11.05.2006, 20:16 Uhr

Absage an den Thin-Client im Unternehmen

Beim Thema Office-Entwicklung mit .NET erhöht Microsoft die Schlagzahl. Nachdem im November die Visual Studio Tools für Office 2.0 offiziell wurden, ging bereits Ende März eine Preview der Version 3.0 an den Start.
Die Visual Studio Tools für Office (VSTO) 2.0 waren noch nicht offiziell ausgeliefert, da präsentierten die Entwickler anlässlich der PDC 2005 im November letzten Jahres bereits die ersten Details zur Nachfolgeversion «v3». Auf der Office 2003 Developer Conference, die Mitte März in Redmond vor knapp 1000 Teilnehmern aus der ganzen Welt stattfand, gab Microsofts CEO Bill Gates die Freigabe einer ersten Community Technology Preview (CTP) bekannt, die seit dem zum Download bereit steht. Das hohe Tempo hat natürlich seine Gründe: Die Auslieferung von Office 2007 steht vor der Tür und damit auch die Notwendigkeit eines Update der Visual Studio Tools für Office, denn mit der aktuellen Version werden sich zum Beispiel keine Add Ins für Outlook 2007 programmieren lassen. Der zweite Grund hat mit einer neuen Herangehensweise an den Entwicklungsprozess zu tun. Anstatt nach ein oder zwei Betas ein oder zwei Release Candidates freizugeben, verfolgt man in Redmond seit einiger Zeit eine Politik der kleinen Zwischenschritte, bei der es vor allem darum geht, das Feedback der sehr regen weltweiten technischen Community einzuholen. Bei Visual Studio 2005 hatte sich dieser Ansatz bereits bewährt und auch bei Windows Vista wird er mit Sicherheit für eine pünktliche Auslieferung sorgen.
Keep it simpel
Wer erwartet hat, dass gleich beim ersten Preview alles bunter und funktionshaltiger wird, wird zunächst enttäuscht. Die erste Vorabversion beschränkt sich auf wenige Kernbereiche und präsentiert sich in Gestalt schlichter Vorlagen, die in VS 2005 angeboten werden (mehr dazu im Kasten Installationshürden). Der Schwerpunkt des ersten CTPs wurde auf vier Bereiche gelegt: Die Entwicklung von COM Add-Ins für alle Office 2007 Anwendungen, das zur Verfügung stellen einer TaskPane auf Anwendungsebene, das Ansprechen von Office-12-Dokumenten im neuen XML-Format und natürlich die Programmierung der neuen Ribbons, die Microsoft den Entwicklern natürlich nicht vorenthalten möchte.
Add-Ins für alle
Da das bisherige Shared-Add-In-Modell für in Managed Code programmierte COM Add-Ins, das im Rahmen von VS.NET 2003 zur Verfügung stand, aus verschiedenen Gründen nicht optimal war, entschloss man sich bei Microsoft es zu vereinfachen, so dass sich die Entwickler nicht mehr um lästige und teilweise auch recht anspruchsvolle Details, wie COM-Shims und das manuelle Nachbearbeiten von Registry-Einträgen, kümmern mussten. Mit der Version 2.0 der VSTO 2.0 wurde lediglich Outlook berücksichtigt, bei den VSTO v3 werden insgesamt zehn Office-Anwendung unterstützt - auch Microsoft Publisher. Das neue Modell reduziert COM spezifische Formalismen auf ein Minimum, stellt mit Startup und Shutdown zwei einfache Events zur Verfügung (die die etwas unhandliche IDTExtensibility2-Schnittstelle kapseln) und legt automatisch ein Setup-Projekt an, das alle für die Weitergabe benötigten Dateien zusammenfasst. Hatte dieses Modell bei Outlook 2003 bereits für Furore gesorgt, wird es mit der Version v3 enorm zur Vereinheitlichung von Office-Erweiterungen beitragen und oft das ausschlaggebende Argument sein, wenn es darum geht, die noch in vielen Unternehmen eingesetzten auf Dokumenten basierenden und mit VBA-Code erweiterten «Add-Ins» abzulösen.
Action Panes erweitert
Die von Microsoft propagierten SmartDocuments konnten sich bislang in den Unternehmen nicht so recht durchsetzen, da sie recht aufwändig zu programmieren waren, wenngleich Tools, wie der Vertigo SmartDocument Wrapper, diesen etwas mühsamen Prozess bereits vor den VSTO vereinfachten. Mit den VSTO 2.0 erforderte das Anlegen einer ActionPane - so wird die spezielle Aufgabenleiste genannt, die von einem VSTO-Projekt eingerichtet wird - zwar nur noch wenige Zeilen Code, war aber auf das jeweilige Dokument beschränkt. Mit den VSTO v3 wird die ActionPane anwendungsweit zur Verfügung stehen. An der Umsetzung ändert sich (noch) nichts. Ein Programmierer muss nach wie vor ein UserControl anlegen und mit diesem den Aufbau der Aufgabenleiste festlegen. Dieses UserControl wird nun zur neuen CustomTaskPanes-Auflistung hinzugefügt. Wird ein neues Dokument angelegt, bleibt nicht nur die Aufgabenleiste erhalten, auch die Controls beziehen sich auf das aktuelle Dokument. In der finalen Version soll es für die Aufgabenleiste auch einen Designer geben.
XML everywhere
Dass XML beim kommenden Office 2007 das wichtigste Dokumentformat werden wird, wird in dieser Ausgabe der Developerworld ausführlich beschrieben. Daher nur soviel: Die VSTO v3 werden selbstverständlich auch komfortable Möglichkeiten bieten, an die einzelnen Elemente eines XML-Dokuments heranzukommen. Eine Fülle von Beispielen haben die Microsoft-Entwickler für die kommende Beta 2 von Office 2007 versprochen.

