Gartner-Prognose 04.11.2020, 11:41 Uhr

9 strategische Top-Technologie-Trends für 2021

Internet der Verhaltensweisen, Cyber-Security-Netze und Hyperautomation: Das sind nur einige der strategischen Top-Technologie-Trends, die Gartner für 2021 identifiziert hat.
9 strategische Top-Technologie-Trends für 2021 hat der Marktforscher Gartner identifiziert
(Quelle: Gerd Altmann/Pixabay)
Auch im Covid-19-Pandemiejahr hat das Marktforschungsunternehmen Gartner die wichtigsten strategischen Technologie-Trends identifiziert, auf die sich Unternehmen in den nächsten Jahren vorbereiten sollten. Eines erscheint bei den meisten Trends als Hintergrundkulisse: Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird die IT-Verantwortlichen in Firmen weiterhin herausfordern, zumal sie besonders mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den absehbaren ökonomischen Folgen zu kämpfen haben werden.
Gartner-Marktforscher Brian Burke spricht in diesem Zusammenhang von «operationeller Belastbarkeit», die es zwischen den Unternehmensabteilungen nun braucht. Dies setzt laut Burke eine gewisse Verformbarkeit der organisationellen Strukturen in Firmen voraus. «Gartners strategiesche Top-Technologie-Trends für 2021 machen diese Plastizität möglich», meint er. Technologisch sind dabei drei Dinge hervorzuheben: Nutzerorientiertheit, Ortsunabhängigkeit und verlässliche Bereitstellung.
Mit diesen Konzepten im Hintergrund, identifiziert Gartner folgende strategischen Top-Technologien für das kommende Jahr:

1. Internet der Verhaltensweisen oder Internet of Behaviors (IoB)

Techniken wie Gesichtserkennung, Ortsverfolgung (Tracking) und Big Data nehmen gemäss Gartners Burke ständig zu. Diese werden darüber hinaus zunehmend mit weiteren Informationen verknüpft, etwa zu Einkäufen und zur Gerätenutzung. Diese Daten – Gartner spricht schon fast poetisch vom «Datenstaub des Lebens» – werden künftig von Firmen und Organisationen zunehmend verwendet werden, um das menschliche Verhalten zu beeinflussen. Deshalb sieht Gartner im Internet der Verhaltensweisen oder kurz IoB einen massgeblichen Trend für 2021.
Gartner nennt in seiner Prognose ein Beispiel in Bezug auf die derzeitige Covid-19-Pandemie. Mit Hilfe der Informationen von diversen Sensoren oder von RFID-Chips könnten Unternehmen feststellen, ob die Mitarbeitenden eines Betriebs sich regelmässig die Hände waschen und desinfizieren. Mit Gesichtserkennung könnte überprüft werden, ob Mundnasenmasken korrekt getragen werden. Und smarte Lautsprecher könnten Fehlbare auf die Einhaltung der Hygiene-Regeln hinweisen.
Im Zusammenhang mit dem IoB vermeidet Gartner den Begriff der Überwachung, auch wenn es bei diesem Trend darauf hinauslaufen dürfte. Immerhin weisen die Marktauguren auf ethische und soziale Begleiterscheinungen hin, die bezüglich Datenschutz problematisch sein und je nach Region die Umsetzung des IoB-Trends einschränken könnten.
Als Beispiel nennt Gartner Fitness-Tracker. Deren Daten könnten nicht nur von Krankenversicherungen verwendet werden, um die körperlichen Aktivitäten der Benutzerinnen und Benutzer aufzuzeichnen und bei gesundem Verhalten Prämien zu reduzieren. Kombiniert mit Daten aus dem Supermarkt, könnten sie auch dazu missbraucht werden, beim Einkauf ungesunder Waren die Prämien zu erhöhen.

Ob nun durch Privacy-Bedenken und Datenschutzregeln gebremst oder nicht: Gartner geht in seiner Prognose davon aus, dass bis Ende 2025 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung mit einem IoB-Programm konfroniert werde, sei es privat, kommerziell oder staatlich.

