Uni Basel 04.10.2022, 08:23 Uhr

Ultrakalte Schaltkreise

Basler Forschern ist es gelungen, einen elektrischen Schaltkreis auf einem Chip durch Verbesserung eines speziellen Kühlschranks und eines Niedrigtemperatur-Thermometers auf 220 Mikrokelvin zu kühlen – nahe dem absoluten Temperatur-Nullpunkt.
Der Kryostat, mit dem die Basler Physiker eine Rekordtemperatur von 220 Mikrokelvin erreichten. In der Bildmitte ist das spezielle Thermometer inklusive Massstab zu sehen (goldenes Rechteck)
(Quelle: Universität Basel, Departement Physik)
Kühlt man Materialien auf extrem niedrige Temperaturen ab, so verhalten sie sich oft ganz anders als bei Raumtemperatur. Ein bekanntes Beispiel ist die Supraleitung, bei der einige Metalle und andere Stoffe unterhalb einer kritischen Temperatur elektrischen Strom komplett verlustfrei leiten. Bei noch tieferen Temperaturen können dann weitere quantenphysikalische Effekte auftreten, die sowohl für die Grundlagenforschung als auch für Anwendungen in Quantentechnologien höchst interessant sind.
Solche Temperaturen - weniger als ein Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von 0 Kelvin oder -273,15 Grad Celsius - zu erreichen, ist allerdings äusserst schwierig. Physiker aus der Forschungsgruppe von Dominik Zumbühl an der Universität Basel haben nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des VTT Technical Research Centre in Finnland und der Lancaster University in England einen neuen Niedrig-Temperaturrekord aufgestellt. Ihre Ergebnisse haben sie soeben im Fachjournal Physical Review Research veröffentlicht.

Abkühlen mit Magnetfeldern

«Das Problem ist nicht nur, ein Material stark abzukühlen», erklärt Christian Scheller, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Zumbühls Labor, «sondern auch, die extrem tiefen Temperaturen dann verlässlich zu messen.»
In ihren Experimenten kühlten die Forscher einen kleinen elektrischen Schaltkreis aus Kupfer auf einem Siliziumchip ab, indem sie ihn zuerst einem starken Magnetfeld aussetzten, dann mit einem als Kryostat bezeichneten speziellen Kühlschrank abkühlten und schliesslich das Magnetfeld langsam herunterfuhren. Dadurch wurden die Kernspins der im Chip enthaltenen Kupferatome anfangs wie kleine Magnete ausgerichtet und am Ende durch die vom Herunterfahren des Magnetfelds herbeigeführte Verringerung ihrer magnetischen Energie effektiv noch weiter abgekühlt.
«Mit solchen Methoden arbeiten wir zwar schon seit zehn Jahren», sagt Omid Sharifi Sedeh, der als Doktorand an dem Experiment beteiligt war, «doch bislang waren die tiefsten Temperaturen, die man so erreichen konnte, durch die Vibrationen des Kühlschranks begrenzt.»
Diese Vibrationen, die durch das stetige Verdichten und Verdünnen des Kühlmittels Helium in einem so genannten «trockenen» Kryostaten entstehen, heizen den Chip merklich auf. Um das zu verhindern, entwickelten die Forscher eine neue Halterung, die so fest verdrahtet ist, dass sie den Chip trotz der Vibrationen auf niedrigste Temperaturen abkühlen können.

Robustes Thermometer

Um diese Temperaturen auch genau messen zu können, verbesserten Zumbühl und seine Mitarbeiter ein spezielles Thermometer, das in den Schaltkreis eingebettet ist. Das Thermometer besteht aus Kupfer-Inseln, die über sogenannte Tunnelkontakte verbunden sind. Durch diese Kontakte können Elektronen sich je nach Temperatur mehr oder weniger leicht bewegen. Die Physiker fanden nun eine Methode, um das Thermometer robuster gegen Materialfehler und zudem temperaturempfindlicher zu machen.  Das erlaubte es ihnen schliesslich, eine Temperatur von nur 220 Millionstel Grad über dem Nullpunkt (220 Mikrokelvin) zu messen.
In Zukunft wollen die Basler Forscher mit ihrer Methode die Temperatur nochmals um einen Faktor zehn senken und langfristig auch Halbleiter-Materialien abkühlen. Damit ist dann der Weg frei für die Untersuchung neuer quantenphysikalischer Effekte, aber auch für verschiedene Anwendungen, wie etwa die Optimierung von Qubits in Quantencomputern.

Autor(in) pd/ jst



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