24.06.2011, 06:00 Uhr

Schlanke Prozesse

Die Optimierung und Automatisierung von Prozessen steht seit jeher im Zentrum strategischer Überlegungen. Jedoch existieren nur wenig geeignete Muster für KMU, um das Thema ganzheitlich anzugehen.
Bild: © mattjeacock / istockphoto.de
Prof. Dr. Rainer Völker ist Leiter des Kompetenzzentrums Innovation und marktorientierte Unternehmensführung an der FH Ludwigshafen am Rhein, Rolf Scheiber ist CTO der Itartis AG in Winterthur, Daniel Teufer ist Dozent für Geschäftsprozess­management an der ZHAW und Christoph Thome verantwortet die Bereiche Sales und Marketing bei der Itartis AG. Business Process Management (BPM) beschäftigt sich mit der systematischen Ausgestaltung, Steuerung und Weiterentwicklung von Prozessen eines Unternehmens – in der Vergangenheit allerdings aus einer eher eindimensionalen Sichtweise. Dabei traten der nötige integrierende Charakter von Prozessen und die Verschmelzung mit der IT oftmals in den Hintergrund. In jüngerer Zeit gewinnt das Thema, auch in kleineren und mittleren Unternehmen, wieder mehr an Beachtung, weil sich die Arbeitswelt und damit die zur Abwicklung von Informations- und Wissensflüssen zur Verfügung stehenden Werkzeuge enorm weiterentwickelt haben. Viele Vorteile sind mit BPM verbunden, angefangen bei mehr Transparenz über höhere Kundenzufriedenheit bis zu quantitativen Vorteilen, z.B. die Vermeidung von Fehlerkosten oder die Verkürzung von Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten. Man könnte an dieser Stelle konstatieren, dass KMU per se schon über schlanke Prozesse verfügen, da sie üblicherweise flache Hierarchien und schnelle Kommunikations- und Entscheidungswege vorweisen können. Jedoch gehen solche Vorteile in gewachsenen Strukturen oft verloren. Ferner treiben technologische oder soziale Einflüsse auch kleinere Unternehmen dazu, sich mit dem Thema BPM intensiver zu beschäftigen. So hat sich in jüngerer Vergangenheit das Thema Verschlankung bzw. Lean Management – in Bezug auf BPM – in der öffentlichen Debatte manifestiert. Effizienzpotenziale in der Kollaboration, im Informations- und Wissensfluss sind in gesättigten Märkten oftmals die letzten Stellhebel zur Weiterentwicklung bzw. Optimierung eines Unternehmens.

Erfolgsfaktoren für BPM

Die Herausforderungen eines effizienten Business Process Managements dürfen jedoch insbesondere in frühen Phasen nicht unterschätzt werden. Die notwendige Koordination zwischen den unterschiedlichen Abteilungen und Personen sowie unter Umständen auch zwischen verschiedenen Anwendungssystemen und Informationsquellen ist extrem komplex. Oft werden entsprechende BPM-Projekte nur aus einer Sicht angegangen und führen im Ergebnis zu einer eher oberflächlichen und ineffizienten Prozessgestaltung. BPM muss unmittelbar mit der IT Hand in Hand gehen, um wesentliche Potenziale heben zu können. Um alle Möglichkeiten voll auszuschöpfen, gilt es zunächst, das Umfeld auf folgende Erfolgsfak­toren zu optimieren: - Nicht wertschöpfende Aktivitäten eliminieren und so die Durchlaufzeiten erhöhen - Einsatz moderner IT-Systeme zur Prozess­optimierung sowie frühzeitige Einbindung der IT in der Prozessmodellierung - Mitarbeitende frühzeitig in den Prozess einbinden - Unternehmensprozesse am Kundennutzen ausrichten - Isolierte Arbeitsschritte zu sinnvollen Auf­gabenpaketen bündeln - Prozessverantwortung im Unternehmen festlegen und über Kennzahlen steuern

