Gastbeitrag 27.06.2022, 08:00 Uhr

Hybrid Work: Phantom oder Realität?

Wie weit sind die Schweizer Unternehmen nach zwei Jahren Pandemie wirklich mit Hybrid Work vorangekommen? Eine aktuelle Studie zeigt: Die Führungsebene glaubt weiter zu sein als die Mitarbeitenden.
Hybrid Work bedeutet mehr als die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur
(Quelle: Shutterstock/TarikVision)
Komplett zurück ins Büro, Hybrid Work oder weiterhin dauerhaft Home Office – Schweizer Unternehmen verfolgen unterschiedliche Konzepte. Zum Beispiel möchte eine grosse Bank, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich wieder ins Büro ­kommen. Trotzdem bietet sie ein flexibles Arbeitsmodell an, das sogar vollständiges Home Office ermöglicht.
Die meisten Unternehmen bieten hybride Modelle an. Häufig ist, nach Absprache mit Team und Vorgesetzten sowie je nach betrieblichen Erfordernissen, alles möglich. Eine vollständige Home-Office-Pflicht sehen dagegen nur wenige weiterhin vor. Hybrid Work erfordert aber weit mehr als die Bereitstellung entsprechender Technologien und Freigaben. Auch interne Prozesse sowie die Unternehmenskultur und -organisation müssen dies unterstützen. Gerade hier hapert es noch häufig, wie die Studie «Hybrid Work 2022» von Foundry Research Services in Zusammenarbeit mit Campana & Schott sowie weiteren Partnern zeigt. Demnach sehen Führungskräfte ihre Firma bei Hybrid Work weiter vorangeschritten als die Belegschaft.

Längst nicht alle Anforderungen erfüllt

So sagen knapp 25 Prozent der IT-Managerinnen und -Manager, dass ihr Unternehmen ein modernes Hybrid-Work-Modell bereits vollständig umgesetzt hat oder kurz davor steht. Die Fachbereiche zeigen sich deutlich skeptischer. Hier bestätigen weniger als 6 Prozent den Abschluss der Initiative. Das bedeutet: Die IT-Abteilungen haben noch längst nicht alle Anforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllt, auch wenn sie das selbst glauben.
Eine ähnliche Diskrepanz gibt es in Bezug auf ein fundiertes Hybrid-Work-Konzept. Insbesondere die Chefetage treibt hier den Durchschnittswert hoch. Bis die theoretisch erstellten Konzepte aber in der Praxis bei den Fachbereichen realisiert werden, scheint es noch eine Weile zu dauern. Denn bislang halten sich traditionelle Arbeitsweisen hartnäckig. Laut der Studie dominieren in den Büros ­weiterhin feste Arbeitsplätze für jeden Mitarbeitenden.
Zumindest möchten mehr als zwei Drittel der Unternehmen ihre Hybrid-Work-Investitionen noch in diesem Jahr steigern. Das bestätigt die Annahme, dass die ­Umstellung auf Hybrid Work doch noch nicht so weit ist, wie die Leitungsebene glaubt.
Vielen Führungskräften genügt wohl die Bereitstellung der technischen Grundlage für Hybrid Work. Diesen Schritt haben zumindest teilweise die meisten Unternehmen ­geschafft, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestätigen. So sind fast 60 Prozent mit der technischen ­Infrastruktur in ihrer Firma zufrieden. Das ist freilich nicht genug, denn eine zufriedene Belegschaft muss nicht bedeuten, dass das Unternehmen schon die optimale Effizienz erreicht hat. Klare Konzepte müssen den Mitarbeitenden zeigen, wie ein Hybrid-Work-Modell auf allen Ebenen aussieht, und vollständig umgesetzt werden.

