26.10.2010, 06:00 Uhr

Kunden begeistern, Risiken managen

Effiziente Prozesse und eine moderne Kommunikation mit den Kunden sind die grössten Herausforderungen für Finanzdienstleister - so das Ergebnis einer Umfrage unter den Partnern und Ausstellern des 20. Finance Forum.
Ist Fachjournalistin und für Marketing und Kommunikation des Finance Forum verantwortlich Zwei Jahre nach der Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers Inc. steht die Finanzindustrie weiter unter Druck: Das Vertrauen der Kunden ist nachhaltig erschüttert, das Image gründlich angekratzt. Die Politik erschwert die Rahmenbedingungen, indem sie mit neuen Regulierungsansätzen einer Wiederholung der Finanzkrise vorzubeugen versucht - so mit den Eigenkapitalrichtlinien Basel III, die auch für die Schweizer Institute nicht ohne Folgen bleiben dürften. Sie fürchten eine Verschärfung der internationalen Standards durch die Finma. Tradierte Geschäftsmodelle sind infrage gestellt. Wie die Banken künftig im Wettbewerb bestehen wollen? Kundenorientiert, risikobewusst und transparent, so lauten ihre gesteckten Ziele. Optimieren und Auslagern Prozessoptimierung und kein Ende - das seit Jahren virulente Thema steht unter den aktuellen Rahmen-bedingungen ganz oben auf der Agenda der Finanzindustrie. «Bei allen Prozessen sollte die Effizienz - das Kostenmanagement - gesteigert werden. Risk und Compliance sollten auf internationaler Ebene geregelt und die Beratung systematisch durch IT unterstützt werden können», beschreibt Francisco Fernandez, CEO von Avaloq, die aktuellen Aufgaben der Branche. Ähnlich sieht es Christoph Oggenfuss, Head Marketing & Communications bei Comit. Das seit Langem diskutierte Aufbrechen der Wertschöpfungskette werde auch für viele mittlere und kleinere Banken zum strategischen Thema: «Nach der Inanspruchnahme von Application Services (ASP) wird vermehrt auch die Auslagerung von Business-Prozessen geprüft.» Dem stimmt auch Christoph Erb, Bereichsleiter Customer Care und Mitglied der Geschäftsleitung bei Finnova, zu: «Wir sind überzeugt, dass die Banken Service um Service hinsichtlich der Möglichkeit eines Outsourcings überprüfen und diese auslagern, sofern dies sowohl aus wirtschaftlicher, personeller als auch aus technischer Sicht sinnvoll ist. Dies gibt den Banken den Freiraum, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren.» Viele Finanzdienstleister seien kostenbewusster geworden und konsolidierten ihre IT-Plattformen und -Strukturen, beobachten auch die Finanzdienstleistungsexperten von Sungard. Standardisierte Prozesse Effizienz, so die Mehrheit der befragten Anbieter, werde künftig über standardisierte Architekturen, Prozesse und Produkte erzielt werden. «Ich sehe einen Handlungsbedarf bei der Industrialisierung der Verarbeitungs-prozesse und gleichzeitiger Individualisierung der Kundenansprache», erklärt etwa Uwe Krakau, Country Manager Schweiz und Liechtenstein bei Avaloq. Auch Marcel Signer, Leiter Software-Entwicklung bei Crealogix E-Banking, ist überzeugt, dass der Trend in der IT zu Best-of-bread-Produkten weiter anhält: «Individual-lösungen sind in der IT ein Auslaufmodell.» Für Heinz Rudin, Business Development Manager Financial Services beim Technologie- und Beratungs-unternehmen Zühlke, stehen gleich mehrere Trends im Fokus der Finanzdienstleister: Click-and-Trade-Tools für strukturierte Produkte im Investment Banking, Systeme für die Bewirtschaftung und Visualisierung von Statistikinformationen, modellgetriebene Software-Entwicklung (MDSD) zur schnellen Umsetzung standardisierter Anwendungsarchitekturen und Interfaces sowie Cloud Computing. Nachrüsten auf neue Risikokultur Die Zeit der Zahlenfriedhöfe im Risikomanagement ist abgelaufen. Die Fitness des Systems entscheidet heute über das Überleben. «Nur ein vollständig transparentes und effizientes Risikomanagement schafft Glaubwürdigkeit und legt die Basis