Vorgehensweise: Das 4D-Modell

Voraussetzung für den Erfolg ist, dass die Verantwortlichen nicht in einen unüberlegten Aktionismus verfallen, sondern BPM als ein Vorgehen auf Basis überlegter und zielgerichteter Massnahmen interpretieren. Das 4D-Modell ist ein integriertes Vorgehensmodell, um Effizienz­potenziale in Prozessen zu identifizieren. Dieses bewährte, vierstufige Vorgehen ist folgendermassen zu interpretieren:

Phase 1: Definition of subjects

Ziel dieser ersten Phase ist es, einzelne Prozesse herauszugreifen und diese wiederum in Sub-Prozesse zu zerlegen, sodass alle Prozessaktivitäten transparent dargestellt sind. Anhand von Benchmarks, Kundenumfragen (bei kundenintegrierenden Prozessen), Matrizen bzw. Portfolios oder Interviews werden Leistungslücken identifiziert.

Phase 2: Definition of potential

Die zweite Phase beinhaltet die Detaillierung und Analyse sowie die Quantifizierung vorhandener Leistungslücken z.B. in Form von Bearbeitungszeiten und abgeleiteten Kosten. Auf Basis interaktiver Workshops und vertiefenden Interviews können die Effizienzpotenziale abgeleitet werden. Bereits in dieser Phase spielt die Einbindung von IT-Spezialisten eine wesentliche Rolle.

Phase 3: Definition of change

Diese dritte Phase schliesst ein hohes Innovationspotenzial ein. Dieser Schritt sollte unter Umständen mit externer Unterstützung und unter Berücksichtigung von Kreativitätstechniken umgesetzt werden. In dieser Phase spielt die Modellierung neuer bzw. optimierter Prozesse eine grosse Rolle. Sehr gute Akteure innerhalb solcher Workshops können zum Beispiel Kunden, aber auch abteilungsfremde Mitarbeiter sein.

Phase 4: Definition of new processes and implementation

Sind neue Prozesse festgelegt, müssen diese implementiert werden. Hier sollte der Abbau von Ängsten, Widerständen etc. im Vordergrund stehen. Ferner steht in Phase 4 die Abarbeitung eines detaillierten Roll-out-Plans im Vordergrund. Als Querschnittsaktivität fungiert das Leadership, d.h., in diesem Kontext sollte eine proaktive Einbindung und Motivation aller relevanten Mitarbeiter in Form eines offenen Führungsstils erfolgen. Dabei sind die Herausforderungen der transformativen Führung besonders zu beachten. Ferner sollten geeignete IT-Systeme bereits in frühen Phasen berücksichtigt und eingebunden werden.

Integrierte Systemlösungen

Im Mittelpunkt steht immer die Frage, wie Nutzer integrierter und prozessorientierter Systeme (z.B. Mitarbeitende oder Kunden) ihre Ressourcen anwenderorientiert sowie effizient in den Geschäftsprozess einbringen können. Beispielsweise sollten Systeme durch die intelligente Verbindung der Elemente Information, Kollaboration und Unternehmensprozesse dem Anwender eine übersichtliche, smarte und virtuelle Arbeitsumgebung mit Prozesswerkzeugen, Informations- und Dokumentensystemen zur Verfügung stellen. Bereits existierende Systeme (z.B. ERP, CRM) werden nicht ersetzt, sondern integriert und verbleiben als Funktions- und Datenträger innerhalb einer prozessualen Arbeitsumgebung. Schlanke Prozesse können messbare Mehrwerte wie die Verkürzung von Durchlaufzeiten, die Reduktion von Fehlerkosten, die Erhöhung der Qualität durch Nutzung von prozessorientiertem Wissen und die Abnahme von administrativen oder kommunikativen Tätigkeiten bewirken. Mitentscheidend für die erfolgreiche Verschlankung der Prozesse ist, inwieweit es den Führungskräften gelingt, das Konzept eines konsequenten BPM im Unternehmen und bei allen Mitarbeitern zu verankern.


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