KI-Implementierungen
21.07.2025, 08:27 Uhr
Rechnen sich KI-Investitionen?
Viele Unternehmen haben in KI-Technologien investiert und damit experimentiert. Gefragt sind nun aussagekräftige Analysen zum Return on Investment.

Eine Analyse des ROI von KI-Investitionen ist komplex, denn hier spielen zahlreiche operative Faktoren hinein.
(Quelle: Shutterstock/chayanuphol)
Für viele Unternehmen haben moderne Technologien auf der Basis Künstlicher Intelligenz (KI) bereits kostspielige Investitionen mit sich gebracht. Doch wie lässt sich messen, ob die gewünschte Effizienzsteigerung und Innovationskraft eingetreten sind? Der Bericht «Pulse of Cloud – Building an Enterprise for the AI Era» von Wipro zeigt auf, dass diesbezüglich in Unternehmen, global wie in der Schweiz, noch spürbare Unsicherheiten herrschen.
Theorie trifft auf Praxis
Auch wenn die meisten Unternehmen auf diesem Gebiet, zumindest wenn es um die Effekte von KI geht, über wenig Erfahrung verfügen, ist der ROI messbar: die Erschliessung grösserer Marktanteile, eine schnellere Markteinführung oder verbesserte Reaktionszeiten sind klare Indikatoren für diese Entwicklung. Eine Analyse des ROI ist jedoch komplex. Ausserdem lassen sich bestimmte KI-Vorteile, wie beispielsweise eine erhöhte Innovationskraft oder weitere Langzeiteffekte wie ein bewussterer Ressourceneinsatz, nur schwierig operationalisieren und messen. Nicht zuletzt stellt die Komplexität der Systeme die anwendenden Unternehmen (noch) vor signifikante Herausforderungen.
Klare Ziele für klare Ergebnisse
Zu den wichtigsten Grundüberlegungen einer erfolgreichen Messung gehört eine bewusste und möglichst konkrete Zielsetzung der von KI-Technologien erwarteten positiven Effekte. Nur so kann eine realistische Erwartung hinsichtlich der zukünftigen Ergebnisse aufgebaut und eine Basis für eine konstante Messung über die Zeit gelegt werden. Grössere Ziele, wie beispielsweise im Retail-Bereich die Bestandsverwaltung zu verbessern, sollten dabei so konkret wie möglich in einzelne Variablen «heruntergebrochen» werden. Diese sind zum Beispiel die Entwicklung der Lagerkosten oder die Schnelligkeit des Warenumschlags. Bei vielen Unternehmen steht die Erhöhung der Effizienz weit oben auf der Prioritäten-Liste. Auch hier sollten im Vorhinein die Variablen bestimmt werden, die einen Erfolg definieren. Die Verfügbarkeit belastbarer Daten in diesem Zusammenhang versetzt IT-Verantwortliche in Unternehmen nicht nur in die Lage, im Nachhinein die Sinnhaftigkeit getätigter Investitionen in KI-Projekte zu belegen; sie bilden auch eine gute Argumentationsbasis, um notwendiges Budget für zukünftige Investitionen zu untermauern.
Datenerfassung neu denken
Um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, empfiehlt sich ein dynamischer Ansatz mit Blick auf die Datenerhebung. Konkret bedeutet dies, über verschiedene Quellen hinweg generierte Informationen aus Maschinen, manuell gepflegten Daten, weiteren Systemen oder Sensoren in Echtzeit miteinander in Verbindung zu setzen. Die Vorbereitung auf eine akkurate Messung des ROI kann somit über den Einsatz von Data Lakes oder Internet-of-Things (IoT)-Plattformen erfolgen. Diese Technologien erfüllen eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Messung: die Fähigkeit, sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten zu integrieren. Im Idealfall laufen die so erhobenen Ergebnisse unmittelbar in die ROI-Berechnung ein, um zeitnahe und kontinuierliche Verbesserungen anzustossen.
