24.11.2010, 06:00 Uhr

Hier wirbt der Kunde selbst

Suchmaschinen liefern Tausende Treffer, doch viele Ergebnisse sind für Verbraucher nutzlos. Deshalb wählen Anbieter heute andere Kanäle, um ihre Waren abzusetzen – und lassen die Kunden für sich werben.
Google Insights ermittelt die Häufigkeit von Suchanfragen - etwa für regionale oder temporäre Promotionen
Der Schweizer E-Commerce boomt. Im Vergleich zum nahezu stagnierenden stationären Einzelhandel verzeichneten die Onlineshops im vergangenen Jahr ein Plus von 14 Prozent. Nahezu jeder dritte Käufer gelangt dank einer Suchmaschine auf die Shop-Seiten. Google ist gemäss den Grös­sen im einheimischen Onlinegeschäft zumindest mitentscheidend beim Gewinnen von Kunden. Für Books.ch, LeShop.ch oder die SBB ist zudem die elektronische Kundendatenverwaltung ein wichtiger Erfolgsfaktor. Sie erlaubt es, Angebote besser auf die Käufer abzustimmen. In den Kunden selbst sehen die Onlinehändler hierzulande noch kaum ein Marketinginstrument – trotz einer Facebook-Gemeinde von 2,3 Millionen Schweizern. Laut «E-Commerce-Report» der Fachhochschule Nordwestschweiz haben sich 9 der 21 grössten Internetanbieter noch keine abschliessende Meinung zur Nutzung von Social Media gebildet. Haupthindernisse werden im fehlenden Geschäftsmodell und den raschen Veränderungen bei diesen Plattformen gesehen. Diese Gründe halten immerhin acht der befragten Shops nicht davon ab, Plattformen wie Twitter eine hohe Bedeutung zuzumessen. So schwärmt Matthias Thürer, Marketingchef von ebookers.ch: «Social Media funktioniert sehr gut. So kann man schnell und formlos über Twitter kommunizieren. Kaum ist ein Satz geschrieben, sieht ihn jeder. Die Kunden reagieren darauf schnell.» Käuferempfehlungen Während der Microblogging-Dienst Twitter in erster Linie ein zusätzlicher Kanal für die Anbieter ist, dient Facebook hauptsächlich der Markenpflege. Dabei werden Unternehmen schon mal von den Kunden überholt. «Auf Facebook gibt es eine Freitag Fangruppe mit 15000 Mitgliedern, die nicht von Freitag gegründet wurde», erklärt Filippo Castagna, Marketingleiter des Zürcher Taschenfabrikanten. Welchen Wert die Initiative von Kunden, Käufern und «Fans» haben kann, demonstrierte zuerst Amazon. Das Internetkaufhaus gilt als Vorreiter der benutzergesteuerten Kaufempfehlungen. Lange vor Facebook und Twitter wies Amazon seine Benutzer auf für sie interessante Produkte hin. Das Kaufempfehlungssystem basiert auf der Analyse des Surfverhaltens von Shop-Besuchern. Wenn mehrere Kunden Buch X, CD Y und MP3-Download Z anklicken, werden dem aktuellen Besucher der Produktseite von X auch die Produkte Y und Z zum Kauf vorgeschlagen. Schweizer Seiten wie books.ch und buch.ch adaptieren Amazons patentiertes System, indem sie Produkte vom selben Autor oder der gleichen Kategorie offerieren. Verknüpfungen zu Social Networks fehlen aber häufig noch. Social Tagging
Andere Seiten wie eload24.ch und Office World setzen auf die Verlinkung – die 308 Verknüpfungsmöglichkeiten sind jedoch reichlich übertrieben. Hier soll es offenbar allen Benutzern recht gemacht werden. Von den Links zu populären Plattformen wie Delicious, Facebook und Twitter erhoffen sich die Anbieter einen naheliegenden Vorteil: Weist ein Kunde in der Linkliste oder einer Statusmitteilung seine Kontakte auf ein Produkt hin, bekommt die Empfehlung eine persönliche Note. Dieses «Social Tagging» und das damit verbundene «Social Shopping» ist effektive Werbung. Dank fixfertiger Vorlagen, die auch bei eload24.ch und Office World verwendet werden, ist die Integration von «Social Tagging»-Funktionen einfach. Templates wie AddThis (www.addthis.com) ersparen den Onlineanbietern das separate Anmelden aller ihrer Produkte bei den Social-Media-Diensten und bringen Ana­lysefunktionen gleich mit. Einige Dienste sind (noch) kostenlos. Suchmaschinen