zu einer Risikokultur», so die Experten von Sungard. Umso erschreckender ist, dass gerade hier viel Nachrüstbedarf besteht - wie die Finanzkrise einmal mehr gezeigt hat. «Der Bereich Risiko wurde von vielen Banken in den letzten Jahren fahrlässig vernachlässigt. Um diesem Missstand entgegen zu wirken, werden die Banken ihr Risikomanagement massiv ausbauen und - nicht zuletzt in der verwendeten IT - professionalisieren müssen», erklärt Bernhard Schenkel, Business Consultant Switzerland von SimCorp Central Europe. Auch die Anleger haben aus der Krise gelernt und verlangen nach besseren Prozessen und Informationen, darauf verweist Martin Schwizer, Vizepräsident des Verwaltungsrats der vwd group Switzerland: «Der im umliegenden Europa vom Verbraucherschutz geforderten Transparenz bei Anlageprozessen und -produkten wird sich auch die Schweiz nicht entziehen können.» Nicht diskutieren - machen! Nicht nur im Backoffice, auch im Frontoffice besteht viel Innovationsbedarf, insbesondere im Aufbau eines strukturierten und IT-gestützten Vertriebs. «Veraltete Systeme und Prozesse haben bislang eine Modernisierung der Kundenkommunikation verhindert», beurteilt etwa Christian Mossner, Marketing Director Canon Schweiz, die Situation. Das sei inzwischen anders, meint Paul Kummer, Marketing Manager IBM Global Business Services: «Finanzorganisationen sind heute bestrebt, die Anforderungen ihrer Kunden besser zu verstehen und auf das Kundenbudget abgestimmte Lösungen bereitzustellen. Sie überprüfen, wie die Kunden mit der Bank kommunizieren und interagieren wollen und wie diese Interaktionen personalisiert werden können.» Davon ist Christoph Oggenfuss vom IT-Lösungsanbieter Comit noch nicht ganz überzeugt: «Viele Banken bewegen sich beim Thema Multichannel-Integration noch auf dem Schlagwort- und Diskussionslevel.» Die Kunden seien aber von Kauferlebnissen in anderen Branchen an die Durchlässigkeit der Kanäle gewohnt. «Bei den Banken», so Oggenfuss, «steckt die Rollenteilung bzw. das Zusammenspiel zwischen Internetbanking, Zweigstellen und Aussendienst vielerorts noch in den Kinderschuhen.» Dabei könnten gerade kleine Banken ohne oder mit wenigen Filialen stärker von den elektronischen Kanälen profitieren und sich im Wettbewerb positionieren. Hendrik Lang, Executive Partner und Leiter Strategy & Transformation bei IBM Global Business Services, gesteht den «Digital Natives» schon heute ein signifikantes Marktpotenzial im Retail Banking zu. «In naher Zukunft wird sich auch das Private Banking auf die neuen Bedürfnisse dieser Kundengruppe einstellen müssen», ist er überzeugt. Beschleunigt durch technologische Entwicklungen und den Smartphone-Boom spiele das Mobile Banking eine führende Rolle, wenn es um neue Kanäle für die Digital Natives gehe. «Aber», so Lang, «nicht alles, was mobile ist, garantiert Erfolg - nur die wirklich mehrwertgenerierenden Innovationen werden sich am Markt durchsetzen.» «Ein Austausch an der Schnittstelle zwischen Finanzdienstleistern und ICT-Branche ist heute wichtiger denn je», fasst Jacqueline Schleier, Managing Partner des Finance Forum, die Ergebnisse der Umfrage zusammen. In der Entwicklung innovativer Produkte und Lösungen für die Finanzindustrie liegt eine grosse Chance, den notwendigen Wandel voranzutreiben. Beide Seiten müssen an einem Strang ziehen. Die Themen am 20. Finance Forum im November könnten also nicht spannender sein. 20. Finance ForumMit hochaktuellen Themen, Top-Speakern und zahlreichen Jubiläumsangeboten feiert das Finance Forum sein 20-jähriges Bestehen. Der Jubiläumsevent steht unter dem Motto «Thought Leadership: Erfolgsfaktoren Mensch und Technik». Es erwarten Sie Konferenz, Ausstellung und Networking auf höchstem Niveau. Computerworld ist Medienpartner des Events.2. bis 3. November 2010, ZürichInfos: www.finance-forum.comUrsula Pelzl


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