Swiss Telecommunications Summit 14.07.2022, 10:58 Uhr

Zukunft der Kommunikation thematisiert

Beim Swiss Telecommunications Summit 2022 des Telekomverbands Asut standen das Wachstum der Datenmenge und deren Verarbeitung, die Bedeutung digitaler Infrastrukturen sowie der Umgang mit neuen Technologien im Fokus.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit Martin Bürki von Ericsson (Mitte) und Christian Grasser von Asut
(Quelle: Rüdiger Sellin)
Früher dauerte es meist einige Generationen, bis die neuen Fertigkeiten ihren festen Platz gefunden hatten. Internet, Smartphones und flächendeckende Vernetzung haben die individuellen Möglichkeiten zur Kommunikation enorm erweitert und beschleunigt. Aber auch die Kommunikation zwischen Computern und Prozessen nimmt inzwischen über 50 Prozent der gesamten Kommunikation ein und erklärt das weiterhin stürmische Wachstum der Datenmenge. Wie die Zukunft der Kommunikation aussehen könnte und was davon bereits heute sichtbar wird, erfuhren rund 550 Besucher am 47. Asut-Seminar, moderiert von Journalist und Fernsehmoderator Reto Brennwald.

Offener für digitale Infrastrukturen werden

Nach dem Einstieg mit Martin Bürki, Asut-Vorstand und CEO von Ericsson (Schweiz), berichtete Bundesrätin Simonetta Sommaruga (Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, UVEK) über digitale Innovationen in der Ukraine, die sie vor zwei Jahren besuchte. Die vom Staat aktiv geförderte Digitalisierung des Landes habe einen grossen Innovationsschub ausgelöst, welcher dem Volk sogar gegenwärtig helfe. Auch die Schweiz könne noch weitaus mehr als heute von solchen Innovationen profitieren, die noch längst nicht alle Landesteile erreicht hätten.
Wie wichtig digitale Infrastrukturen seien, zeige sich immer dann, wenn sie nicht verfügbar sind, ob während Netzpannen der Swisscom oder beim Ausfall der Flugsicherung, so Sommaruga. Sie setze sich für 5G ebenso aktiv ein wie für eine breitbandig vernetzte Schweiz. Die Schweiz müsse dabei offener für Veränderungen werden, denen man hierzulande nicht immer positiv begegne. Das sehe man beispielsweise bei 5G. An die Adresse der Betreiber sagte sie, dass man die Bevölkerung aktiver über neue Ausbauschritte informieren müsse. Sie sehe bei ihrer täglichen Arbeit im Bundesrat, wie wichtig sachliche Informationen seien, sagte Sommaruga.

Der «Homo Digitalis» stösst an seine Grenzen

Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich, sprach über den «Homo Digitalis»
Quelle: Rüdiger Sellin
Ob unser Gehirn für die moderne Kommunikation geeignet ist, hinterfragte Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich. Der Mensch habe in den letzten 75’000 Jahren bemerkenswerte Fähigkeiten perfektioniert, mit denen er seine Grundbedürfnisse befriedigen könne. Dazu gehören vielfältige verbale und nonverbale Kommunikationsmechanismen, ergänzt durch psychische Funktionen, die Vertrauen und Bindung zu Sozialpartnern ermöglichen und festigen.
Mit den Tieren teilen wir dabei die Neugierde, das Streben nach Macht, Sicherheit und Zuneigung und verteidigen ebenso wie sie unser Revier und schätzen Vertrauen und Kooperation. Der grösste Feind des Menschen sei er selbst, was auch am exponentiellen Bevölkerungswachstum liege. Zudem hätten unsere digitale Welten viele der biologischen Mechanismen innert nur einer Dekade praktisch ausser Kraft gesetzt. So bewege sich die Schweizerin, der Schweizer täglich rund sechs Stunden im Internet, meist auf mobilen Geräten.
Der «Homo Digitalis» – der digitale Mensch – werde dabei mit 11 Millionen Bit pro Sekunde bombardiert, könne faktisch aber nur 40 bis 56 Bit pro Sekunde verarbeiten. Das Gehirn des Menschen sei nicht für die moderne Welt geschaffen. Die Veränderungen würden zu schnell ablaufen und uns sehr belasten, resümierte Jäncke.