Eine andere Möglichkeit des «Social Shopping» erlaubt der Suchmaschinenservice «Google Insights for Search» – zurzeit ebenfalls noch gratis. Mit der Weiterentwicklung von «Google Analytics» finden Webmaster und Marketingverantwortliche heraus, welche Begriffe oder Produkte aktuell von den Benutzern gesucht werden. Die Analysen lassen sich auf Quellen oder Kantone einschränken sowie über bestimmte Zeiträume. Anhand dieser Daten können z.B. Onlineanbieter auf IP-Adressräume beschränkte Promotionsaktionen starten oder Saisonartikel dann offerieren, wenn sie wahrnehmen, dass die Nachfrage steigt. Geht es nach Google, ist «Google Insights» selbstredend auch ein Steuerungsinstrument für AdWord-Kampagnen. Matthias Thürer von ebookers.ch ist voll des Lobes: «Ein Franken, den wir bei Google ausgeben, entspricht viel mehr als einem Franken Gewinn.» Nicht alle Schweizer Onlineshops teilen indes Thürers Euphorie. Laut «E-Commerce-Report» sind einige Anbieter der Ansicht, Google könne den einheimischen Markt beeinflussen. Diese Verunsicherung resultiere einerseits aus der «Intransparenz» des Suchmaschinenkonzerns, andererseits aus dessen schneller Expansion in andere Tätigkeitsfelder. Eines davon ist ein virtuelles Branchenbuch, das sich hinter dem Kartendienst «Google Maps» verbirgt. Die in den interaktiven Atlas eingetragenen «Points of Interest» (PoI) wie Geschäfte, Hotels oder Restaurants können Unternehmen kostenlos für sich beanspruchen. Das Zürcher Luxushotel Baur au Lac hat zum Beispiel Anfahrtswege, Ausstattungsdetails und Zimmerpreise hinterlegt. Beim Café Sprüngli am Zürcher Paradeplatz stammen die Einträge dagegen lediglich aus der Google-Suche und Kundenbewertungen von IgoUgo und TripAdvisor. Ortsbezogene Dienste Während Suchmaschinenservices für regionale Inhalte auf der Bestimmung der IP-Adresse des Internetsurfers basieren, nutzen mobile Online-anwendungen die Lokalisierung per GPS. Ak­tuelle Smartphones bringen bereits die passenden Funktionen mit. GPS ist sehr viel genauer als die IP-Adresse und zudem mobil. Das ermöglicht Unternehmen eine noch gezieltere Kundenansprache. Ein Geschäftsmodell sähe zum Beispiel wie folgt aus: Während ein Handy-Nutzer mit seinem Smartphone auf local.ch navigiert, bestimmt das Mobilgerät die aktuelle Position. Anhand der Ortsangabe ermittelt der Kartendienst, welche Points of Interest in der Umgebung vorhanden sind. Eine Suche nach «Autovermietung» zeigt passende Anbieter an. Indem ein Vermieter auf seiner verknüpften Webseite etwa einen Rabatt offeriert, finden Kunden eher den Weg zu ihm als zum Mitbewerber. Nach demselben Prinzip funktioniert das Geschäftsmodell des populären Foursquare, ähnlich agiert künftig auch das jüngst lancierte «Facebook Places». Einen «Check-in» belohnt ein Hotel etwa mit einem Freigetränk an der Bar. Das Nutzen ortsbezogener Dienste – «Location based Services» – ist für den lokalen Handel mit wenig Aufwand verbunden. Oft sind Einträge gratis, Dienste müssen lediglich in die eigenen Webseiten eingebunden oder Inhalte von der Homepage auf anderen Plattformen präsentiert werden. Auf der Konsumentenseite sind die Anwendungen dagegen noch mit hohen Investitionen verbunden, etwa den Ausgaben für ein Endgerät und allfälligen Roaming-Kosten für die Onlineverbindung. Eine denkbare Entwicklung sind flächendeckende Funknetzwerke, die von der Wirtschaft für kleines Geld betrieben werden, den Nutzern aber hohe Mobilfunkrechnungen ersparen.


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