Universität Konstanz 23.04.2023, 09:54 Uhr

Der Automatisierung den Schrecken nehmen

Roboter, die Stress und Langeweile erkennen und ihr Verhalten daran anpassen? Netzwerke aus "intelligenten" Pflanzen und Computern zur Erfassung der Luftqualität? Solche High-Tech Systeme entwickelt und erforscht die Arbeitsgruppe von Heiko Hamann an der Uni Konstanz.
Bei WatchPlant soll mithilfe eines Netzwerks aus "intelligenten" Pflanzen und Sensorknoten die Luftqualität in Städten überwacht werden. Per App könnten Nutzer im Stadtgebiet dann beispielsweise Warnungen zu lokal erhöhten Schadstoffwerten empfangen.
(Quelle: Universität Konstanz, Bild: © AG Hamann)
Rasante Fortschritte in der Robotik und Sensortechnik sowie deren Zusammenführung mit anderen Hochtechnologien – wie künstlicher Intelligenz – führen zu einer zunehmenden Automatisierung in fast allen Lebensbereichen. Dies schürt bei vielen Menschen Ängste, sei es vor der Ersetzbarkeit der eigenen Arbeitsleistung oder davor, dass Maschinen immer mehr das Tempo in unserem Alltag vorgeben werden. "Die Automatisierung wird zweifelsohne weiter voranschreiten. Das bedeutet aber nicht, dass in Zukunft niemand mehr Arbeit finden wird. Es wird allerdings mehr Menschen geben, die beispielsweise mit Robotern zusammenarbeiten", prognostiziert Heiko Hamann.
Hamann ist Robotiker am Fachbereich Informatik der Universität Konstanz und besetzt dort seit Kurzem die Professur für Cyber-Physical Systems. Eines seiner Forschungsziele: Die Interaktion zwischen Mensch und Roboter so gestalten, dass Roboter sich in ihrer Arbeitsweise und Geschwindigkeit an den Menschen anpassen, nicht umgekehrt. Mensch und Umwelt stehen im Mittelpunkt von Hamanns Forschung. Das gilt sowohl für seinen Interessenschwerpunkt, die Schwarmrobotik, als auch für die Entwicklung und Erforschung komplexer Netzwerke aus physikalischen Maschinen und der virtuellen Welt – sogenannte Cyber-Physical Systems. Zwei aktuelle, durch die Europäische Kommission im Rahmen von "Horizont 2020" geförderte Projekte der Arbeitsgruppe sind "ChronoPilot" und "WatchPlant".
ChronoPilot
Die Vision von ChronoPilot ist die Entwicklung von Robotern, die bei ihrem Gegenüber Zustände wie Langeweile und Stress anhand von physiologischen Messwerten erkennen und selbständig darauf reagieren. Bewegungsabläufe könnten beispielsweise bei Stress verlangsamt oder bei Langeweile beschleunigt werden. Gleichzeitig soll durch das Verhalten der Roboter und weitere Stimuli auch die Zeitwahrnehmung des menschlichen Gegenübers positiv verändert werden. "Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass unsere Zeitwahrnehmung durch geeignete Reize, wie bewegte Objekte oder unerwartete Geräusche, gestreckt oder gestaucht werden kann", berichtet Hamann.
Dies wollen sich die Forschenden bei ChronoPilot zunutze machen. "Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten mit mehreren Robotern an einer gemeinsamen Aufgabe und merken gar nicht, wie Ihr Arbeitstag verfliegt, weil die Zeit für Sie aufgrund des Verhaltens der Roboter und der Stimuli in Ihrer Umgebung gefühlt schneller abläuft", gibt Hamann ein Anwendungsbeispiel. Dass sich die subjektive Zeitwahrnehmung bei der Zusammenarbeit mit Robotern tatsächlich in dieser Form verändern lässt, konnten die Forschenden bereits in ersten Laborversuchen zeigen. Zusammen mit dem internationalen Projekt-Team aus Robotikern, Informatikern und Psychologen leisten sie in ChronoPilot Pionierarbeit bei der Etablierung der subjektiven Zeit als veränderbarer Faktor im Ingenieurwesen.
WatchPlant
Ein gänzlich anderes Ziel verfolgt das ebenfalls hoch-interdisziplinäre Projekt WatchPlant. Hierbei sollen "intelligente", mit Sensoren ausgestattete Pflanzen Umweltinformationen aufnehmen, die dann per Funktechnologie zwischen den Pflanzen und einer Datensammelstelle ausgetauscht werden können – beispielsweise um die Luftqualität einer Region zu überwachen. "Wir entwickeln zu diesem Zweck Messmethoden, die es uns erlauben, jederzeit Aussagen über den physiologischen Zustand der vernetzten Pflanzen zu treffen. Künstliche Intelligenz hilft uns dabei, diese Information automatisch und schnell mit bestehenden Daten abzugleichen und daraus Rückschlüsse auf die Umwelt der Pflanzen zu ziehen", erklärt Hamann. Neben der Langzeiterfassung von Umweltdaten könnte ein solches Netzwerk auch als Frühwarnsystem funktionieren, das bei massgeblichen Veränderungen, wie beispielsweise einer erhöhten Schadstoffbelastung, selbständig Alarm schlägt. Auf lange Sicht könnten sogar Bürger dem Netzwerk im Sinne von Citizen Science eigene Gartenpflanzen als zusätzliche "Messstationen" zur Verfügung stellen.
Darüber, welche Herausforderungen es bei der Entwicklung von Kollaborationsrobotern oder biohybriden Systemen zu bewältigen gibt spricht Heiko Hamann in diesem Interview mit dem Onlinemagazin campus.kn.

Bernhard Lauer
Autor(in) Bernhard Lauer



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