Virtuelle Arbeitswelten

Über die Transformation von Kommunikationsdiensten berichtete Sofia Keikkala Isacsson, Head of Solution Line Communication Services bei Ericsson AB. Die Pandemie habe die Digitalisierung weltweit beschleunigt, an der die ICT am meisten beisteuere. Menschen würden digitaler als je zuvor kommunizieren, wodurch sie einen integralen Bestandteil zahlreicher digitalisierter Prozesse bilden. Das zeige sich am wachsenden Gebrauch von Videokonferenzen und -anrufen, was besonders bei weltweit agierenden Teams von Vorteil sei. Isacsson stellte in Aussicht, dass die nächste Generation drahtloser Netze neue Dimensionen der audiovisuellen Kommunikation eröffnen werde, etwa mit Fern-Holografie oder Telepräsenz/Telemedizin.
Sofia Keikkala Isacsson von Ericsson AB referierte über die Transformation von Kommunikationsdiensten
Quelle: Rüdiger Sellin
Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der ZHAW, diskutierte mit Jayan Vigneswaran, Lernender bei IBM, Zoë Maire, Geschäftsführerin und Mitgründerin der Kommunikationsagentur Enpointe, und Sarah Schlagenhauf, Gründerin von Artdeal, darüber, ob die neue Generation der «Digital Natives» die besseren Karten im Umgang mit digitalen Medien hat. Schnell zeigte sich jedoch, dass die digitale Aufgeschlossenheit eher mit Faktoren wie Technikinteresse und sozialem Umfeld zusammenhängt.
Die Philosophin und Autorin Rebekka Reinhard rief dazu auf, Innovation mit Menschlichkeit zu verbinden, um die Herausforderungen künftiger Kommunikationstechnologien bewältigen zu können. Sie kam zu einem ähnlichen Schluss wie Jäncke: Wer die Chancen digitaler Kommunikationstechnologien wie Anteilnahme und Wissensaustausch für sich nutzen will, sollte ein gesundes Mass an Selbstdisziplin haben.

Neue Technologien

Ob 5G, Wi-Fi 6 oder künstliche Intelligenz (KI) – und was machen wir jetzt damit? Dieser Frage ging Paul Michael Scanlan, CTO von Huawei Technologies, nach. Für ihn ist klar, dass die rasante Entwicklung der letzten zehn Jahre weiter an Tempo und Umfang gewinnt. Denn erst durch die Verbindung von ICT-Technologien mit KI werde das volle Potenzial neuer Netzwerktechnologien ausgeschöpft. Im Zentrum stünden dabei laufend gesammelte Daten und daraus gewonnene Erkenntnisse, was für verschiedenste Branchen von Nutzen sei, sagte Scanlan.
Moritz Zumbühl, einer der beiden Gründer der Blindflug Studios AG, sprach begeistert davon, wie sich «gamifizierte Interaktionen» zu einem neuen Massenmedium für alle Altersgruppen und zur Basis neuer digitaler Geschäftsmodelle mausern. Sein Unternehmen baue spielerische Elemente auch in Prozesse ein, die mit Games eigentlich nichts zu tun haben. So habe er Anfang 2021 darüber nachgedacht, wie sich das mühevolle Ausfüllen einer Steuererklärung packender gestalten liesse, und vorgeschlagen, es als spannendes Spiel mit Scores umzusetzen. Wenig überraschend ist, dass diese Idee bei der durch und durch seriösen Steuerverwaltung auf weniger Enthusiasmus gestossen sei als bei Zumbühl selbst.
Das Foyer bot Gelegenheit für Begegnungen mit Repräsentanten aus der Schweizer Politik sowie aus Wirtschaft, Forschung und Lehre
Quelle: Rüdiger Sellin

Digitalisierung als Innovationstreiber

Welche Rolle spielen moderne Kommunikationstechnologien heute bei Innovationen? Annalise Eggimann, Direktorin Innosuisse, gab einen Einblick in die Innovationsförderung in der Schweiz. Zuletzt habe die Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt, wie verletzlich unsere hochvernetzte und arbeitsteilige Welt ist. In dieser Phase sei die Digitalisierung spürbar beschleunigt worden, was sich in geschäftlichen Prozessen gleichermassen manifestiert habe wie im Privatbereich. Eggimann zeigte sich überzeugt, dass gerade die Kommunikationstechnologien starke Innovationstreiber aller Wirtschaftssektoren sind und kreative Antworten auf vielfältige Herausforderungen liefern können.
Weitere Referate und die traditionelle Elefantenrunde mit den CEOs der Schweizer Telkos, dieses Jahr ergänzt um die Präsidentin der Eidgenössischen Kommunikationskommission ComCom, sorgten für weitere Höhepunkte am Nachmittag. Natürlich wurde von den Teilnehmenden auch die Möglichkeit zum direkten Austausch untereinander rege genutzt.

Autor(in) Rüdiger Sellin



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