Chancen lauern an jeder Ecke 19.04.2024, 10:00 Uhr

Strategische Entscheide bei Unsicherheit

Sicherheit in der Unsicherheit ist ein hoher Anspruch. Es zahlt sich aus, ihn einzulösen. Wenn Fakten ungewiss sind und Intuition nicht ausreicht, hilft Strategility weiter.
Orientierung an strategischer Herausforderung und Wirkung sowie die Verbindung von Ausrichtung, Entwicklung und Umsetzung sind Merkmale von Strategility
(Quelle: Strategility: Pichel, Haas, Kruschitz)
Veränderungen sind oft Herausforderung und Chance zugleich. Dabei müssen häufig Entscheide mit hoher Tragweite, die sich langfristig auswirken, unter Unsicherheit getroffen werden. Im Forschungsprojekt zu Strategility haben wir mit Unternehmen und Verwaltungen über zwei Jahre Prinzipien erprobt, die gezielt Sicherheit bei Unsicherheit schaffen. Dazu die folgende Reflexion.

Den Fokus auf der Wirkung halten

Wenn wir eine strategische Herausforderung angehen, sind damit Chancen und Risiken verbunden. Erfahrungsgemäss wird oft schnell nach Lösungen gesucht, die dann mit grossem Aufwand und unter Zeitdruck realisiert werden. Vielfach geht der Fokus auf die Wirkung verloren, weil das Ergebnis im Zentrum steht. Zu starke Ergebnisorientierung führt zu festhalten am Ergebnis, Wirkungsorientierung hingegen führt zu Freiheit in der Ergebnisgestaltung. Um die Orientierung an der Wirkung zu stärken, lohnt es sich, diese konkret zu formulieren und Indikatoren festzulegen. Die Prüfung, ob die Wirkung eintritt, wird dabei nicht erst am Ende eines Vorhabens, sondern frühzeitig und laufend, mit definierten Indikatoren vorgenommen. Für viele Personen erfordert dies einen Mindshift in ihrer Denk- und Handlungsweise.

Empirisches Vorgehen nutzen

In strategischen Entscheiden gehen wir von (vermeintlich klaren) Fakten und Annahmen aus. Annahmen mit hoher Tragweite führen zu hoher Unsicherheit. Wo Analysen nicht Klarheit schaffen können, ist empirisches Vorgehen nötig. Dabei werden in kurzen Iterationen (mit einer Dauer von Tagen, Wochen) Experimente/Tests durchgeführt, die rasch Informationssicherheit schaffen. Aufwand, Dauer und Informationsgewinn aus einem Experiment sind in vielen Bereichen gut einschätzbar. Zudem führen Experimente/Tests häufig zu zusätzlichen Erkenntnissen, die nicht auf dem Radar waren (wir nennen das den «Beifang»). Ein Design von Hypothesen und Experimenten/Tests schafft Effizienz und Geschwindigkeit und gibt Sicherheit bei einem grundlegenden Kurswechsel. Dies hilft, einen allfälligen Verlust an eingesetzten Mitteln gering zu halten.

Wissensträger einbeziehen

Strategische Entscheide werden wegen ihrer Tragweite in der Regel auf oberster hierarchischer Ebene getroffen. Bei hoher Unsicherheit der Faktenlage ist es sinnvoll, einen Rahmen zu schaffen, um Wissensträger einzubeziehen. Dazu dient ein Prozessdesign, das aufzeigt, wer in welchem Schritt einbezogen wird und welche Informationen ausgetauscht werden. Die Öffnung des Prozesses mit internen und externen Wissensträger ist in der Privatwirtschaft mit Risiken verbunden, in der Verwaltung jedoch ist er unerlässlich und weitgehend institutionalisiert und etabliert. Der Einbezug von internen Wissensträgern führt zudem zu Verankerung von strategischen Entscheiden in der Organisation. Der Ansatz von «OpenStrategie» hat sich vielfach bewährt.

