07.10.2014, 18:46 Uhr

Saniert sich HP gesund oder kaputt?

Jahrelang hat Hewlett-Packard den Kopf in den Sand gesteckt. Jetzt hilft nur noch eine Radikalkur: die Aufspaltung in zwei Unternehmen. Aber hilft die bittere Medizin tatsächlich?
Computerworld-Redaktor Michael Kurzidim zur HP-Aufspaltung
Wer Ebola hat, dem hilft kein Aspirin, diese Lehre muss Hewlett-Packard aus den Ereignissen der letzten Jahre ziehen. Die angekündigte Aufspaltung des Konzerns in zwei Unternehmen ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung der bisherigen Sanierungssversuche. Nachdem die Konzernspitze jahrelang "One HP" besungen und beschworen hatte, wohl um sich selbst Mut zu machen. Geholfen hat es nichts - überhaupt gar nichts. Singen hilft in der Oper, aber nicht in der Wirtschaft. HP hat - das wird jetzt klar - jahrelang versucht, sich aus der Hausapotheke selbst zu kurieren. Ein Aspirin gegen die lästigen Kopfschmerzen da, eine Schlaftablette gegen die widrigen Realitäten dort. Aber der Patient war nicht nur für ein paar Tage leicht unpässlich, sondern für Jahre tödlich erkrankt. Er hatte die IT-Trends der Zeit verschlafen und den Anschluss verpasst. Erfolgsverwöhnt hielt er sinkende Hardware-Margen und schwindende Umsätze für eine vorübergehende Erkältung, und nicht für ein gefährliches hämorrhagisches Fieber, das zum Ableben des Patienten führen kann. Hausapotheker Leo Apropos Hausapotheker: Der 11-Monats-CEO Leo Apotheker hat das mit dem ihm zu eigenen Scharfsinn glasklar erkannt. Vor vier Jahren hatte der Brachialmediziner exakt die chirurgische Therapie vorgeschlagen, die die amtierende HP-Chefin Meg Whitman dann wohldosiert in homöopathischen Dosen verabreichte. Tausende, dann zehntausende von Entlassungen und Aufspaltung in mehrere Unternehmen. Whitman wird dafür gelobt. Apotheker aber galt seinerzeit als Eisklotz, als Kommunikationstrottel, als Metzger. Dabei hatte er HP doch nur die ungeschminkte Wahrheit direkt ins Gesicht gesagt. Apotheker flog im hohen Bogen raus, die Probleme aber blieben. Zerfallszeit überschritten Wissenschaftler kennen das von schweren, zu komplexen chemischen Elementen wie Plutonium: sie sind instabil und zerfallen, wenn sie unter Beschuss geraten. HP ist seit Jahren unter Beschuss, hat seine Halbwertszeit überschritten und zerfällt. Aktuell in die beiden Bestandteile Hewlett-Packard Enterprise (RZ-Infrastruktur, Software, Services) und HP Inc. (Printer, PCs, Notebooks). Ob der Zerfallsprozess jetzt stoppt oder weiter fortschreitet, hängt wohl vom weiteren Beschuss ab. Verdauliche Appetithäppchen Vor zwei Wochen zerrte das Wall Street Journal ans Licht der Druckerpresse: Fast ein Jahr lang führten HP und EMC Gespräche über eine Fusion beider Unternehmen. Gut möglich, dass HP auch an die Türe anderen Interessenten klopfte, denen schon das Wasser im Munde zusammenlief. An eine Übernahme war bislang nicht zu denken, denn EMC wäre der Riesenbrocken HP wohl im Halse stecken geblieben. Jetzt aber wird Hewlett-Packard in bekömmlichere, leicht verdauliche Häppchen aufgeteilt. Whitman zückt das Skalpell Ist das der Anfang vom Ende von HP? Die Gerüchte schiessen bereits ins Kraut. HP-Chefin Meg Whitman soll Analysten gegenüber eine Bermerkung gemacht haben, die sich in diese Richtung deuten liesse. Schmeisst Whitman das Handtuch, kommt Rettung für den Patienten viel zu spät, werden jetzt die Beatmungsmaschinen abgestellt? Es wäre das unrühmliche Ende eines ruhmreichen Traditionskonzerns, der über Jahrzehnte zu den stärksten, gesündesten und erfolgreichsten der Branche zählte.



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