Erlebnis total und besserer Privatsphären-Schutz

Trend 2: Totales Erlebnis

Gartner ging schon vor einem Jahr davon aus, dass sich das Benutzererlebnis künftig stark ändern wird – also wie Anwender die digitale Welt erfahren und wie sie mit dieser interagieren werden. Als Beispiel dienten sprachgesteuerte Anwendungen und Geräte, die mehrere «Erlebnisdimensionen» aufzeigen. Gartner nennt dies «Multiexperience». Diesem Multierlebnis setzt die Marktforschungsfirma nun noch eins drauf und spricht von «Total Expierience». Dabei wird die Multiexpierence mit dem Kundenerlebnis, dem Angestelltenerlebnis und dem eigentlichen Benutzererlebnis kombiniert.
Schlussendlich werden laut Gartner die verschiedenen Erlebnisse und Erfahrungen künftig eng verknüpft werden, statt sie einzeln sozusagen als Silo betrachtet zu verbessern. Die geschickte Kombination könnte schliesslich Unternehmen einen beträchtlichen Wettberwerbsvorteil bringen.
Auch hier bemüht Gartner Entwicklungen während der gegenwärtigen Pandemie als Beispiel wie berührungslose Benutzerschnittstellen, die mit bestehenden digitalen Techniken kombiniert werden. Firmen benötigen demzufolge eine Total-Experience-Strategie, da die Interaktionen mit der digitalen Welt mobiler, virtueller und verteilter werden.

Trend 3: Computer-Techniken zur Verbesserung des Schutzes der Privatsphäre

«Ruhende» Daten lassen sich inzwischen gut vor fremden Blicken schützen. Problematisch wird es meist, wenn die Daten verarbeitet werden. Techniken, um die Daten auch dann zu schützen, wenn sie zwecks Berechnung oder Übermittlung in Bewegung sind, werden gemäss Gartner-Prognose künftig vermehrt eingesetzt.
So sollen bis 2025 gut 50 Prozent aller grossen Unternehmen solche Verfahren adaptiert haben. Gartner sieht dabei drei Haupt-Technologien im Zentrum: Die erste schafft eine vertrauenswürdige Umgebung, in der sensible Daten verarbeitet werden können. Die zweite führt Prozesse und Analysten in dezentralisierter Form durch. Die dritte verschlüsselt die Daten und Alghorithmen, bevor sie verarbeitet werden.

Verteilte Cloud und «Anywhere Operations»

Trend 4: Verteilte Cloud

Gartner spricht schon seit einiger Zeit davon, dass verteilte Cloud-Dienste an Bedeutung gewinnen werden. Unter der verteilten Cloud (Distributed Cloud) versteht der Marktforscher die Verteilung von öffentlichen Cloud-Services an verschiedene physische Orte, während der Betrieb, die Kontrolle und die Weiterentwicklung der Dienste im Verantwortungsbereich des Providers der Public Cloud bleibt.
Tendenziell werden die Anbieter solcher verteilter Cloud-Dienste diese Ressourcen physich näher an den Ort des Anwenders bringen müssen. Bis 2025 werden die meisten Provider in irgend einer Form mit einer verteilten Rechen- oder Datenwolke aufwarten. Schlussendlich könne verteiltes Cloud Computing die Erfordernis einer privaten Cloud ersetzen und neue Cloud-Anwendungsbereiche eröffnen, ist Burke überzeugt.

Trend 5: Überall-Betrieb

Gartner verwendet für diesen Trend den englischen Begriff der «Anywhere Operations». Die Auguren sehen hier ein Betriebsmodell für die IT vor, das von Angestellten, Kunden und Partnern immer und überall in Anspruch genommen werden kann. «Digital first, remote first» ist ein Schlagwort, das Gartner in diesem Zusammenhang verwendet. Als Beispiel wird eine Bank genannt, die alle Geschäfte inklusive die Kontoeröffnung ohne physische Interaktion mit dem Kunden erledigt.
Allerdings müsse bei diesem Modell nicht komplett auf Filialen verzichtet werden. Digitalisierung stehe aber auch dann im Vordergrund wie etwa bei Läden, die via kontaktloses Check-out verlassen werden können.
Gartner schätzt, dass bis Ende 2023 bei gut 40 Prozent der Firmen «Anywhere Operations» zur Anwendung kommen werden.