Grosse Unternehmen sind weiter

Bei der Einführung solcher Hybrid-Work-Konzepte sind grös­sere Unternehmen im Durchschnitt weiter. Bereits 30 Prozent geben an, dass sie sich hier in der Schlussphase befinden. Bei kleineren Firmen sind es nur 15 Prozent.
Doch auch hier stellt sich die Frage, ob der persönliche Eindruck nur ein Phantom sieht oder der Realität entspricht. So verantworten vor allem IT (35,7 %) und Geschäftsführung (33,0 %) die Budgets und Investitionen im Bereich Hybrid Work. Da die Fachabteilungen (15,8 %) nur selten darüber entscheiden, gehen die Investitionen möglicherweise an ihrem Bedarf vorbei. Ein weiterer Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung in Bezug auf Hybrid Work zwischen den Stakeholdern können unterschied­liche Zielzustände sein. Die einfach zu erreichende «Remote-Arbeitsfähigkeit» steht einer «effizienten Zusammen­arbeit» und «Use-Case-spezifischen Lösungen für Fach­bereiche» gegenüber.
Immerhin arbeiten schon jetzt im Schnitt rund 40 Prozent der Mitarbeitenden in einem Hybrid-Modell, soweit das Unternehmen dies ermöglicht. Dagegen sagen 49 Prozent der Befragten, dass sich ihr Betrieb nicht mit neuen Arbeitsweisen anfreunden kann. Zwei Drittel gehen aber davon aus, dass der Anteil von Hybrid Work weiter steigen wird. In grossen Firmen und auf Führungsebene sind es sogar 72 Prozent.

Vorteile und Risiken

Gemäss der Studie sehen Unternehmen die grössten Vorteile von Hybrid Work bei der Verbesserung von Mitarbeiter­zufriedenheit, Umsatz/Gewinn, Kundenzufriedenheit und Kommunikation nach aussen. Die Belegschaft wünscht sich dagegen vor allem einen ortsunabhängigen Zugriff auf sämtliche Daten, die freie Wahl der technischen Ausstattung, flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Verknüpfung sämtlicher Kommunikationskanäle.
Der mobile Arbeitsplatz besitzt aber auch seine Nachteile. Die wichtigsten sind laut den Mitarbeitenden der Mangel an menschlichem Kontakt, unzureichender Zugang zu Daten und schlechte Internetanbindung. Aber auch Unternehmen erkennen Risiken auf Basis ihres Status quo, insbesondere im Bereich IT-Security. Im Mittelpunkt stehen hier Datensicherheit und Disaster Recovery (45,8 %), Betriebssicherheit (36,3 %) und mangelnde ­Kompatibilität mit älteren Anwendungen (28,2 %).
Angesichts dieser Gefahren ist es überraschend, dass beinahe die Hälfte der befragten Unternehmen erst in Zukunft plant, die Sicherheit von Remote-Arbeitsplätzen zu verbessern. Rund 5 Prozent sehen sogar überhaupt keinen Optimierungsbedarf für die IT-Security. Etwa ein Viertel hat die Massnahmen bereits abgeschlossen und lediglich 22,7 Prozent möchten die Security weiter verbessern.
Dabei intensivieren und verändern sich die Angriffe ständig. So müsste eigentlich jedes Unternehmen seine Security-Massnahmen permanent optimieren. Ent­sprechend sind die Firmen viel zu wenig ambitioniert, um ­wirklich vor den aktuellen und kommenden Gefahren ­geschützt zu sein. Zusätzlich werden meist einzelne und nicht integrierte Sicherheitsmassnahmen wie VPN, Endpoint Security oder Mobile Device Management genutzt. Umfassende Lösungen wie SIEM oder ganzheitliche Zero-Trust-Konzepte kommen weitgehend nur in Grossunternehmen zum Einsatz.

Fazit

Wie die Studie zeigt, sind die Schweizer Unternehmen bei der Umsetzung von Hybrid Work zwar deutlich vorangekommen, trotzdem besteht noch viel Handlungsbedarf. Damit hybride Arbeitsweisen wirklich erfolgreich sind, ist die technische Infrastruktur mit geeigneten Prozessen, Organisationen, Teamkulturen und Führungsstrukturen zu ergänzen. Hier können erfahrene Beraterinnen und Berater helfen.
Die komplette Studie «Hybrid Work 2022» ist auf der Webseite von Campana & Schott zu finden.
Der Autor
Christian Koch
Campana & Schott
Christian Koch ist Manager Development, Infrastructure, Integration & Support bei Campana & Schott. www.campana-schott.com/ch



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