehprogramm empfangen, sondern auch Inhalte über das Internet streamen. Hierfür setzen die jeweiligen Sender eine AI-Tabelle mit einer URL ein. Diese kann dann vom Publikum mit der roten Taste auf der Fernbedienung aufgerufen werden. Über den roten Button können unter anderem Menschen mit Sinnesbehinderungen Zusatzdienste wie Untertitelung, Audiodeskription und Gebärdensprache aufrufen.

Was ist passiert?

Grundsätzlich stellt die SRG allen Endkunden und sogenannten Weiterverbreitern (wie Zattoo und Teleboy) ihre TV-Programme in HD-Format (720 p50) via Satellit kostenlos zur Verfügung. «Die SRG ist rechtlich namentlich auch verpflichtet, die Versorgung der Menschen mit einer Sinnesbehinderung sicherzustellen und diesbezüglich Barrieren abzubauen. Für Menschen mit Sinnesbehinderungen ist es zentral, dass die Zusatzdienste (Untertitelung, Audiodeskription und Gebärdensprache) umfassend ins Angebot der Weiterverbreiter integriert werden. Die SRG setzt dabei auf HbbTV. HbbTV ist derzeit der einzige internationale Standard, der diese Integration und Kanalbindung über verschiedene technische Plattformen hinweg effizient möglich macht», so Blumer. Daher stelle SRF das TV-Programm nur noch jenen Weiterverbreitern im Full-HD-Format (1080 p50) zur Verfügung, welche die gesetzlich vorgesehene Signalintegrität respektierten und ermöglichten, dass die Zusatzdienste – inkl. Dienste für Menschen mit Sinnesbehinderungen – von Endkunden benutzt werden können.
Was Teleboy, Zattoo und SRG dazu sagen und wie es weitergeht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Es ist (zu) kompliziert • Ist Inklusion ein Luxus? • Wie gehts weiter?

Es ist (zu) kompliziert

Die Weiterverbreiter Zattoo und Teleboy haben beide auf Anfrage vom PCtipp bestätigt, dass derzeit die Sender der SRG lediglich in HD-Qualität statt in Full-HD angeboten werden. Betroffen sind die Sender SRF1, SRF2 und SRF Info sowie die französisch- bzw. italienischsprachigen Sender RTS un, RTS deux, RSI La1 und RSI La2, so Zattoo. Da Full-HD-Sender grundsätzlich nur für das Zattoo-Ultimate-Abo verfügbar seien, betreffe dies nicht Zattoo-Premium oder das kostenlose, werbefinanzierte Angebot.
Teleboy sieht die Schuld bei der SRG und spricht von «anbieten müssen». «Die SRG hat uns informiert, dass sie ihren Partnern nur noch unter bestimmten Voraussetzungen ein TV-Signal in Full-HD bereitstellt. Die Voraussetzung bezieht sich auf die Integration von HbbTV, also die ‹Red-Button›-Funktion auf der Fernbedienung. Die Einführung ist aufwendig und nicht auf allen Geräten (Apple TV) technisch möglich. Die Vorteile von HbbTV wie Programm-Infos oder Abruf vergangener Sendungen bietet die Teleboy-App weitgehend schon lange. Wir bedauern, dass die SRG sich zu diesem Schritt entschieden hat.» Von Seiten Zattoo kommt ziemlich die gleiche Aussage, warum man die Sender nicht mehr in FHD anbieten kann. Auch hier wird von einer «aufwendigen» Einführung gesprochen und dass es nicht auf allen Geräten, auf denen man Zattoo anbiete, technisch möglich sei.
Teleboy wirft der SRG zudem Folgendes vor: «Gleichzeitig verwundert es uns, dass die SRG der Swisscom, als einziger Verbreiter, die Signale zur Verfügung stellen, obwohl die Swisscom mit ihrem Angebot Blue TV Air die Voraussetzungen gleichermassen nicht erfüllt.» Blue TV Air ist ein Zusatzangebot von Swisscom. Damit können auch Nicht-Swisscom-Kundinnen und -Kunden, die keine Swisscom TV Box besitzen, über die Swisscom Blue TV App Filme streamen.
«Stimmt nicht» kontert SRG-Sprecher Blumer den Vorwurf, dass die Swisscom der einzige Weiterverbreiter sei, der Full HD senden darf. Es seien mehrere. Auch wenn bei Blue TV Air die erwähnten Services für sinnesbehinderte Menschen nicht angeboten würden, so seien diese Services für die allermeisten Kunden der Swisscom über die Blue TV Box zugänglich und berechtigten den Telco somit dazu, das FHD-Signal der SRG zu senden.
Auch den Vorwurf, die Einführung sei aufwendig, lässt er nicht gelten. Man habe beiden Weiterverbreitern viel Zeit für die Umstellung gelassen und sogar das Angebot gemacht, ihnen dabei zu helfen, das Signal auf eine Box zu bringen.

Ist Inklusion ein Luxus?

Sind für Zattoo und Teleboy also Menschen mit Sinnesbehinderungen eine Art Mensch zweiter Klasse, für die sich der «Aufwand» nicht lohnt? Zattoo beschwichtigt: «Inklusivität liegt uns sehr am Herzen. Daher setzen wir jede technische Möglichkeit, Menschen mit körperlichen Einschränkungen unser Angebot zur Verfügung zu stellen, im Rahmen der Machbarkeit um.» Das scheinen nicht nur leere Worte zu sein, denn bei Zattoo gibts zum Beispiel seit letztem Jahr für die Senderfamilie ARD und ZDF die Funktion «klare Sprache». Diese verbessere die Verständlichkeit gesprochener Inhalte durch die Reduzierung von Hintergrundgeräuschen. Zudem biete man über die Zattoo-App die Möglichkeit von Sprachsteuerung (z. B.  Amazon Alexa) an, oder man könne sich in der App für alle Programme Untertitel anzeigen zu lassen, bei denen Zattoo diese Informationen zu den Sendern erhalte. Trotzdem: Etwa Gebärdensprache wurde nicht erwähnt.  

Wie gehts weiter?

Zattoo schreibt weiter, man arbeite intensiv daran, eine Lösung zu finden, um das Full-HD-Signal der SRG-Sender wieder anbieten zu können. Gleichzeitig baue man das eigene Angebot von TV-Sendern im Full-HD-Format aus.
Die beiden Verbreiter-Verbände Swissstream und Swiss Digital seien zu diesem Thema mit der SRG im Austausch.
Kommentar: Es ist zu hoffen, dass die SRG, Teleboy und Zattoo bald eine Lösung finden. Denn während die sich streiten, sind die Leidtragenden die Menschen mit Sinnesbehinderungen, die den SRG-Service bei diesen Weiterverbreitern nicht nutzen können – was heute eigentlich selbstverständlich sein sollte.        


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