Nach Sturm aufs Capitol
08.01.2021, 13:57 Uhr

Bedenkliche IT-Gepflogenheiten im US-Kongress

Nach der Stürmung des US-Parlamentsgebäudes wurden auch gravierende Versäumnisse in sachen IT-Security offenbar. So standen diverse Abgeordneten-PC komplett offen herum.
West-Seite des US-Capitols in Washington
(Quelle: Martin Falbisoner/Wikimedia)
Nach der Stürmung des US-Kongresses durch Trump-Anhänger muss wohl die gesamte IT-Infrastruktur der beiden Parlamentskammern auf den Prüfstand gestellt werden. Dies empfiehlt der Cybersecurity-Spezialist G Data Cyber Defense in einem aktuellen Kommentar. Nachdem Bilder von nicht-gesperrten PCs in Abgeordnetenbüros auf Twitter kursierten, sollte das Netzwerk zudem als kompromittiert angesehen werden.
Die Bilder zeigen laut G Data ausserdem Probleme im Sicherheitsbewusstsein einiger Mitarbeiter auf. Sogar im Büro der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, war ein Rechner nicht gesperrt, der Inhalt des Outlook-Accounts für jeden einsehbar. Gemäss G-Data-Beurteilung ist es zwar unwahrscheinlich, dass auf diesen Rechnern als geheim eingestufte Daten verarbeitet werden. Trotzdem seien die dort abgelegten Informationen für politische Gegner oder Nachrichtendienste von grossem Interesse. Es sei anzunehmen, dass noch deutlich mehr Rechner verwundbar waren.

Mängel bei der IT-Security-Strategie

Hauke Gierow von G Data
Quelle: G Data
«Bei Security Awareness geht es darum, auch in kritischen Situationen und unter Stress die richtigen Entscheidungen zu treffen», kommentiert Hauke Gierow, Sicherheitsexperte von G Data die Vorfälle. «Gerade in einer Ausnahmesituation folgen Menschen ihren Instinkten und rufen eingeübte Verhaltensmuster ab. Wenn man den Arbeitsplatz verlässt – und sei es, um sich einen Kaffee zu holen – muss der Rechner gesperrt werden», fordert er. Es sei ausserdem unverständlich, dass die Bildschirme nicht nach kurzer Zeit automatisch gesperrt wurden. Dies könne von der IT per Gruppenrichtlinie durchgesetzt werden und sei eigentlich eine Standardprozedur im Bereich IT-Sicherheit, wundert sich der Experte folglich.
Noch am Abend des Angriffes meldete die Polizei, dass das Gebäude wieder sicher sei. Die Aufräumarbeiten an den IT-Systemen werden sich aber deutlich länger hinziehen, so die Mutmassung der Security-Spezialisten. «Nachdem ungesperrte Computer gefunden wurden sollte das gesamte Netzwerk des Kongresses als kompromittiert angesehen werden», meint Gierow. «Alle Rechner sollten einer genauen Analyse unterzogen und neu aufgesetzt werden. Wenn es erfolgreiche Zugriffe auf die Systeme gegeben hat, sollten diese ausgetauscht werden», empfiehlt er folglich. Denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch Agenten von Nachrichtendiensten unter die Chaoten gemischt hätten, die das Chaos für die Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse nutzen wollten.


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