04.10.2010, 06:00 Uhr

Mit BRMS schneller, als die IT erlaubt

Um Geschäftsprozesse im Eiltempo an geänderte Richtlinien, neue Produkte oder Preise anzupassen, ist das Business noch zu oft auf die IT angewiesen. Business Rules Management Systeme setzen neue Regeln automatisiert und damit deutlich schneller um.
Christian Fillinger, IBM ILOG Lead Schweiz und Österreich Flexibilität und Tempo sind heute die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Die Einführung neuer Preise, Produkte und Services steht unter dem gleichen Zeitdruck wie die Umsetzung neuer Richtlinien und gesetzlicher Vorgaben. Von ihrer schnellen, transparenten und unkomplizierten Implementierung in die bestehenden Geschäftsregeln hängt ab, ob sich beispielsweise Erträge steigern, Kosten senken oder Risiken und Lieferzeiten reduzieren lassen. Angesichts der meist komplexen Datenbestände in den Unternehmen werden die erforderlichen Änderungen jedoch meist nicht schnell genug umgesetzt.

Die Komplexitätsfalle

Die Folgen sind bekannt: Statt neue Geschäftsentscheide umgehend in die Prozesse der Unternehmen zu integrieren und transparent abzubilden, müssen die Geschäftsregeln erst umständlich von den Entwicklern in der Software und in den Datenbanken angepasst oder gleich neu codiert werden. Die Komplexitätsfalle tut sich auf, ein langer, oft mühseliger und nicht selten fehlerhafter Prozess beginnt: Der verantwortliche Fachanwender übergibt die notwendigen Änderungen an IT-Spezialisten, womit sein Know-how bei der Umsetzung nicht mehr einfliessen kann. Das Resultat dieser komplizierten Kommunikation ist daher häufig mangelhaft, kaum nachvollziehbar und immer zeitintensiv. Dass dadurch auch noch die Komplexität der gesamten IT-Systeme von der Software bis zu den Datenbanken wächst, liegt auf der Hand. Transparenz geht verloren, und rasche Marktpräsenz ist auf diesem Wege genauso wenig möglich wie eine Automatisierung der Entscheidungsprozesse.

Schnelle Umsetzung ohne IT-Aufwand

Als Ausweg aus dem Dilemma kommen heute vermehrt Business Rules Management Systeme (BRMS) zum Einsatz. Obwohl die Technologie bereits einige Jahre alt ist, kennen viele die Vorteile von regelbasierten Software-Systemen nicht. Anpassungen oder neue Geschäftsregeln müssen nicht mehr zwingend von den IT-Abteilungen implementiert werden, sondern können direkt von den betroffenen Fachanwendern über die gewohnte Software, beispielsweise in Word- oder Excel-Dokumente des BRMS eingegeben werden. Die komplexe und vielschichtige Entscheidungslogik lässt sich so viel leichter definieren, in Betrieb nehmen, ausführen, überwachen und auswerten. Diese Entscheidungslogik, Business Rules genannt, beinhaltet sowohl die Firmenpolitik als auch die nötigen Anforderungen ans Business. Die damit einhergehenden Massnahmen werden in typischen Wenn-Dann-Regeln umgesetzt. Der Vorteil von BRM-Systemen liegt in der Möglichkeit, derartige Anpassungen, Änderungen und Regelneudefinitionen einfach und automatisch vorzunehmen. Aufgrund der dafür gemeinsam verwendeten Sprache von den Benutzern an der Front und den IT-Spezialisten wird im BRMS die gesamte Intelligenz eines Unternehmens oder einer Behörde zusammengeführt: Prozesse, Applikationen, Datenbanken, Word-Dokumente, PDFs und Excel-Tabellen. Typische Einsatzbeispiele von BRMS sind neben dem Claimmanagement im Versicherungs- und Krankenkassenumfeld das automatische Bewerten von Kreditanfragen, die automatische Festlegung unethischer Angebote auf eBay, die Preisgestaltung für Bahnbillete, das Fahrplanmanagement oder die automatisierte Auszahlung von Subventionen. Mit BRMS automatisierte Prozesse haben sich besonders in Unternehmen bewährt, die mit grossen Datenbeständen arbeiten und einer hohen Regeldichte ausgesetzt sind. Ein Beispiel dafür ist die in Martigny ansässige Groupe Mutuel. Sie vereint 14 Versicherungsunternehmen und wird von über 800000 Privatpersonen und 10500 Unternehmen unter anderem zur Kranken-, Lebens- und Invaliditätsversicherung genutzt.

Automatisierte Entscheidungen

Allerdings fokussierte sich die BRMS-Umsetzung bisher weitgehend auf die Business Rules. IBM rückt stattdessen das Management der Entscheidungsprozesse stärker in den Mittelpunkt. Wichtig ist zum Beispiel die Möglichkeit, die unterschiedlichen Regelformen und -darstellungen direkt durch die Business-Verantwortlichen korrekt zu erfassen. Auf diese Weise rückt nicht nur das Know-how der Fachanwender stärker als bisher in den Fokus, auch die früher zu langen Kommunikationswege verkürzen sich. Denn die Benutzer aus den Geschäftsbereichen beteiligen sich dadurch aktiv am BRMS - von den Tests der Regeln bis zu deren Umsetzung und Pflege in der Geschäftsumgebung.
Die unter anderem in Word-Vorlagen oder Excel-Tabellen des BRMS gemeinsam benutzte Sprache minimiert zudem eventuelle Verständnisprobleme und sorgt dafür, dass die beiden Gruppen effektiver als zuvor miteinander kommunizieren. Das Know-how wird von den betroffenen Spezialisten in den typischen Wenn-Dann-Regeln direkt in die Vorlagen des BRMS eingetragen. Durch die Integration aller Beteiligten entsteht ein analytisch nachvollziehbarer, kohärenter und auditierbarer Regelbestand, auf dem alle Entscheidungsprozesse beruhen. Eingriffe in die Regeln der Geschäftsprozesse, dem eigentlichen Herzstück aller Unternehmen, werden von den bisherigen Risiken komplizierter externer oder interner Strukturen entlastet und lassen sich automatisieren. Zudem bleiben die IT-Spezialisten weitgehend aussen vor, was auch die langen Freigabeprozesse erheblich verkürzt. Überall dort, wo regelmässige Neudefinitionen, Anpassungen oder Änderungen an den Geschäftsprozessen unumgänglich sind, liegt die Kompetenz jetzt bei den direkt Betroffenen.

Fazit: Schneller am Markt

Die im BRMS abgewickelten Geschäftsentscheide sind dort angesiedelt, wo sie auch zu verantworten sind. Während sich die IT-Spezialisten verstärkt ihren Kernaufgaben zuwenden, können die Business-Verantwortlichen ihre Aufgaben effizienter wahrnehmen. Freigabeprozesse verkürzen sich, neue Produkte oder Dienstleistungen werden schneller realisiert, das gesamte Geschäftsgeschehen gewinnt erheblich an Tempo und Dynamik. Änderungen an den Geschäftsregeln werden via Team-Server für mehrere Mitglieder nachvollziehbar abgebildet. Jeder Autor sieht, welche Anpassungen die anderen umgesetzt haben. Jede Veränderung ist einzeln dokumentiert und bleibt damit überprüfbar. Und, was wesentlich ist, die IT-Abteilungen und die Corporate-Governance kommen sich nicht mehr in die Quere. Die so gewonnene Agilität ebnet den Weg zu einem schnellen «Time to Market».
Christian Fillinger


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