Nummer 5 19.10.2023, 08:56 Uhr

Hands-on: das Fairphone 5

Die umweltfreundlichen und fair produzierten Fairphones haben bisher nicht unbedingt mit herausragenden Spezifikationen überzeugt. Beim neusten Modell gibt es aber zwei grosse technische Fortschritte.
(Quelle: Bernd Diekjobst/dpa-tmn)
Das neue Fairphone 5 kann ein Smartphone für ein ganzes Jahrzehnt sein. Während bei etlichen anderen Herstellern die Geräte wegen fehlender Software-Aktualisierungen bereits nach zwei oder drei Jahren obsolet werden, verspricht das niederländische Unternehmen zwischen acht und zehn Jahren Sicherheitsupdates – ein Branchenrekord in Sachen Nachhaltigkeit.
Um dieses Versprechen Wirklichkeit werden zu lassen, haben die Entwickler in Amsterdam eine ungewöhnliche Entscheidung zum Haupt-Chipset getroffen. Im Gegensatz zum Vorgängermodell hat man nicht zur Snapdragon-Baureihe gegriffen, die der Chip-Lieferant Qualcomm eigentlich für Mobiltelefone vorsieht.
Stattdessen hat man sich für Qualcomms QCM 6490 entschieden. Dieser Chipsatz kommt sonst in ganz anderen Umgebungen zum Einsatz, etwa bei den Selbstbedienungsterminals grosser Fast-Food-Ketten. Es gibt aber auch ein Outdoor-Handy von AGM mit diesem Chip.
Obwohl der QCM 6490 nicht unbedingt für Smartphones entwickelt wurde, hat er aus Sicht der Fairphone-Konstrukteure einen entscheidenden Vorteil. Qualcomm gewährleistet hier acht Jahre Software-Support.
Ohne diese Zusage müsste der kleine niederländische Hersteller bei grossen Updates des Android-Betriebssystems die komplizierte Treiber-Software selbst entwickeln. Von der Rechenleistung her ist das Fairphone 5 mit Mittelklasse-Smartphones wie dem Galaxy A54 von Samsung vergleichbar.

Kräftige Farben dank OLED

Die zweite wichtige technische Neuerung fällt direkt ins Auge. Das Fairphone 5 hat im Vergleich zum Vorgängermodell ein deutlich besseres Display bekommen. Die Niederländer verwenden nun kein einfaches LCD-Panel mehr, sondern haben sich für ein hochwertiges Display mit OLED-Technik entschieden. Das sorgt dafür, dass Fotos auf dem Gerät deutlich kräftigere Farben haben und schön scharf erscheinen.
Und bei der Videowiedergabe erscheinen dunkle Bereiche wirklich tiefschwarz und nicht nur dunkelgrau. Die OLED-Technik sorgt auch dafür, dass der Bildschirm im Freien besser abzulesen ist. Die Bildwechselfrequenz liegt bei 60 oder 90 Hertz. Das OLED-Display ermöglicht es auch, einen Always-on-Modus umzusetzen: Informationen wie Uhrzeit oder aktuelle Benachrichtigungen können ständig angezeigt werden, ohne dass der Akku vorzeitig schlappmacht.
Auch die Position der Selfie-Kamera hat sich verändert. Bei den älteren Modellen war für die Frontkamera noch ein grösserer, tropfenförmiger Bereich ausgespart. Beim Fairphone 5 ist dieser Notch auf einen kleinen schwarzen Kreis (Punchhole) geschrumpft, wodurch das Gerät deutlich moderner wirkt, auch weil die Displayränder deutlich schmaler geworden sind.
Die Selfiekamera selbst erledigt ihren Job recht gut. Sie löst jetzt mit 50 Megapixeln auf, doppelt so viele wie beim Vorgängermodell. Die Selfies geraten dadurch schön scharf. Beim Haupt-Kamerasystem könnte man auf den ersten Blick meinen, man hätte es mit drei Kameras zu tun. Tatsächlich sind es aber nur zwei: eine Hauptkamera mit optischer Bildstabilisierung und eine Ultra-Weitwinkelkamera.
Was so aussieht wie eine dritte Kamera ist ein Tiefensensor. Beide Kameras verfügen über eine Auflösung von 50 Megapixeln. Nach dem sogenannten Pixel-Binning, bei dem mehrere einzelne Bildpunkte miteinander zu einem grösseren Pixel verschmolzen werden, werden jeweils 12,6 Megapixel grosse Foto-Dateien ausgegeben.