Den Prozess ins Fliessen bringen

Auf strategische Herausforderungen muss dann reagiert werden, wenn sie auftreten – nicht in vordefinierten Mehrjahreszyklen. In Organisationen mit hoher Änderungsdynamik aufgrund von Innovation, Veränderung des Umfelds und der Rahmenbedingungen, des Marktes etc. sind Strategien und Umsetzungspläne oft rasch veraltet. Dieser Herausforderung kann einfach mit einem Strategieprozess begegnet werden, der Strategieausrichtung, -entwicklung und -umsetzung als dauerhafte Prozesse einrichtet und mit einer einfachen, übergeordneten Steuerung verbindet. Dies geschieht mit einem Strategility-Board.
Strategility
In unserer Forschung mit über 10 Firmen und Verwaltungen haben wir Prinzipien erprobt, die für strategische Entscheidungsfindung hilfreich sein können. Sie verbinden etabliertes strategisches Management mit verbreiteten agilen Arbeitsweisen. Daraus ist das Framework «Strategility» entstanden, das als Buch mit vielen Hilfsmittel publiziert wurde. Das Forschungsprojekt wurde von Innosuisse, der Schweizer Innovationsagentur, mitfinanziert. Autoren von Strategility sind Prof. Dr. Kerstin Pichel, Thomas Haas, Bernhard Kruschitz. www.strategility.org

Die Moderation sicherstellen

Der Strategility-Master etabliert den Prozess, hält ihn am Laufen und optimiert ihn kontinuierlich. Er stellt die wenigen benötigten Hilfsmittel zur Verfügung und unterstützt das Strategieteam. Er sorgt damit für Effizienz und Wirkung. In grösseren Organisationen hat sich bewährt, dass die Rolle von einem kleinen Team übernommen wird, das auch die Business Owner in ihrer Tätigkeit unterstützen. Für Strategility-Master ist ein kurzes Training hilfreich, damit sie sich vertieft mit dem Thema auseinandersetzen können (siehe Box).
Community und Trainings
Seit Erscheinen von Strategility haben sich verschiedene Organisationen, Verwaltungen und Berater für die Anwendung von Strategility entschieden. Die Strategility Community umfasst über 80 Personen aus Wirtschaft, Verwaltung, Beratung und Forschung. Sie tauscht sich regelmässig aus, diskutiert die Anwendung und Weiterentwicklung von Strategility und organisiert sich über www.meetup.com.  Für Strategility Master finden regelmässig Kurse statt. www.strategility.org

Die Kultur schaffen

Entscheide unter Unsicherheit erfordern, dass wir im Prozess lernen und bei Bedarf Richtungswechsel vornehmen. Die Krisen der vergangenen Jahre haben uns (trotz vielen negativen Aspekten) erfreulicherweise gelehrt, dies im Bewusstsein zu halten. Erstaunlicherweise stellen wir bei der iterativen Arbeitsweise immer wieder fest, dass neue Erkenntnisse anfallen, an die niemand gedacht hatte und neue Perspektiven öffnen. Die erforderliche Offenheit und Kultur des Lernens zu schaffen (falls sie bisher nicht ausgeprägt vorhanden ist) ist etwas, das sich in der Regel auszahlt. Es ist eine Aufgabe in Verantwortung des Managements auf allen Stufen.
Bei der Anwendung von Strategility hat sich bewährt, eine kurze Analyse der vorherrschenden Kultur durchzuführen. Oft hat sich gezeigt, dass die Kultur in einer Organisation heterogen ist, was im Vorgehen mitberücksichtigt werden sollte. Für die Kulturanalyse wie auch andere Themen stellt Strategility mittels QR-Code im Buch etwa 20 downloadbare Hilfsmittel zur Verfügung.
Impressum
Das offizielle Publikations­organ des VIW
Herausgeber: VIW – Wirtschafts­informatik Schweiz www.viw.ch
Podcasts, Videos & mehr: https://my.viw.ch
Der Autor
Bernhard Kruschitz
Als Unternehmer, Strate­gieberater und Co-Autor von «Strategility» ist er bekannt für seine inter­aktionsstarken Seminare und Workshops. Ur­sprünglich Wirtschafts­informatiker hat er die auf Projektmanagement spezialisierte Firma BKI AG gegründet und über 20 Jahre erfolgreich als Inhaber geführt. Im Zentrum seines Handelns stehen Menschen und ihre erfolgreiche Zusam­menarbeit in der Veränderung. www.kruschitz.ch



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