Der Grundstein für einen dynamischen Ansatz im Bereich Datenerhebung sollte bereits mit der Infrastruktur gelegt werden. Skalierbarkeit, wie beispielsweise in Cloud-nativen Umgebungen, bietet die nötige Anpassungsfähigkeit. Ausserdem sollten Kapazitäten zur Echtzeit-Analyse mitgedacht werden. Ein stark datengestützter Ansatz erfordert vom Unternehmen einen koordinierten Prozess, um hinsichtlich der Datenverwaltung auf dem neuesten Stand zu bleiben. Dies schliesst beispielsweise die regelmässige Aktualisierung vorhandener Daten sowie deren Bereinigung und Validierung ein. KI ist vor allem dann besonders leistungsstark, wenn die Technologie auf qualitative und aktuelle Daten zugreifen kann.
Unterstützende Technologien
Der entscheidende Faktor ist in Unternehmen häufig die Herausforderung, positive Effekte auf eine bestimmte Ursache oder Massnahme zurückzuführen. Digitale Zwillings-Technologien bieten die Möglichkeit, detailgetreue Simulationen wie die eines Produktionsbetriebs aufzusetzen. So kann definiert werden, welche hypothetische Massnahme vor Ort durchgeführt werden soll und der digitale Zwilling «reagiert» entsprechend darauf – ohne dass dies Konsequenzen auf die physischen Anlagen hätte. Je gründlicher der digitale Zwilling angelegt wird, desto verlässlicher ist die Prognose. Hier eignen sich diverse Methoden der Szenario-Bildung. Im Hinblick auf den Wert eines vereitelten Problems können Kosteneinsparungen auch aus KI-Funktionen wie vorausschauender Wartung und Prognosen zu Lieferkettenunterbrechungen oder Compliance-Konflikten hervorgehen. Diese bedeuten zwar keine zusätzlichen Einnahmen, verhindern aber mitunter grössere Verluste oder Strafzahlungen. Konkret können Unternehmen auf der Basis historischer Daten und Erfahrungswerte − unter Berücksichtigung aktueller Gegebenheiten − Szenarien für verschiedenste operative und finanzielle Massnahmen aufsetzen, um deren Effektivität für die Zukunft abzuwägen.
Ausserdem ergibt es Sinn zu erwägen, KI-bezogene KPIs direkt in Management Dashboards zu integrieren. So wird die Sichtbarkeit der technologiebasierten Fortschritte im Unternehmen gefördert, indem unter anderem die Entwicklung der Profitabilität im Zeitverlauf – idealerweise in Echtzeit – anschaulich visualisiert wird.
KI-Implementierung: mehr als nur «auf Sicht fahren»
Das Angebot an neuen, KI-basierten Technologien hat in vielen Unternehmen zunächst einmal eine Phase des «Experimentierens» eingeläutet. Entscheidend wird für die nächste Stufe der KI-Implementierung sein, dass Unternehmen in der Lage sind, datenbasierte Entscheidungen für ihre weitere KI-Strategie zu treffen. So können für den jeweiligen Betrieb nützliche von weniger nützlichen Technologien getrennt werden. Erfolgskritisch wird dabei sein, eine anpassungsfähige Infrastruktur aufzustellen, die auf verschiedene Szenarien reagieren kann. Kapazitäten für Echtzeit-Analysen sollten mitgedacht werden, da diese die Sichtbarkeit wirksamer Massnahmen im Unternehmen deutlich erhöhen können. Ein dynamischer Ansatz hinsichtlich der Datenerfassung und -verarbeitung wird bei der Realisierung der aufgestellten Ziele eine grosse Rolle spielen: Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, unterschiedliche Datenformate in Echtzeit integrieren zu können sowie auf potenzielle neue internationale Standards im Datenmanagement agil zu reagieren.
Der Autor
Kiran Minnasandram
Als Chief Technology Officer bei Wipro bringt Kiran Minnasandram über 30 Jahre Erfahrung in der IT-Branche mit. Seine Expertise erstreckt sich über verschiedene Sektoren, insbesondere Kapitalmärkte und Banking.