Eine neue Methode zur Stärkung der Innovationskraft 11.03.2020, 12:49 Uhr

Innovation Activators

Die rasante Veränderung der Geschäftswelt stellt Unternehmungen vor grosse Herausforderungen. Der Innovation-Activators-Ansatz setzt Innovationskraft frei, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Als Dozenten und Forscher im betriebswirtschaftlichen Bereich an einer Schweizer Fachhochschule kommen
wir wiederkehrend in Kontakt mit Unternehmen, die ihre Innovationsfähigkeiten verbessern möchten. Drei Bereiche stechen dabei immer wieder heraus. Der erste betrifft die Innovationsanstösse. Um sie systematisch aufzufangen, pflegen viele Organisationen ein System für das Ideenmanagement und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Die Erwartungen werden aber oft nur zum Teil oder nicht erfüllt. Häufige Mängel sind eine geringe Anzahl, beschränkte Vielfalt und geringe Qualität der Eingaben. Auch die Einführung ausgefeilter IT-Werkzeuge führt unseres Wissens nach nicht zur erhofften Besserung. So überrascht es kaum, dass der zweite herausfordernde Bereich beim Innovationsverständnis innerhalb einer Organisation angesiedelt ist. Insbesondere ist man sich uneins, welche Abweichungen von den Standardprozessen sich im Alltagsgeschäft bewältigen lassen und welche Neuerungen eine Innovation darstellen und besondere Aufmerksamkeit erfordern.

Wenn die Idee zum Konflikt führt

Wie unsere Erhebungen zeigen, gibt es einen weiteren bedeutenden Aspekt im Umgang mit Anpassungs-vorschlägen, den es zu berücksichtigen gilt: Wenn aus subjektiver Sicht ähnliche Anliegen unterschiedlich behandelt werden, entstehen Missstimmungen in der Belegschaft. Beharrlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, persönliche Beziehungen und weitere Faktoren führen dazu, dass bei einer Ad-hoc-Handhabung der Vorschläge einzelne Mitarbeitende zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
So erwirkt die überzeugungsstarke Vertriebsmitarbeiterin zum Beispiel eine zugeschnittene Produkt-anpassung, um den Bedürfnissen eines Kunden besser zu entsprechen. Ihr weniger forscher Kollege kann sich mit einem ähnlichen Anliegen hingegen nicht durchsetzen. Um die dadurch resultierenden Probleme in den Griff zu bekommen, verlangen manche Geschäftsleitungen, dass alle Anliegen einheitlich behandelt werden, was nicht selten zur Folge hat, dass kleinere Anpassungen aufgrund administrativer Aufwände nur ungern oder gar nicht angegangen werden und umfangreiche Vorhaben nur mit grossem Einsatz des Top-Managements umgesetzt werden können.
Der dritte Bereich betrifft die Herausforderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in der Umsetzung der verabschiedeten Innovationsprojekte. Manche, meist grössere Unternehmungen verfügen über hervor-ragendes Expertenwissen, um komplexe Projekte zu realisieren. Viele andere – und das betrifft nicht nur kleine Firmen – haben Mühe damit. Die grösste Hürde stellen Unterschiede in den Zielen, im Fachwissen, im Informationsstand und in der fachspezifischen Herangehensweise der jeweiligen Spezialisten dar – so betrachtet ein Ingenieur ein Vorhaben anders als ein Marketingexperte und beide wiederum anders als ein Chemiker.

Der Innovation-Activators-Ansatz

Wir haben den Ansatz der «Innovation Activators» in Zusammenarbeit mit verschiedenen Praxispartnern und im Rahmen eines KTI-Projekts (heute Innosuisse) entwickelt. Er besteht aus drei Modulen, die jeweils einen der zuvor genannten Bereiche abdecken.
Das erste Modul fokussiert auf die Ermittlung der Innovationspotenziale. Diese kann entweder dem Zufall, einer überdurchschnittlich begabten Einzelperson oder einer eigens dafür gebildeten Abteilung für Forschung und Entwicklung überlassen werden. Weiter kann sie an externe Experten und Berater ausgelagert oder unternehmens­intern mit Kreativitätstechniken angegangen werden. All diese Optionen haben ihre Berechtigung und finden bereits Anwendung.
Der Innovation-Activators-Ansatz hat einen anderen Fokus. Er zielt darauf ab, die gesamte Unternehmung zu mobilisieren und gleichzeitig auch das Unternehmensumfeld zu involvieren. Er kann gleichwohl punktuell eingesetzt werden, um einmalig Innovations­potenziale an die Oberfläche zu bringen, oder aber institutionalisiert werden – was aus unserer Sicht das Ziel ist –, um die Unternehmung kontinuierlich mit Innovations­vorschlägen zu speisen.
Die Lancierung der Methode zielt zunächst ab auf die Sensibilisierung von Mitarbeitenden für Innovationsvorschläge und später eventuell zusätzlich auf externe Anspruchsgruppen wie etwa Lieferanten oder Partner. Der Grund für eine Sensibilisierung liegt darin, dass an die Unternehmung die Vorschläge in Form von Anfragen, Hinweisen und Beschwerden herangetragen werden. Allerdings tragen diese nicht alle ein Innovations­potenzial in sich und nicht alle passen zur jeweiligen strategischen Ausrichtung.
Übrigens gilt: Je sensibler die Menschen in einem Unternehmen in Bezug auf Innovationen werden, desto zahlreicher, vielfältiger und auch qualitativ besser werden ihre Verbesserungsvorschläge sein.
Bei einer punktuellen Anwendung des Ansatzes fokussiert die Analyse auf die Interaktionen sowohl innerhalb der Unternehmung zwischen Mitarbeitern als auch zwischen der Unternehmung und externen Anspruchsgruppen wie Kunden, Geschäftspartnern, Zulieferern und dem professionellen Netzwerk der jeweiligen Mitarbeiter (vgl. Grafik 1). Durch die detaillierte Analyse der Interaktionen lassen sich manche Innovationspotenziale aufdecken.

