Nach Überprüfung der Strategie 03.12.2021, 15:44 Uhr

Exportrisikoversicherung zieht Reissleine bei IT-Projekt

Die Exportrisikoversicherung zieht bei der Einführung eines neuen IT-Systems die Reissleine. Das 9,5-Millionen-Projekt mit einem französischen Anbieter wird nicht weiterverfolgt.
(Quelle: Marco Pregnolato/Unsplash)
Die Schweizerische Exportrisikoversicherung (Serv) hat bei der Einführung eines neuen IT-Systems die Reissleine gezogen und das Projekt abgebrochen. Die Komplexität des Geschäftsmodells als Exportrisikoversicherer «übersteigt die ursprünglichen Einschätzungen des französischen Anbieters Tinubu», begründete die Serv am Freitag den Entscheid des Verwaltungsrates für den Übungsabbruch. Zudem habe der Anbieter die geplante Zeitdauer zur Einführung der für eine Datenmigration minimal notwendigen Basisversion «signifikant verlängert».
Dies habe die Serv zum Anlass genommen, ihre IT-Strategie zu überprüfen. Dabei sei sie zum Schluss gekommen, dass mit einer technischen Modernisierung der bestehenden Lösung besser auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens und der Kunden reagiert werden könne.

Abschreiber von zwei Millionen Franken

Die Serv rechnet damit, dass es wegen der Notbremse zu einem Abschreiber von «höchstens rund zwei Millionen Franken» kommen wird. Wie die Institution auf Anfrage der Nachrichtenagentur «Keystone-SDA» mitteilte, ist die Eigenwirtschaftlichkeit dadurch «in keinster Weise gefährdet». Die Serv könne die Sistierungskosten aus eigenen Einnahmen stemmen, also ohne öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen.
Die Einführung des neuen IT-Systems der Serv hatte sich bereits seit längerer Zeit schwierig gestaltet. Das 9,5-Millionen-Franken-Projekt verzögerte sich mehrmals. Ende April 2021 kam die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zu einem wenig schmeichelhaften Schluss: «Schlüsselkonzepte fehlen oder sind ungenügend», bilanzierte die EFK in ihrem Prüfbericht.

Schlechtes Zeugnis von der Finanzkontrolle

Die EFK ortete auch Fehler beim Bund: Die Verträge zwischen der Serv und dem Leistungserbringer seien verbesserungswürdig. Sowohl der Besteller als auch der Lieferant seien nicht imstande, eine fundierte Aussage hinsichtlich des Abschlusstermins oder zur Umsetzung der Anforderungen zu machen.
Die Serv schrieb damals in ihrer Stellungnahme zu den Befunden, sie habe den «dringenden Handlungsbedarf» selbst erkannt. Die meisten Empfehlungen seien bereits seit Ende Herbst 2020 umgesetzt, weshalb das Projekt heute, also Ende April 2021, anders dastehe als noch im Sommer 2020. Man sei zuversichtlich, den Termin für die Ablösung des alten IT-Systems von Ende 2021 einhalten zu können.
Trotz der Neuausrichtung gemäss den Empfehlungen der EFK haben man leider feststellen müssen, dass die vorgegebenen Projektziele nicht wie geplant umgesetzt werden können, teilte die Serv dazu auf Anfrage mit.

«Langfristig nicht der richtige Partner»

Sie stellt gleichzeitig in Abrede, dass sie zu lange am französischen Anbieter festgehalten habe. Man habe im Verlauf des Projektes aktive Massnahmen ergriffen, um der Komplexität der Anforderungen des Projektes gerecht zu werden. Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung der Serv im Sommer sei jedoch klar geworden, «dass die Firma Tinubu langfristig nicht der richtige Partner für die Serv ist».
Der neuste Projektabbruch reiht sich ein in eine ganze Reihe von verunglückten oder zumindest stark verzögerten Aufbauten oder Einführungen neuer IT-Systeme in der Bundesverwaltung.
Die Serv ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes. Sie bietet Schweizer Exportunternehmen Versicherungen und Garantien zum Schutz vor Zahlungsausfall an.



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