Cyber-Security-Netz und Intelligent zusammensetzbare Firmen

Trend 6: Cyber-Security-Netz

Traditionelle Security-Konzepte, wie den Schutz von IT-Ressourcen innerhalb eines Firmen-Perimeters, kommen in unserer hyper-mobilen Welt an ihre Grenzen. Beim Cyber-Security-Netz («Cybersecurity Mesh») werde der Perimeter um die Identität einer einzelnen Person oder Sache gezogen. Die Idee dahinter: Jeder kann jede digitale Ressource sicher nutzen, egal wo sich Nutzer oder Daten gerade befinden.
«Die Covid-19-Pandemie hat den jahrzehnte langen Prozess beschleunigt und Firmen digital komplett umgekrempelt», erläutert Burke. Dadurch befänden sich die meisten digitalen Ressourcen ausserhalb der traditionellen physischen und logischen Security-Perimeter. Mit dem Cyber-Security-Mesh-Ansatz kann die IT-Sicherheit entsprechend angepasst werden.

Trend 7: Intelligent zusammensetzbare Firmen

Eine intelligent zusammensetzbare Firma passt sich schnell einer aktuellen, auf neuen Informationen basierenden Situation an und stellt sich dabei radikal neu auf. Vor allem in Anbetracht digitaler Umwälzungen, müssten Unternehmen künftig wesentlich wendiger werden, so der Tenor von Gartner. Gemäss den Marktforschern ist dies nur möglich, wenn Organisationen Einblick in wichtige Informationen haben und diesen Einblick strategisch nutzen können.
Technisch gesehen könnten künftig Maschinen die Entscheidungsfindung verbessern, die zuvor von einer riesigen Menge Daten und Erkenntnissen gefüttert wurden. Als intelligent zusammensetzbare Firma können rasch neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden, erwartet Gartner.
«Statische, auf Effizienz ausgelegte Geschäftsprozesse waren dermassen spröde, dass sie unter dem Schock der Pandemie zerbrachen», kommentiert Burke. «Während CIOs und IT-Verantwortliche damit zu kämpfen haben, die Bruchteile aufzulesen, beginnen sie zu verstehen, wie wichtig die Fähigkeiten von Firmen sind, sich der Geschwindigkeit von Veränderungen im Geschäftsumfeld anzupassen», doppelt er nach.

KI-Bewirtschaftung und Hyperautomatisierung

Die neun Trends im Überblick
Quelle: Gartner
Trend 8: KI-Bewirtschaftung

Künstliche Intelligenz (KI) wird immer wichtiger, reifer und setzt sich in immer mehr Bereichen der geschäftlichen wie privaten Welt fest. Umso wichtiger wird es, KI-Projekte gut zu managen. Denn gemäss Gartner schaffen es derzeit nur 53 Prozent der KI-Projekte, das Prototyp-Stadium hinter sich zu lassen.
Um das Produktionsstadium erreichen zu können, muss eine KI-Bewirtschaftung (AI Engineering) her. Laut Gartner handelt es sich hierbei um eine Disziplin, die sich auf die Steuerung und das Lebenszyklenmanagement einer Vielzahl von operationalisierten KI- und Entscheidungsmodellen wie maschinelles Lernen oder Wissensgraphen konzentriert.

Trend 9: Hyperautomatisierung

Hinter Hyperautomatisierung steht die Idee, dass alles, was in einer Firma automatisiert werden kann auch automatisiert wird. Für die Erreichung dieses Ziels kommen mehrere Technologien zum Tragen, darunter auch Maschinenlernen.
Schlussendlich sollen damit rasch jene Prozesse in einer Firma identifiziert werden, die der zusätzlichen Automatisierung bedürfen. Sind diese bekannt, soll mit diversen Techniken eine rasche Umsetzung der Automatisierung möglich sein.
Gartner zufolge haben hier viele Unternehmen einen enormen Nachholbedarf, sodass nun 70 Prozent der Firmen dutzende von Hyperautomations-Initiativen starten werden. «Hyperautomation ist jetzt unvermeidlich und irreversibel», ist Burke überzeugt.
Die aktuellen strategischen Top-Technologie-Trends für IT-Entscheider stehen bei Gartner zum Download zur Verfügung.



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