RibbonX

Ein kleines Highlight des kommenden Office 2007 sind die neuen UI-Auswahlelemente, welche die herkömmlichen Symbol- und Befehlsleisten vollständig ersetzen, und die unter dem Namen «Ribbons» (zu Deutsch: Schleife) bekannt sind. Da natürlich kaum ein Entwickler in seinen Office-Anwendungen auf die neuen Bedienelemente verzichten möchte, beeilt sich Microsoft sie möglichst bald allen zur Verfügung zu stellen. Grundlage für die Ribbons ist ein Erweiterungsmodell, das den (vorläufigen?) Namen «RibbonX» trägt. Damit lassen sich im Moment bereits die sogenannten Galeries umsetzen. Das sind Controls, die eine visuselle Repräsentation eines zu erwartenden Ergebnisses bieten. Sie werden zunächst per XML deklarativ erstellt und dann über einen Callback-Handler mit Inhalten gefüllt, wobei für jeden Datentyp ein eigener Callback-Handler zuständig ist. Im aktuellen CTP ist das noch ein wenig umständlich, zumal auf den Datenaustausch mit COM-Schnittstellen Rücksicht genommen werden muss, später soll es auch dafür einen komfortablen Drag&Drop-Designer mit Codebehind-Dateien geben. Wie sich mit der CTP eine einfache, optisch aber bereits beeindruckende Bildgalerie realisieren lässt, zeigt Microsoft-Technologieberater Jens Häupel in seinem Blog unter http://blogs.msdn.com/jensha/archive/2006/04/20/580124.aspx.
Offene Baustellen
Das aktuelle CTP ist wirklich nicht mehr als ein allererstes Preview, durch das sich die Entwickler in Redmond auch Feedback erhoffen. Einige wichtige Punkte sind daher noch nicht endgültig entschieden, etwa, ob es Vereinfachungen am Sicherheitsmodell geben wird, so dass ein Unternehmen, das ein Offfice-Dokument mit einem VSTO-Assembly ausliefern möchte, nicht auf jeder Arbeitsstation Fulltrust-Berechtigungen einrichten muss. Im Laufe des Jahres sollen weitere CTPs folgen. Eine offizielle Beta soll es spätestens mit der Fertigstellung von Office 2007 geben. Wie die VSTO 2.0 werden auch die VSTO v3 zusammen mit der nächsten Visual Studio-Version (Codename «Orcas») ausgeliefert. Erst die «v4»-Version soll, unbestätigten Gerüchten zufolge, ein eigenständiges Produkt sein.
Peter Monadjemi


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