Motivation der Mitarbeitenden wächst

Neben der systematischen Aufdeckung von Innovationsmöglichkeiten erhöht die konsequente Umsetzung der
Methode die Motivation bei den Mitarbeitern und stärkt bei den extern involvierten Partnern die Verbundenheit mit dem Unternehmen. Dies insbesondere, da es für zahlreiche Mitarbeitende eine tief empfundene Befriedigung beschert, einen substanziellen Beitrag zur Fortentwicklung der Organisation zu leisten, nützliche Veränderungen durchzubringen sowie kollegiale Wertschätzung für eigene Vorschläge zu erhalten.
«Mutatis mutandis» gilt dasselbe auch für externe Partner. Umgekehrt zerstört das wiederholte Ignorieren von Ideen über kurz oder lang die Begeisterung bei den Mitarbeitenden, sich für Verbesserungen zu interessieren und einzusetzen, da sie die eigene Wirksamkeit infrage stellen. Dehnt man die Wirkung eines solchen Nebeneffekts auf die gesamte Unternehmung und ihre relevante Umwelt aus, so kann man die Konsequenzen abschätzen.

Transparenz und Fairness

Im zweiten Modul werden die Schritte analysiert und verbessert, die von einer geeigneten Eingabestelle für Vorschläge über die Gestaltung des Ablaufs der Weiterverfolgung von Ideen, bis hin zur sorgfältigen Konzeption des Entscheidungsverfahrens und letztlich zu einer Archivierung von abgelehnten Vorhaben führen (vgl. Grafik 2).
Eine Eingabestelle (Entry Point) sollte ein reibungs­loses sowie unkompliziertes Entgegennehmen der Vorschläge von Mitarbeitenden sowie externen Stakeholdern sicherstellen – wobei Letztere ihre Ideen meist eher an eine
Ansprechperson innerhalb der Unternehmung übergeben. Die Eingabestelle, es können auch mehrere sein, kann entsprechend der Unternehmensgrösse und den spezifischen Bedürfnissen angepasst werden. Aus unserer Sicht bleibt es jedenfalls essenziell, den Mitarbeitenden für die Ein­reichung ihrer Vorschläge so früh wie möglich einen persönlichen Kontakt gegenüberzustellen.
Zum zweiten Modul zählt ebenfalls die Festlegung von Kriterien, welche die Einbindung von Mitarbeitenden und weiteren Spezialisten für die Weiterentwicklung der Vorschläge regelt, bis sie dem zuständigen Entscheidungs­gremium übergeben werden. Transparenz, Konsistenz und Fairness sind die höchsten zu beachtenden Gebote in der Ausgestaltung dieses Verfahrens.
Im dritten Modul steht die interdisziplinäre Zusammen­arbeit bei der Umsetzung der Innovationspotenziale im Zentrum. Interaktionen unter Spezialisten unterschied­licher Fachrichtungen sind ein anerkannter Erfolgsfaktor für Innovationen. Sie sorgen allerdings häufig für erheb­liche Schwierigkeiten in Innovationsprozessen, da sie selten reibungslos verlaufen. In Modul 3 werden daher Hürden und Faktoren, welche die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern, in den bestehenden Unternehmensprozessen identifiziert. Aufbauend auf den Ergebnissen der Analyse werden Massnahmen erarbeitet, welche die Effizienz und Wirksamkeit der Zusammenarbeit steigern. In Grafik 3 werden die drei zentralen Interventionsbereiche skizziert.
Nutzen des Innovation-Activators-Ansatzes
Durch die Umsetzung des Innovation-Activators-Ansatzes kann eine Unternehmung die Anzahl, Vielfalt und Qualität innovativer Ideen steigern. Gleichzeitig verbessert sie massgeblich die Fähigkeit, Innovationspotenziale wahr­zunehmen. Das liegt auch daran, dass Mitarbeitende mit der Implementierung des Ansatzes auch Potenziale wahrnehmen, denen sie bis anhin wenig Bedeutung zugemessen haben oder die mit einer negativen Konnotation belegt waren wie beispielsweise Konflikte und Beschwerden. Weiter stärkt dieser Ansatz die Motivation der Mitarbeiter sowie die Bereitschaft externer Partner, sich mit Innovation konstruktiv und gewinnbringend auseinanderzusetzen.
Durch die Steigerung von Effizienz, Wirksamkeit und Nachvollziehbarkeit der Auswahlprozesse können Innovationen in einer besseren Qualität und schneller im Sinne einer vorzüglichen Time-to-Market entwickelt werden. Schliesslich führt eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Entscheidungsprozesses zu einer höheren Erfolgsquote solcher Projekte, und zwar deshalb, weil Konflikte aufgrund disziplinärer Verschiedenheiten
innerhalb von Innovationsprojekten ganz vermieden oder frühzeitig und erfolgreich angegangen werden. Auf diese Weise werden Projekte seltener abgebrochen.



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