Herausforderung für Firmen 25.05.2020, 09:03 Uhr

Home Office - Von den Tücken der Rückkehr ins Büro

Alle ab ins Home Office - im März war die Sache noch klar. Bei der Rückkehr ins Büro sind sich Arbeitgeber deutlich weniger einig. Das kann Konsequenzen haben.
(Quelle: shutterstock.com/Creative Lab)
Was zuvor als unmöglich galt, wurde einfach gemacht. «Ich habe gelernt, dass man einen grossen globalen Konzern aus dem Home Office führen kann», bekannte der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, im Mai in einer Telefonkonferenz.
Zu Beginn der Corona-Krise war alles ganz schnell gegangen: Wer konnte, schickte als Arbeitgeber seine Mitarbeiter nach Hause. Home Office - vorher vielerorts nur in Ausnahmefällen üblich - wurde zum Alltag für Millionen Menschen.
Schnell wurde deutlich: Wer seinen Job auch im heimischen Wohnzimmer erledigen kann, gehört - vermutlich nicht nur - in Pandemie-Zeiten zu den Privilegierten. Verkäuferinnen, Paket-Zusteller, Ärztinnen oder Polizisten: Sie alle hatten zu keiner Zeit die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten, sondern mussten weiterhin raus. Doch die anderen konnten mit dem Zuhausebleiben zumindest ihren Beitrag leisten, die Gesamtinfektionszahlen nach unten zu drücken.
So erstaunlich schnell wie der Rückzug ins Home Office zu Krisenbeginn klappte, so kompliziert und unterschiedlich gestaltet sich nun die Rückkehr. Angesichts der Lockerungen in vielen Lebensbereichen stellt sich nun vermehrt die Frage: Wann geht es eigentlich zurück ins Büro? Und vor allem, wie?

Apple und Google preschten vor

Die Tech-Giganten Apple und Google preschten vor und kündigten an, bis zum Ende des Jahres Home Office zu ermöglichen, Twitter sogar «für immer». In vielen Betrieben tüfteln derweil Chefs und Corona-Taskforces dagegen zurzeit noch an Rückkehrplänen, messen Tischabstände aus und teilen ihre Angestellten in Schichten und Gruppen ein. Andere sehen die Pandemie weitgehend als überstanden an und haben schon wieder Präsenz vor Ort angeordnet.
Während Anfang April deutlich mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer im Home Office gearbeitet hat, lag dieser Wert Anfang Mai schon deutlich darunter, wie aus der Mannheimer Corona-Studie hervorgeht, für die Forscher der dortigen Universität in einer Langzeit-Studie regelmässig etliche Bürger befragen. Mitte Mai waren es noch knapp 9 Prozent, die angaben, komplett im Home Office zu arbeiten, gut 20 Prozent waren zumindest teilweise wieder vor Ort im Job.
Der weit auseinander klaffende Umgang mit der Rückkehr kann zum einen daran liegen, dass ein Marketing-Mensch seine Arbeit vielleicht fast 1:1 nach Hause verlagern kann, während die Technische Zeichnerin ohne grosse Bildschirme und leistungsfähige Rechner deutlich weniger effizient arbeiten kann. Doch nicht alle Unterschiede sind so rational begründet.

Unternehmenskultur spielt eine Rolle

«Die Unternehmenskultur spielt eine grosse Rolle», meint Thomas Clauss, der an der Universität Witten-Herdecke Familienunternehmen erforscht. «Es gibt den Stereotypen des alten Patriarchen, der die Mitarbeiter im Blick haben will und sagt: 'Ich halte nichts von Home Office'». Für diesen Typus gebe es viele Beispiele.
Corona stellt Arbeitgeber jedoch vor neue Herausforderungen. Wenn sie darüber bestimmen, wer wann wo arbeitet, darf nicht nur das ökonomische Interesse zählen. So erinnert die Gewerkschaft Verdi an die arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht, die ein Betrieb für seine Mitarbeiter hat. Im Fall einer Pandemie erstreckt sich diese Verantwortung sogar auf einen deutlich grösseren Kreis: Wer mehr Kontakte anordnet, erhöht das Risiko der Infektionen. Wer das Risiko für Infektionen erhöht, trägt dazu bei, wenn die Fallzahlen steigen.
Da der Corona-Ausnahmezustand - wenn auch abgemildert - noch bis auf Weiteres anhält, kommen persönliche Herausforderungen von Arbeitnehmern hinzu: Während ein Kollege wegen einer Vorerkrankung vielleicht zur Risikogruppe gehört, können andere bis auf Weiteres ihre Kinder noch nicht wieder in die Kita bringen.
«Die Leute haben sich entwöhnt von dem, womit sie sich arrangiert hatten. Das ist ein Moment, in dem man Vertrauen auch verspielen kann», erklärt Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. «Wenn Menschen sich an Freiheiten gewöhnt haben, wird sich Widerstand regen, wenn ihnen diese wieder genommen werden.»

Vor- und Nachteile von Home Office

So sei es wichtig, die Vor- und Nachteile von Home Office konstruktiv zu diskutieren: Gehen Telefonate vielleicht besser in Ruhe zu Hause? Und Excel-Listen besser im Büro, unterbrochen durch kurze Gespräche mit Kollegen? Man müsse mit Ablehnung rechnen, «wenn Führungskräfte versuchen, starre Regeln einfach so weiterzuführen, ohne dass es dafür eine Notwendigkeit gibt», erklärt Schade.
So stellte man etwa bei der Deutschen Telekom fest, dass sich die Produktivität der Service-Abteilung im Home Office um acht Prozent steigerte. Auch die Gesundheitsquote verbesserte sich im April trotz der Pandemie deutlich im Vergleich zu den Vorjahren.
Ganz aufs Home Office umsteigen will Telekom-Chef Tim Höttges deswegen dennoch nicht - aber infrage stellen, wo es sinnvoll sein könnte und wo nicht. «Ich glaube zutiefst daran, dass es gut ist, hybride Strukturen zu haben», sagte Höttges in einer Telefonkonferenz.
Arbeitspsychologin Schade hält eine Rückkehr, die im Austausch mit den Mitarbeitern passiert und deren Bedürfnisse berücksichtigt, für die beste Wahl: «Zum einen ist es gut wegen Corona, wenn nicht alle gleichzeitig wieder Vollzeit im Büro sind. Und für jede psychologische Anpassung ist es einfacher, wenn sie graduell passiert.»



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