Gute Kamera, aber kein Tele

Im Test produzierte die Hauptkamera des Fairphone 5 kontrastreiche Fotos mit kräftigen Farben, ohne ins Quietschbunte abzugleiten. Aufnahmen bei Dunkelheit und Dämmerung fielen dagegen nicht ganz so scharf und detailreich aus wie Tageslicht-Aufnahmen.
Weit entfernte Objekte kann man nur digital heranzoomen, weil es kein optisches Teleobjektiv gibt. In unserem Test stiessen wir jenseits der zweifachen Vergrösserung schnell an die Grenzen. Bei Fotos, die mit der maximalen 20-fachen Vergrösserung aufgenommen wurden, gingen viele Details in einem Bildrauschen unter.
Besser als bei den Vorgängermodellen ist auch der Akku. Er verfügt nun über eine Kapazität von 4200 mAh. Im Test kamen wir damit gut durch den Tag. Sind alle Energiesparfunktionen aktiviert, hält der Akku auch zwei Tage durch.
Beim YouTube-Dauerlauf war nach gut 11 Stunden Schluss. Testkandidaten anderer Hersteller kommen hier in der Regel auf 14 bis 15 Stunden. Der Akku kann mit einem 30-Watt-Ladegerät per USB-C in 30 Minuten auf 50 Prozent geladen werden.
Sollte der Akku irgendwann einmal so viel Kapazität eingebüsst haben, dass sich das Telefon so nicht mehr sinnvoll nutzen lässt, kann die Batterie sehr einfach ohne irgendwelches Werkzeug ausgetauscht werden. Mit den Fingernägeln kann man die Rückseite entfernen, ebenso den Akku selbst. Der Nachteil dieser Lösung ist ein nicht optimaler Wasserschutz. Aber immerhin erreicht das Fairphone 5 damit eine IP55-Zertifizierung. Das Gerät ist somit vor einem Regenschauer geschützt, sollte aber nicht in die Badewanne fallen, denn es ist, wie gesagt, nicht wirklich wasserdicht.

Zehn Teile austauschbar

Die modulare Bauweise ermöglicht aber nicht nur den Austausch des Akkus. Auch die drei Kameras, die USB-C-Buchse, der Lautsprecher, die Hörmuschel und die Top-Einheit mit SIM-Kartenfach und Speicherkarten-Slot lassen sich ohne Bastelerfahrung ersetzen.
Der dafür benötigte Philips-Kreuzschlitzschraubendreher liegt in der Packung. Ein Ersatz-Akku kostet 40 Euro, das Display 100 Euro, die Rückseite 25 Euro, die Kameras zwischen 35 Euro (Selfiekamera) und 70 Euro (Hauptkamera).
Zum Umweltkonzept gehört aber nicht nur die sehr gute Reparierbarkeit: Beim Fairphone 5 stammen 14 Rohstoffe aus fairen Lieferketten oder aus dem Recycling. Das gilt nach Angaben der Niederländer für das verwendete Aluminium, die Kunststoffe und Rohstoffe wie Gold, Wolfram, Lithium, Silber, Kobalt, Zinn, Zink, Metalle der Seltenen Erden, Magnesium, Indium, Kupfer und Nickel. Fairphone nimmt auch für sich in Anspruch, elektronikschrottneutral zu sein. Das bedeutet, dass für jedes verkaufte Fairphone 5 ein altes Smartphone recycelt wird.
Das Fairphone 5 kostet knapp 700 Euro (Schweiz: Aktion ab 620 Franken), das sind 120 Euro mehr, als das Vorgängermodell in der günstigsten Ausführung gekostet hat. Dafür gibt es nun aber ein deutlich besseres Display. Ausserdem stecken im Fairphone 5 jetzt 256 Gigabyte Speicher, doppelt so viel wie beim Einstiegsmodell des Fairphone 4. Damit wurde der Preis des neuen Modells unterm Strich um 50 Euro erhöht.
Fazit: Im Vergleich zu anderen Mittelklasse-Smartphones ist das Fairphone 5 kein Schnäppchen. Geräte wie das Galaxy A54 von Samsung oder das Pixel 7a von Google bieten eine vergleichbare Leistung oder mehr, kosten aber rund 200 Euro weniger.
Das Fairphone lässt sich aber nicht wie ein herkömmliches Smartphone bewerten. Die immensen Aufwendungen des Herstellers, etwa bei der fairen Beschaffung der Rohstoffe und der Entwicklung eines Konzepts der einfachen Reparierbarkeit, haben ihren Preis. Wer auf der Suche nach einem Smartphone aus fairer und nachhaltiger Produktion ist, erhält mit dem Fairphone 5 ein gutes Gerät, das man etliche Jahre lang nutzen kann.

Computerworld meint

Das Fairphone wird erwachsen. Es ist jetzt nicht mehr nur nachhaltig (acht bis zehn Jahre Sicherheitsupdates) und sehr gut reparierbar, sondern man hat sich für einen Prozessor entschieden, für den Qualcomm acht Jahre Software-Support leistet. Ein Highlight ist ausserdem, dass man beim Display auf OLED-Technik umgeschwenkt ist. Zudem wurde die Selfiekamera verbessert. In der Schweiz ist das Fairphone 5 beispielsweise bei Mobilezone ab Fr. 619.95 zu haben. Wer nur für eine gewisse Zeit ein Handy benötigt: Man kann ein Fairphone übrigens jetzt auch mieten, falls man nur für eine gewisse Zeit eines benötigt (Fairphone Easy).


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